Gelsenkirchen. Zehn Monate dauerte die Renovierung der Orgel in der Gelsenkirchener St.-Augustinus Kirche. Das waren die schwierigsten Arbeiten.
Wenn Wolfgang Ballhausen an seinem gigantischen Instrument die spanischen Trompeten erschallen lässt, klingt das im ersten Moment fast so laut und kräftig wie das Nebelhorn eines Ozean-Dampfers. „Die setzen wir aber nur sehr selten ein - etwa beim Auszug bei den Festtags-Gottesdiensten“, sagt der Kirchenmusiker. Seit vergangener Woche ist ihr Klangbild vielleicht sogar noch ein wenig klarer und wuchtiger als zuvor. Denn seitdem ist die Sanierung der Orgel in der katholischen Altstadt-Kirche St. Augustinus abgeschlossen. Und zehn Monate detailversessener Arbeit haben bei den über 5000 Pfeifen deutlich hörbar ihre Spuren hinterlassen.
Tasten und Pedalen der Orgel sind nun viel leichter zu bedienen
„Der Klang der Orgel ist nun wieder wesentlich gleichmäßiger“, antwortet Ballhausen beim WAZ-Interview in der Kirche auf die Frage, was sich denn nach der abgeschlossenen Renovierung des Instruments am meisten verändert habe. „Zudem ist sie viel leichter zu spielen. Ich benötige sowohl mit den Fingern als auch mit den Füßen einen viel geringeren Anschlagsdruck“, lobt der Kirchenmusiker. Wobei man sich aber erst einmal an diese Erleichterung gewöhnen müsse. Denn die alte Spielweise, sie hatte sich nach Jahrzehnten ja nun mal tief und fest ins Gedächtnis gespeichert.
Begonnen hatten die Arbeiten im Januar 2024. Alle 20 bis 30 Jahre steht eine turnusmäßige Großreinigung an. Eine Sanierung von diesen Ausmaßen genießt aber einen noch größeren Seltenheitswert. Dennoch würde sich Thomas Bertz als Experten für dieses geschichtsträchtige Instrument bezeichnen, hat der 57-jährige Orgelbauer es in den vergangenen Jahrzehnten doch gleich mehrfach „auf Herz und Nieren“ geprüft.
Die Prospektpfeifen der Orgel sind bis zu 6,50 Meter hoch
„Zum Glück sind wir während der Sanierung auf keine unvorhersehbaren Schwierigkeiten gestoßen“, erzählt Bertz. Zu seinen Kernaufgaben habe etwa die Instandsetzung der Prospektpfeifen gezählt. Das sind jene vertikal stehenden, bis zu 6,50 Meter hohen und 50 Kilogramm schweren Riesen, die für die unten im Kirchenschiff sitzenden Besucher am besten zu sehen sind.
Diese rund 80 Exemplare mussten teils aufwendig ausgebeult werden. „Da hatte wohl mal jemand eine Leiter dran angelehnt und dabei reichlich Macken hinterlassen“, vermutet Bertz. Noch wichtiger sei aber die Säuberung dieser Prospektpfeifen gewesen. Denn darin hatte sich im Laufe der vergangenen Jahre nicht nur Staub und abgefallener Putz von den Decken und Wänden gesammelt. Sondern auch Kot und Federn von einem Taubenpärchen, das sich in der Zeit der Corona-Pandemie dort hoch oben auf der Empore illegal einquartiert hatte.
Im Innenleben einer Orgel findet man auch sehr viel Leder
Das Ausbeulen habe zu den technisch anspruchsvollsten Aufgaben gehört, so Bertz. Als diese Arbeit abgeschlossen war, folgte noch eine Neulackierung mit Silberbronze. Es ist auch dieser Farbton, der dem Instrument seine edle und erhabene Erscheinung verleiht. „Wir haben zudem noch fast die komplette Verkabelung erneuert und die aus Leder gefertigten Registerbälge erneuert“, so Bertz. Und auf den ungläubigen Blick des Berichterstatters sagt Kirchenmusiker Ballhausen: „Ja, man ahnt wirklich nicht, wie viel Leder in so einer Orgel steckt.“ Hier in St. Augustinus sei übrigens vornehmlich Ziegenleder verarbeitet worden.
Die mit Abstand schwierigste Aufgabe sei aber die Neuintonierung des Instruments gewesen. Hier muss der Klang jeder der über 5000 Pfeifen aufeinander abgestimmt werden. „Dafür brauchte man absolute Ruhe. Deshalb war unsere Kirche zwischen Ende Mai und Ende September auch an Werktagen für die Öffentlichkeit geschlossen“, erklärt Ballhausen.
Die Sanierung hat insgesamt 193.000 Euro gekostet
Er freue sich übrigens auch riesig über die neue digitale Setzeranlage. Diese ermögliche es jedem Orgelspieler, bestimmte Register voreinzustellen, sodass auf Knopfdruck beim Spielen verlässlich die gewünschte Tonfarbe und -qualität automatisch bereitgestellt wird. „Mit der alten Anlage waren 128 dieser Voreinstellungen möglich“, sagt Ballhausen. „Mit der neuen sind es 10.000.“
Rund 193.000 Euro hat die gesamte Sanierungsmaßnahme nun letztlich gekostet. „Eine Menge Holz“ für die Pfarrei, weiß Ballhausen. Es seien zwar bereits einige Spenden eingegangen, doch finanzielle Hilfe werde auch weiterhin benötigt. Genau deshalb findet am Sonntag, 17. November, in St. Augustinus auch ein Benefizkonzert statt. Zu Gast ist dann bei freiem Eintritt (Spende erwünscht) das beliebte Bläserensemble Back to Brass. Und wer weiß: Vielleicht wird Kirchenmusiker Ballhausen bei einem der gemeinsamen Stücke dann ja ausnahmsweise auch wieder den imposanten Klang der spanischen Trompeten erschallen lassen...