Gelsenkirchen. In der Kirche St. Augustinus in der Gelsenkirchener Altstadt wird derzeit die Orgel grundsaniert. Diese kuriosen Entdeckungen gab es schon.
Wenn Orgelbauer Ingo Bubendorfer die kleinste Pfeife in seine Handfläche legt, dann muss er aufpassen, dass er sie nicht übersieht. Ganze acht Millimeter ist der Winzling nur groß. Doch auch dieser will ordentlich gereinigt und gewartet werden - genau wie die anderen der mehr als 5000 Pfeifen des Instruments in der Altstadt-Kirche St. Augustinus. Bei so einer Orgelrenovierung ist vor allem Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit gefragt. Schließlich steht diese nur alle 20 bis 30 Jahre auf dem Programm. Und am Ende soll möglichst wieder alles tipptopp in Schuss sein.
Die Orgel in St. Augustinus ist neben der im Essener Dom die größte im gesamten Ruhrbistum. Entsprechend herausfordernd ist die Arbeit für Bubendorfer (57) und sein dreiköpfiges Team. Zu diesem gehört auch Thomas Bertz. Und der 56-Jährige ist so etwas wie der Routinier des Quartetts, hat er das ebenso prächtige wie geschichtsträchtige Instrument in den vergangenen Jahrzehnten doch bereits mehrfach „auf Herz und Niere“ geprüft. So eine herkömmliche Wartung stehe einmal im Jahr an und dauere nur vier Tage, betont er. Doch bei der jetzt laufenden Generalsanierung ist alles mindestens drei Nummern größer. Und entsprechend anspruchsvoller.
Während der Corona-Pandemie nistete ein Tauben-Pärchen in der Orgel
Denn die 73 Register umfassende Orgel wird quasi Stück für Stück in ihre Einzelteile zerlegt. Wie viele das genau sind, lasse sich kaum beziffern, sagen Bubendorfer und Bertz. Aber allein die Reinigung der über 5000 Pfeifen sei eine Sisyphusarbeit. Schließlich wird jede einzeln aus ihrer Halterung gezogen, dann von außen feucht abgewischt und von innen mithilfe eines Kompressors ausgeblasen. Denn in den bis zu 6,50 Meter hohen und rund 50 Kilogramm schweren Klanggiganten kann sich im Laufe der Zeit jeder Menge Unrat ansammeln.
Was denn zum Beispiel? Da lacht Bubendorfer und gibt die verblüffende Antwort: „Da findet sich Staub und abgefallener Putz von den Decken und Wänden. Aber auch Taubenkot! Und Taubenfedern!“ Wie kommen die denn dort hinein? Da schmunzelt Wolfgang Ballhausen, der koordinierende Kirchenmusiker von St. Augustinus, und klärt auf: „Während der Corona-Pandemie hatte sich ein Tauben-Pärchen in unsere Orgel eingenistet. Und die haben mit ihren Hinterlassenschaften ganz schönen Schaden angerichtet.“ Da nicken die vier Orgelbauer bestätigend. „Da war so viel Dreck drin, dass rund zwei Dutzend Orgelpfeifen nicht mehr richtig funktionierten“, sagt Bertz.
Weil sie so einen immensen Aufwand betreiben müssen, erstaunt auch diese Zahl den Zuhörer nur bedingt: Es soll laut Bubendorfer rund sechs Monate dauern, bis diese Generalsanierung komplett abgeschlossen ist. Und das bei einer Arbeitswoche von mindestens 40 Stunden. Da das Unternehmen, für das sie arbeiten, im westfälischen Werl angesiedelt ist, würden sie im Fall eines täglichen Pendelns viel zu viel Zeit auf der Autobahn verbringen, so Bertz. „Genau deshalb sind wir froh, dass wir unter der Woche hier im Haus Eintracht in Schalke wohnen können.“ Die Gemeinde St. Augustinus hätte freundlicherweise den Wohnraum zur Verfügung gestellt.
Und was gehört noch zu den Schlüsselaufgaben? „Wir müssen die Pfeifen nicht nur reinigen, sondern auch stimmen und zudem die Intonation prüfen“, so Bubendorfer. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der ursprüngliche Klangcharakter des Instruments auch nach vollendeter Sanierung gewahrt bleibt. Zudem werde die elektrische Anlage erneuert. Die bisherige stamme noch aus den 80er Jahren. Kein Wunder, dass gleich mehrere der Elektromagnete, Trafos und Kontakte im Instrument längst nicht mehr wie gewünscht funktionieren.
Auch die sogenannte Setzeranlage ist nicht nur veraltet, sondern quasi hinüber. Diese ermöglicht es jedem Orgelspieler, bestimmte Register voreinzustellen, sodass auf Knopfdruck beim Spielen verlässlich die gewünschte Tonfarbe und -qualität automatisch bereitgestellt wird. „Mit der alten Anlage waren 128 dieser Voreinstellungen möglich“, erklärt Bubendorfer. „Mit der neuen werden es locker über 100.000 sein.“
Pfarrei will die Kosten für die Orgelsanierung auch durch Spenden stemmen
Muss man als Orgelbauer denn auch selbst ein musikalischer Mensch sein? Da lacht Bertz und sagt: „Ich kann keine Orgel spielen. Mich hat schon immer mehr das Technische an unserem Beruf fasziniert.“ Bei der letzten Generalsanierung der St.-Augustinus-Orgel im Jahr 1988 war er ebenfalls mit dabei. Und daher weiß er, dass dieser enorme Aufwand seinen Preis hat. „Wir rechnen mit Kosten in Höhe von rund 190.000 Euro“, sagt Kirchenmusiker Wolfgang Ballhausen. „Und diese Summe muss unsere Pfarrei im Alleingang stemmen.“ Doch Unterstützung sei willkommen. Daher können Hilfsbereite auch spenden. Infos im Netz: www.propstei-ge.de/orgelrenovierung-2024.
Zudem soll in diesem Jahr eine Konzertreihe starten, bei der ebenfalls Spenden für die Orgelsanierung gesammelt werden. Das bestätigte Janina Lea Gutmann, die Medienkoordinatorin der Propsteipfarrei St.Augustinus. Genaueres dazu solle zeitnah bekannt gegeben werden.