Gelsenkirchen. Zwei engagierte Gelsenkirchener nutzen das Konzert-Event des Jahres, um zu zeigen, dass diese Stadt auch anders kann. Warum machen sie das?
Wie viele tatsächlich gekommen oder gerade da sind, kann Julia Meya an diesem perfekten Sommer-Donnerstag überhaupt nicht abschätzen. Zu sehr ist sie noch überwältigt von dem, was da gerade mitten in Gelsenkirchen passiert. Am Ende unseres kurzen Gesprächs wird sie sagen: „Alle sind glücklich – ich bin es auch“, dann davon eilen, denn es gibt immer was zu tun für sie als eine der beiden Macher von „Taylor Town“.
An ihrer Seite ihr bester Freund Marius Rupieper, die beiden engagieren sich, über das normale Maß hinaus, für Gelsenkirchen. Nicht nur, wenn es um Taylor Town geht.
Die Geschichte von Taylor Town nahm ihren Lauf im Herbst des vergangenen Jahres, als schon lange klar war, dass Mega-Star Taylor Swift für drei Konzerte in die Emscherstadt kommen wird. Julia Meya hatte da die erste Idee, wie sie sagt, die erste Idee, etwas auf die Beine zu stellen. Extra zu diesem besonderen Ereignis, irgendwann später ja so gesehen auch extra für Gelsenkirchen. Denn auch das war ja damals noch weit weg: Eine „Shithole“-Debatte über die Stadt in den ersten Tagen der EM.
Gelsenkirchen: Das sagen die Macher von „Taylor Town“
In diesem Herbst der ersten Idee war seitens anderer Stellen (noch) nichts Weiteres in Sachen Rahmenprogramm geplant. Julia Meya sagt von sich, sie sei selbst kein „Ultra-Swiftie“, aber ohne in diese besondere Blase einzutauchen, hätte das alles gar nicht funktioniert. Der 31-Jährigen war also schon früh klar, dass dieser Konzert-Reigen auch ein immenses Potenzial mit sich bringt. Also gingen sie und Marius Rupieper auf die City Initiative zu, sprachen mit Citymanagerin Angela Bartelt und die Sache nahm ihren Lauf.
„Dann haben wir die ersten Kalkulationen gemacht und festgestellt, dass wir hier vom Budget bei weitem nicht hinkommen“, erinnert sich der ebenfalls 31 Jahre alte Marius Rupieper. Also haben sie die Stadt um Unterstützung gebeten, schildern sie, „dann kam die Anfrage, ob die Stadt auch Mitveranstalter sein darf und dafür einen Großteil der Kostenstruktur für Bühne, Programm, Technik etc. übernimmt“, erklärt Marius Rupieper. Darüber war die Freude groß, „weil meistens viele gute Sachen am Budget scheitern“, so Rupieper weiter.
Dass die beiden mittlerweile Experten sind, in dem, was sie tun, zeigt ein Blick in die (jüngere) Vergangenheit: Julia Meya und Marius Rupieper sind Teil des engagierten Kollektivs, das beispielsweise den sehr erfolgreichen Quartiers-Weihnachtsmarkt „Ückzauber“ vor zwei Jahren ins Leben gerufen hatte. Schon bei der Premiere im Dezember 2022 kamen rund 3.000 Menschen zu der Veranstaltung. Und: Die beiden Freunde sind derzeit noch mit Umsetzung eines für Gelsenkirchen einzigartigen Projekts in Ückendorf beschäftigt – in ein paar Monaten wollen sie eröffnen.
Das Konzept von Taylor Town hat offensichtlich sofort verfangen
Sie nutzten aber auch die Kraft von Social Media, um ihre Idee bekannter zu machen: Julia Meya schrieb mehrere Influencer an, machte auf Taylor Town aufmerksam, fragte: „Hey, wollt ihr nicht auch kommen?“ Teilweise gingen andere Videos viral und schnell war Wochen vor dem eigentlichen Beginn der Taylor-Festspiele in Gelsenkirchen schon in der Welt, was passieren sollte. Aus dem ersten und weiteren Zuspruch schöpfte Julia Meya die Kraft, weiterzumachen: „Ok, die glauben da jetzt auch dran“, sagte sie sich – dann kann sie es also erst recht tun.
