Gelsenkirchen. In den Herbstferien errichten die Gelsenkirchener Falken wieder ihre „Spielstadt“. In diesem Jahr können die Kinder auch Gastronomie lernen.

„Hatten Sie reserviert?“, fragt Nargis und blickt auf das Klemmbrett in ihrer Hand. Die jungen Restaurantgäste bejahen die Frage ein wenig schüchtern. Die zwölfjährige Nargis nickt und führt die Gäste zu ihrem Tisch. Dort wartet schon eine Kellnerin mit Schürze und Block, bereit, die Bestellungen aufzunehmen. Im Fritz-Steinhoff-Haus in Gelsenkirchen-Bismarck lernen Schulkinder in den Ferien unter anderem, wie man ein Restaurant führt.

Und das von einem Fachmann: Christoph Klug ist Gastronom in Buer, betreibt dort mit dem Domgold, dem Lokal ohne Namen und dem L.O.N. deli gleich drei Lokale. Für die Ferienaktion der Gelsenkirchener Falken hat er sich bereit erklärt, sein Wissen weiterzugeben – und nicht nur das. Aus dem Domgold brachte er auch noch Schürzen, „Reserviert“-Schilder für die Tische und weitere echte Gastronomie-Utensilien mit.

Gelsenkirchener Kinder bauen ihre eigene kleine Stadt

Mit Schürze und Fliege: Das Team des Restaurants im Fritz-Steinhoff-Haus.
Mit Schürze und Fliege: Das Team des Restaurants im Fritz-Steinhoff-Haus. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Das kleine Restaurant im Fritz-Steinhoff-Haus ist Teil des Projekts „Spielstadt“, das der Jugendverband „Die Falken“ auch in diesem Jahr wieder in den Ferien anbietet. Rund 200 Kinder kommen jeden Tag in den Herbstferien in das Kinder- und Jugendzentrum am Bismarcker Greitenstieg und errichten dort spielerisch ihre eigene, kleine Stadt: Mit Rathaus, Jobcenter, Post und vielem mehr – eben allem, was eine richtige Stadt so ausmacht.

Das Projekt Spielstadt ist nicht neu, die Falken bieten das schon seit mehr als 20 Jahren an, sagt Louisa Dunois, eine der pädagogischen Fachkräfte, die sich vor Ort um die Kinder kümmern. Aber dass es auch ein Restaurant gibt, das sei neu, sagt sie. „Meine Kollegin Sarah Lindenau und ich kellnern ab und an auch schon einmal im Domgold – da kam uns die Idee, in diesem Jahr auch ein Restaurant auf die Beine zu stellen.“ Christoph Klug zeigte sich sofort einverstanden und übernahm an einigen Tagen auch die „Schulung“ der jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Ein Teil des verdienten Geldes geht an die Stadt – wie im richtigen Leben

An den Tischen werden die kleinen Gäste bedient.
An den Tischen werden die kleinen Gäste bedient. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die Idee hinter der Spielstadt: Die Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren kommen jeden Tag in den Ferien vorbei und können sich zu Beginn des Tages im „Jobcenter“ für eines von 25 verschiedenen Gewerken entscheiden. Die Bandbreite der Berufe ist groß: Es gibt ein Labor, eine Poststation, eine Zeitung, einen Beautysalon, eine Lederwerkstatt, eine Bäckerei und vieles mehr. Für die (natürlich spielerische) Arbeit verdienen die Kinder Geld – die sogenannten „Falkis“. Diese können sie ausgeben, etwa für Essen, oder um die Gegenstände zu kaufen, die die anderen Kinder herstellen.

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Und wie im richtigen Leben auch, dürfen die Kinder nicht das ganze verdiente Geld behalten: Ein Teil geht an die Stadt, als Steuern. „Wir haben ein eigenes Rathaus, und mit den Steuern werden dann zum Beispiel Stadtfeste organisiert“, erläutert Louisa Dunois. „Wir wollen die Kinder ja nicht nur aufs Berufsleben vorbereiten, sondern ihnen auch ganz handfest demokratische Abläufe vermitteln.“ Einen Oberbürgermeister oder eine Oberbürgermeisterin hat die Spielstadt allerdings nicht: „Die Amtsgeschäfte erledigt ein Stadtrat, also ein Gremium aus mehreren Kindern“, sagt Louisa Dunois.

Jeden Tag gibt es eine eigene Zeitung

Was in der Spielstadt so vor sich geht, erfahren die Kinder aus der Zeitung, die jeden Tag erscheint: Betreuer Steffen Urban übernimmt schon seit Jahren die Redaktionsleitung. „Je nach Alter der Kinder fällt das Verhältnis zwischen Text und Bild unterschiedlich aus“, sagt er schmunzelnd – klar, bei Erstklässlern dürfe man nicht immer voraussetzen, dass sie schon lesen und schreiben können. Aber: „Eine Ausgabe pro Tag gibt es immer“, sagt Urban.

Im Restaurant herrscht derweil Hochbetrieb: Es ist Mittagszeit, und an der Tür drängeln sich die wartenden Gäste. Auch für die Küche bedeutet das viel Arbeit. Es gibt Nudeln mit Tomaten- oder Käsesauce: Da müssen viele Teller vorbereitet werden, und nachher natürlich auch gespült werden. Den Kindern macht‘s Spaß, das bestätigt auch Nargis: „Service ist cool“, sagt sie, „ich liebe es, im Restaurant zu arbeiten!“ Ein Job für später sei das aber eher nicht: „Ich möchte einmal Ärztin werden“, ist sich die zwölfjährige Scholvenerin sicher.