Gelsenkirchen. Das Mädchenzentrum Gelsenkirchen e.V. feiert sein 35-jähriges Bestehen. Die Arbeit braucht mehr Aufmerksamkeit und Geld: „Der Bedarf ist riesig“

Wenn man Barbara Christ zuhört, wird klar, wie wichtig ihre Arbeit und die ihres Teams eigentlich ist: 500 Menschen haben allein im vergangenen Jahr die Angebote ihres Vereins Mädchenzentrum Gelsenkirchen genutzt, hinzu kommen 820 weitere Teilnehmerinnen, die die Angebote im Bereich der Prävention und Sexualpädagogik besucht haben, 180 Fälle hatten Christ und ihre Kolleginnen in der Beratung, dazu hätten sie 370 Fach- und Lehrkräfte bei diversen Veranstaltungen informiert. Das Mädchenzentrum gibt es seit 35 Jahren in der Emscherstadt, doch leider: „Der Bereich der Mädchenarbeit ist immer noch relativ unsichtbar“, weiß Barbara Christ, die seit zwei Jahren das Mädchenzentrum mit Sitz an der Liboriusstraße leitet. Dem gegenüber steht: „Der Bedarf ist riesig.“

35 Jahre Mädchenzentrum Gelsenkirchen: „Haben den Anspruch, in einem geschützten Raum zu arbeiten“

Es ist ein Raum des Vertrauens, wo Mädchen und junge Frauen mit ihren Anliegen, ihrem Erleben und ihren Bedürfnissen im Mittelpunkt stehen. Und genau das ist der Punkt: „Wir haben den Anspruch, in einem geschützten Raum zu arbeiten“, sagt Christ. Geschützt ist eben gleichbedeutend mit: wenig öffentlicher Aufmerksamkeit – denn nur dadurch kann eine Vertrauensbasis entstehen, denn „nur in einem geschützten Raum kommen auch manche Geschichten erst raus“, weiß Barbara Christ.

Das Mädchenzentrum Gelsenkirchen hat seinen Sitz an der Liboriusstraße 40. Das multiprofessionelle Team macht unter anderem an allen weiterführenden Schulen der Stadt Beratungs- und Präventionsarbeit.
Das Mädchenzentrum Gelsenkirchen hat seinen Sitz an der Liboriusstraße 40. Das multiprofessionelle Team macht unter anderem an allen weiterführenden Schulen der Stadt Beratungs- und Präventionsarbeit. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Grundsätzlich liegen die Schwerpunkte der Arbeit des Mädchenzentrums in der Beratung und Begleitung von Mädchen in Krisensituationen, das kann die Hilfestellung bei sexueller Gewalt, bei einer (drohenden) Zwangsverheiratung, bei Essstörungen, bei selbstverletzendem Verhalten, aber auch die Unterstützung bei familiären Problemen oder das Bereithalten von Angeboten für Mädchen mit Behinderungen sein. Es waren engagierte Frauen, die 1988 das Mädchenzentrum gründeten. Die Idee dahinter: Mit ihrer Arbeit eine Lücke zu füllen und Jugendhilfe aus einer Hand zu anzubieten.

Mädchenzentrum Gelsenkirchen: Beratungsstelle und Mädchen-Musik-Akademie

Wir treffen Barbara Christ an einem Spätsommer-Morgen in Ückendorf, an der Bochumer Straße. Hier hat die Mädchen-Musik-Akademie NRW seit kurzer Zeit ihren Sitz, es ist ein Baustein der Mädchenzentrums-Arbeit. Hier haben Mädchen die Möglichkeit, unter fachlicher Anleitung ein Instrument zu erlernen, eine Band zu gründen, eigene Songs zu schreiben, aufzutreten und andere musikbegeisterte Mädchen kennenzulernen. Das älteste Projekt ist indes die Beratungsstelle: Ein multiprofessionelles Team bietet dort kostenlose und vor allem auch vertrauliche Beratungen an.

„Wir wollen ein Ort für Mädchen sein, über den sie sagen: Da kann ich hingehen“, sagt die 37-Jährige. Und sie erzählt davon, dass Gewalt ein „Riesen-Thema“ sei, ein „allgegenwärtiges in unserer Gesellschaft. Gewalt gegen Mädchen und Frauen gibt es überall.“ Und auch da setzen Barbara Christ und ihr Team an, sie haben schließlich die Erfahrung gemacht: „Es kann jeder passieren.“

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Grundsätzlich gehe es auch darum, und das eigentlich ja auch seit 35 Jahren, Mädchen und junge Frauen stark und ihnen klarzumachen, dass „sie den Weg im Leben einschlagen dürfen, den sie wollen“, sagt die Sozialarbeiterin. Christ wünscht sich, noch mehr Prävention machen zu können, denn vor allem die Vorsorge könne helfen, ein gewisses Bewusstsein nicht nur für die Anliegen der Mädchen zu schaffen, sondern ebenfalls für ihre (auch mal tiefgreifenden und vielschichtigen) Probleme. Denn das hat Barbara Christ auch schon längst erfahren: Dieses eine Mädchen, diese eine junge Frau mit nur einem Problem, es gibt sie nicht. „Wir möchten Mädchen und Frauen eine Stimme geben“, das sagt Barbara Christ auch.

Dass das überhaupt möglich ist, liegt nur zum Teil an den Förderungen, die von der Kommune und dem Land kommen. „Wir sind dringend auf Spenden angewiesen, denn Stadt und Land finanzieren uns nicht zu 100 Prozent“, erläutert Barbara Christ. „Wir würden uns auf jeden Fall mehr Geld wünschen“, das sagt Christ auch. „Es braucht weiterhin Mädchenarbeit“, ist Christs dringender Appell.

Weitere Informationen gibt es im Netz unter maedchenzentrum.com