Das Konzept von Taylor Town hat offensichtlich sofort verfangen: Zu einem DJ, der an allen drei Konzerttagen Swift-Songs in Dauerschleife spielt, gehören Essens-, und Getränkestände, mit dabei sind acht weitere Stände, die aber in ihrer Besetzung wechseln. Die Händler, die die Stände bespielen, kommen hauptsächlich aus der Region, der Anfahrt wegen, und verkaufen ihre Waren bei „etsy“, einer Online-Plattform für Handgefertigtes und Vintage-Sachen. All die schönen Dinge (fast alle mit Swift-Bezug), die es dort zu kaufen gab, fanden reißenden Absatz, einige der Händler waren innerhalb weniger Stunden ausverkauft – und mussten eine ganze Nacht durch nachproduzieren. Die „Kirsche obendrauf“, wie Julia Meya es nennt: Dass der Truck mit allem Swift-Merchandise sich auf den Neumarkt in direkte Nähe zur Taylor Town stellen konnte – was wahrscheinlich für noch mehr Zulauf gesorgt hat.
Hinter all dem steckt eine Menge Organisation. „Alles, was vor solchen Veranstaltungen passiert, ist leider meist zäh und trocken“, verrät Marius Rupieper. Das Wichtigste sei erstmal eine grobe Zielplanung, dann muss es finanziert werden: „Da wir nicht ausschließlich kommerziell arbeiten wollen und wir beide diese Märkte bisher nebenberuflich mit unserem Netzwerk organisieren.“
Für einen „einfachen“ Markt brauche man schon etwa drei Monate Vorlauf alleine für die Genehmigungen, für größere Events auch mal sechs Monate. Den beiden helfe, erläutert Marius Rupieper, „immer das Ziel zu sehen, dass so wie jetzt alle happy sind“. Mit alle meint er nicht nur die Besucherinnen und Besucher (die waren in Taylor Town mehr als glücklich), sondern auch die Ausstellerinnen und Aussteller, die Dienstleisterinnen und Dienstleister, ihre helfenden Hände. „Sowas geht nur gemeinsam gut, wir sind keine Two-Human-Show“, betont Rupieper.
Schon kurz nach dem Start war die Begeisterung auf dem HKP deutlich spürbar, und auch, dass der Stadt wohl drei friedliche Feier-Tage bevorstehen würden. Etwa anderthalb Stunden nach der Eröffnung sprachen wir schon einmal mit Julia Meya: „Mich freut es so, dass es funktioniert hat“, sagte sie, schon da überwältigt. „Es war einfach nur krass. Wir haben 99 Prozent positive Rückmeldungen bekommen“, erinnert sich Marius Rupieper an die Resonanz nach dem ersten Tag. Die Schönste war vielleicht diese Erzählung: „Ein gemeinsamer Freund von uns ist am Hauptbahnhof die Rolltreppe hochgefahren und hat vor ihm zwei junge Frauen sagen hören: Oh wie schön, Gelsenkirchen!“
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Und ihre Taylor Town habe halt auch gut zu den anderen Maßnahmen gepasst, die Politik und Verwaltung vorher angestoßen hätten, etwa die temporäre Umbenennung von Gelsen-, in Swiftkirchen. „Was ja wirklich ein Novum ist: Die Stadt arbeitet mit lokalen Akteuren wie uns Hand in Hand, finanziert mit, lässt aber inhaltlich die Profis dazu entscheiden und hält sich weitestgehend raus“, lobt Marius Rupieper. Und er fügt hinzu: „Ich würde mich freuen, wenn es nicht das letzte Mal so lief.“
Warum machen die beiden das eigentlich? „Das ist meine Heimat“, sagt Julia Meya und auch, dass sie zeigen wollen: „Wir können auch anders.“ Marius Rupieper beantwortet die Frage so: „Wir sind beide Gelsenkirchener Kinder und haben seit unserer frühen Jugend Partys geschmissen und Veranstaltungen geplant, um es hier lebenswerter zu machen. Wir sind überzeugt, dass jeder von uns ‚die Stadt‘ ist.“ Und wenn durch solch erfolgreiche Veranstaltungen „jeder Stück für Stück mehr daran glaube, dann können wir hier langfristig das Ruder in Sachen Lebensqualität noch rumreißen“, ist der Macher überzeugt.