Gelsenkirchen. Lehrer der Gesamtschule Buer-Mitte kämpfen mit einem innovativen Projekt gegen kulturelle Konflikte und Ungleichheit. Aber es ist ist bedroht.

„Es sind danach komplett andere Kinder“ - das sagt Lehrerin Stephanie Köster über den Effekt ihres innovativen Projekts. Eines, das Jugendlichen in einer besonderen wichtigen Lebensphase Bewegung, Respekt und Gewaltprävention vermittelt, das ein Jugendhaus und sogar ein Fitnessstudio einbezieht. Aber wie geht es weiter, wenn die Gelder aufgebraucht sind? Es ist diese eine Frage, die sich Köster gemeinsam mit ihrem Kollegen Theo Holters derzeit immer häufiger stellt. Die Lehrkräfte an der Gesamtschule Buer-Mitte stehen hinter ihrem besonderen Projekt – dem nun eine Zwangspause drohen könnte. „Ideen haben wir viele, es hapert aber leider an der Finanzierung“, sagt Köster.

Zentrales Problem an der Gesamtschule Buer-Mitte: soziale Ungleichheit unter den Schülern

„In der Vergangenheit war Schule in erster Linie als Lernort da. Das hat sich verschoben, Schule muss nun auch viel Integrationsarbeit tätigen“, sagt Theo Holters. Soziale Ungleichheit müsse Schule jetzt ebenfalls auffangen, aber auch bei Identitätskrisen von Schülerinnen und Schülern helfen – „es sind unendlich viele Themen“, sagt der 46 Jahre alte Beratungslehrer für die Jahrgangsstufe 7 und 8 an der GBM. „Es ist eine schwierige Zeit“, räumt Stephanie Köster ein. Dass die Kinder respektloser geworden seien, nicht nur anderen Menschen, sondern auch materiellen Dingen gegenüber, ist nur eine ihrer Bobachtungen.

Innovatives Schulprojekt an der Gesamtschule Buer-Mitte droht Zwangspause: Lehrerin Stephanie Köster, Schulleiterin Ulrike Purz und Lehrer Theo Holters (von links) hoffen nun auf Unterstützung.
Innovatives Schulprojekt an der Gesamtschule Buer-Mitte droht Zwangspause: Lehrerin Stephanie Köster, Schulleiterin Ulrike Purz und Lehrer Theo Holters (von links) hoffen nun auf Unterstützung. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

„Ein zentrales Problem an der Gesamtschule Buer-Mitte ist die soziale Ungleichheit unter den Schülen. Viele Kinder stammen aus sozial schwachen Familien, was sich negativ auf ihre schulischen Leistungen und ihre Teilnahme am Schulalltag auswirkt“, heißt es in einem Konzeptpapier, mit dem die GBM um mögliche Unterstützung wirbt und das auch der Redaktion vorliegt.

Kulturelle Vielfalt führt an Gelsenkirchener Schule zu „erheblichen Herausforderungen“

Darin heißt es weiter: „Die kulturelle Vielfalt an der Gesamtschule Buer-Mitte ist einerseits eine Bereicherung, andererseits führt sie auch zu erheblichen Herausforderungen.“ Unterschiedliche Hintergründe würden verschiedene Werte, Normen und Verhaltensweisen mit sich bringen, die „manchmal zu Missverständnissen und Konflikten führen.“ Das betreffe nicht nur den Umgang der Schüler miteinander, sondern auch die Kommunikation zwischen den Lehrkräften und Eltern. Auch Gewalt und Mobbing seien an der GBM „leider keine seltenen Phänomene“, Vorurteile und Diskriminierung „aufgrund von Herkunft, Religion oder Geschlecht“ seien an der Schule ebenfalls präsent. Die religiöse Vielfalt führe zudem zu Spannungen und Konflikten und belaste das schulische Miteinander.

Um diese Themen anzugehen, haben sie sich etwas überlegt: Es ist ein „umfassender Ansatz“, wie sie es nennen, der schulinterne Maßnahmen und externe Angebote der Unterstützung umfasst. Im Fokus steht der Jahrgang 7, der besonderen Unterstützungsbedarf habe. Denn in genau diesem Jahrgang müssen neue Klassen gebildet werden. Der Grund: In jedem Schuljahr werden der Stufe 7 der GBM 25 bis 30 geflüchtete oder nach Gelsenkirchen umgesiedelte Schüler zugewiesen. Verteilt werden die Kinder auf die bestehenden sechs und eine neue zu bildende siebte Klasse. Aus jeder bestehenden Klasse wandern dann einige Schüler in diese neue Mehrklasse.

Lokale Partner der Gesamtschule Buer-Mitte: das „Manus“ und das „Limitless“

Eine neue Klassengemeinschaft muss folglich mit der Zeit entstehen – eine enorme Herausforderung mit Blick auf die oben genannten Gründe. „Das ist eine krasse Veränderung für die Kinder“, weiß auch Lehrer Holters. Ihr Projekt helfe bei der Neufindung. Lokale Partner haben sie dafür bereits seit längerem an ihre Seite gezogen: Da wäre zum einen das Jugendhaus „Manus“ und zum anderen das Fitnessstudio „Limitless“. Im Manus nutzen die Kinder Workshops und Programme zur Förderung der Sozialkompetenz, im Limitless gibt es ebenfalls Angebote zur Teambildung und Prävention vor Gewalt (unter anderem sexualisierter Gewalt gegen Kinder) – und die Möglichkeit, sich sportlich auszutoben.

Das Projekt läuft seit dem vergangenen Sommer. Auch Schulleiterin Ulrike Purz steht voll dahinter: „Aufgrund des großen Engagements von Stephanie Köster und Theo Holters konnten schon einige unserer Klassen zusammen mit ihren Klassenlehrern von den sozialen Trainings profitieren.“ Fern ab vom schulischen Alltag hätten die Schüler auf unmittelbare Weise erlebt, dass sich das eigene Verhalten in der Klasse widerspiegele. Die Wirkung in den Alltag würden die Klassenlehrer als „enorm“ beschreiben, so Purz weiter.

Der Umgang sei viel respektvoller, das ist ein Punkt, den auch Theo Holters beobachtet hat: Zusammenzukommen an einem Ort, an dem das Lernen eben nicht im Vordergrund steht, wo der Druck rausgenommen werde, wo alle erstmal gleich sind, das ermögliche viel schönere Begegnungen als in der Schule. Und ein weiterer großer Wunsch von Stephanie Köster wird zudem wahr: „Dass die Kinder sich wieder mehr bewegen.“

Doch genau das kostet: Mit knapp 20.000 Euro rechnen Köster und Holters für alle siebten Klassen. Eine große Summe – erst recht, wenn sie vollumfänglich durch Spenden generiert werden muss. Stephanie Köster und Theo Holters sind überzeugt: Große oder kleinere Unternehmen, Stiftungen oder andere Stellen in ihr GBM-Schulleben einzubinden, sei eine „Win-Win-Situation“ für alle, für die Schüler, die Schule und auch die Förderer, die beispielsweise so auch zukünftige Mitarbeiter schon früh kennenlernen könnten.

Stephanie Köster hat die Vision, perspektivisch alle fünften Klassen mit der Projektidee an ihrer weiterführenden Schule zu empfangen, „das Konzept von Grund auf anzulegen“, sagt sie. Denn dann wäre sozusagen der Grundstein für ein gutes Miteinander gelegt, dann „müssten wir in den anderen Klassen gar nicht mehr viel machen.“