Gelsenkirchen. Zehntausende Fans strömen bereits am ersten von fünf Konzertabenden von Rammstein nach Gelsenkirchen. Ein Umfrage in der Anhängerschaft der Band.
Die Liebe zu Rammstein geht bei Daniel (41) bis unter die Haut. Vor fünf Jahren hatte er die Mitglieder seiner Lieblingsband mal persönlich bei einem exklusiven Fantreffen in der Gelsenkirchener Arena kennenlernen dürfen. Sänger Till Lindemann hinterließ damals per Filzstift ein Autogramm auf Daniels linkem Unterarm. „Ich bin am nächsten Tag gleich zum Tätowierer, um den Schriftzug zu verewigen“, erzählt er und zeigt das Tattoo. Und weil das alles hier in der Stadt geschah, war es keine Frage, dass der Familienvater gemeinsam mit Tochter Anita (18) auch unbedingt beim Konzert am Freitagabend wieder mit dabeisein wollte.
Rund 300.000 Fans aus ganz Europa werden in Gelsenkirchen erwartet
Rammstein ist in der Stadt. Bis einschließlich Mittwoch wird die vor 30 Jahren gegründete Band fünfmal die Arena bis auf den letzten Platz füllen. Rund 300.000 Fans aus Deutschland und weiten Teilen Europas pilgern wegen ihnen in den kommenden Tagen nach Gelsenkirchen. Es ist der Abschluss einer Mega-Tournee, die dem größten deutschen Musik-Exportschlager der Gegenwart eine fette Millionen-Summe in die Kassen gespült haben dürfte.
Die Fans eint nicht nur eine tiefschwarze Kluft inklusive Band-Shirt, das sie fast allesamt tragen, sondern vor allem eine bedingungslose Zuneigung und Unterstützung für Rammstein. Gegen deren Sänger Till Lindemann hatte noch im Vorjahr die deutsche Justiz ermittelt. Einer der Tatvorwürfe lautete: sexuelle Ausbeutung. Mehrere Frauen hatten schwere Vorwürfe gegen Lindemann erhoben. Im August 2023 wurden die Ermittlungen dann aber eingestellt. Die Beweislage reichte nicht aus, um Anklage zu erheben.
Texte seien „mal völlig platt, mal die reine Poesie“
„Deswegen hat das unsere Verbindung zu Rammstein auch nicht negativ beeinflusst“, erzählen Eric (54) und Petra (38), die aus der Region Zeeland in den Niederlanden nach Gelsenkirchen angereist sind. Beide lieben die Band, vor allem ihre aufwendige Pyroshow mit vielen feurigen Effekten. „Doch ich finde auch die Songtexte speziell“, sagt Eric. „Die sind mal völlig platt, mal die reine Poesie.“ Bei Konzerten habe er schon mehrmals in der so genannten „Feuerzone“ gestanden, also sehr weit vorne in Bühnennähe. „Und es ist ein unvergessliches Gefühl, wenn dir die Hitze der Flammen ins Gesicht springt.“
Rammstein-Routiniers sind auch Claudia (52) und Michael (57) aus Hannover. „Das heute ist bestimmt schon unser 40. Konzert“, erzählen sie. Mit dem Song „Engel“ begann einst ihr Fan-Dasein. „Ich finde, sie sind im Laufe der Zeit immer besser geworden“, sagt Claudia. In diesem Jahr waren beide bereits bei den Rammstein-Auftritten in Prag, Dresden und Barcelona live in den Stadien mit dabei. Ihr Favorit aller Zeiten war aber 2013 in Wolfburg ein exklusives Konzert in der dortigen Autostadt, als nur 1700 Zuhörer dabeisein durften.
Die Vorwürfe gegen Lindemann und Teile der dazugehörenden Berichterstattung fanden beide „ärgerlich und lächerlich“. In Deutschland gelte bis zu einem Gerichtsurteil die Unschuldsvermutung. Lindemann sei aber von Teilen der Öffentlichkeit vorverurteilt worden, kritisiert das Paar. Und das gehe gar nicht.
„Provokationen und unbequeme Wahrheiten“
Rene (50), Mandy (46), Luca (24), Danny (49) und Antje (52) sind familiär verbunden und allesamt aus Schwerin angereist. 110 Euro hat jeder für sein Rammstein-Ticket gezahlt. Rene nennt sich selbst einen Fan der ersten Stunde. „Einige Mitglieder der Band kommen aus unserer Region“, erzählt er. Eine Arbeitskollegin von ihm sei mit Till Lindemann einst zur Schule gegangen. Und Lindemanns Mutter habe in Schwerin bei Stadtführungen die Touristen willkommen geheißen. „Bei Rammstein stimmt das Gesamtpaket“, sagt Rene. Vor allem schätze er die Band wegen „ihrer Provokationen und dass sie auch mal unbequeme Wahrheiten ausspricht“.
Thorben (42) und Veronika (38) seien im ersten Moment erschüttert gewesen, als sie von den Missbrauchsvorwürfen gegen Lindemann in den Zeitungen gelesen hätten. „Ich konnte das gar nicht glauben“, sagt sie. Wenn der Sänger verurteilt worden wäre, „dann würden wir heute hier nicht stehen“, gibt das Paar aus dem Rheinland zu Protokoll. „Aber es gab ja nicht mal eine Gerichtsverhandlung“, betont er. Deshalb hätten sie auch keinerlei Probleme damit, sich offen und voller Überzeugung zu Rammstein zu bekennen.
Das sehen auch Anita (18) und Tattoo-Träger Daniel (41) aus Mülheim und Essen so. Ihre Loyalität zur Band sei nach den bekannt gewordenen Vorwürfen noch größer geworden. Deshalb schaue er sich nun auch vier der insgesamt fünf Gelsenkirchener Konzerte live an, so Daniel. Die Musik von Rammstein habe sie noch fester zusammengeschweißt, bekennen Vater und Tochter. „Und als ich die Band vor fünf Jahren persönlich treffen durfte, hat man ja auch mal einen viel näheren Eindruck bekommen“, sagt Daniel. Was er davon am meisten in Erinnerung behalten hat? „Wie nett und fast schüchtern alle Bandmitglieder da uns Fans begegnet sind.“ Und dass der martialische Bühnen-Mensch Till Lindemann hinter der Bühne ein ganz anderer gewesen sei. Im Positiven.