Gelsenkirchen. Die Markthalle in Buer: Ein Rückblick auf eine imposante Erfolgsgeschichte und die „goldenen Zeiten“, als hier noch das Herz von Buer schlug.
Kurz vor dem Millennium wird in Buer Stadtgeschichte geschrieben: Im Herbst 1999 öffnet die Markthalle erstmals ihre Türen und bietet gleichermaßen Neues wie Einzigartiges in der Stadt – einkaufen und ausgehen auf einer Fläche, komfortabel überdacht und somit Wind und Wetter nicht ausgesetzt. Sie ist ein Mikrokosmos mit besonderer Atmosphäre und durch ihre Multifunktionalität bald mehr als eine Markthalle mit Gastronomie. Im Rückblick lässt sich unumwunden sagen: Hier schlägt das Herz von Buer – für die nächsten 15 Jahre.
Ab der ersten Minute ist das „Kronski“ ein Hotspot – für Bueraner und „Zugereiste“. „Die Leute kamen bis aus Düsseldorf und Köln“, erinnert sich der einstige Geschäftsführer, Ralf „Taco“ Langer. „Für buersche Verhältnisse war der Ort fast kosmopolitisch.“ Regelmäßig kommen so viele Menschen an den Wochenenden her, dass die Parkplätze auf dem Markt lange nicht ausreichen. „Die Leute haben dann einfach auf der Hochstraße geparkt – und die war voller Autos. Warum das so explodiert ist, weiß ich bis heute nicht.“
Das „Kronski“ ist der „Place to be“ schlechthin. Und das ganz ohne soziale Medien. Die Gastronomie mit dem außergewöhnlichen Namen und der Krone im Logo brummt. Der Name übrigens ist eine Reminiszenz an „Tacos“ Liebe zur Literatur. Im Gespräch mit einem Freund überlegt er, wie der neue Laden heißen könne. „Wir lasen beide gern Henry Miller. In seiner Trilogie gibt es einen Dr. Kronski, ein Kneipengänger. Und ich dachte, das passt.“
Die Markthalle in Gelsenkirchen-Buer ist auch Partytempel
Fortan reißt der Besucherstrom nicht ab, ist die Halle sieben Tage in der Woche belebt, 365 Tage im Jahr. „Das war eine tolle Atmosphäre“, erinnert sich Simon Bialek, Stammgast der ersten Stunde. „Samstags kam man her nach dem Markteinkauf, hat eine Kleinigkeit gegessen und sich bei einem Espresso oder Prosecco gütlich getan – und alle Menschen getroffen, die auch unterwegs waren. Das war der krönende Abschluss der Woche! An den Abenden traf man sich an der wahnsinnig langen Bar im Kronski und ließ den Arbeitstag ausklingen. Und da hat sich auch alles getroffen.“ Gern erinnert sich der Bueraner an die vielen Partys in der Markthalle. Besonders beliebt: Die „These Charming Men-Partys“. „Da war man ja regelrecht begehrlich darauf, dorthin zu gehen.“
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Gefeiert wird auch an Weiberfastnacht ausgelassen. Vor allem, als nach 2001 der Rathaussturm der Sanierung des Hans-Sachs-Hauses wegen, nach Buer verlegt wird. „Da haben wir uns morgens in der Markthalle getroffen, bevor es später zum buerschen Rathaus ging“, erinnert sich Hans-Georg Schweinsberg gern zurück. Als Sitzungspräsident führt er damals durch das Programm. „Es war immer brechend voll auf beiden Etagen! Wir hatten einen Live-Musiker dabei, der vom Haus engagiert war, es tanzten alle Garden – und ich habe mich gefühlt wie in den WDR-Arkaden. Die Situation war ja ähnlich wie dort. Es war wunderschön!“
Auch die Prominenz kommt gerne nach Buer
Wer etwas auf sich hält, wer sehen will und gesehen werden, wer teilhaben will am buerschen Pulsschlag, der geht in die Markthalle. Und so zieht es auch immer wieder (Lokal-)Prominenz her. Die Schalker Mannschaft macht es sich etwa zur Tradition, einmal in der Woche im „Kronski“ einzukehren. Und auch „Jazzy“, Sängerin der Girlgroup „Tic Tac Toe“, treffen Feierlustige hier bei manch einer Party. Weitere Stammgäste: Frank Rosin, Rudi Assauer und sogar Otto Rehagel.
Die Markthalle ist binnen kürzester Zeit ein Aushängeschild des Stadtnordens mit einer Strahlkraft weit darüber hinaus. Die Bueraner zeigen es gern vor, ihr erweitertes Wohnzimmer, laden Bekannte dorthin ein. So wie Marco Buschmann, der mit seiner FDP in der Markthalle 2010 zur Wahlkampfveranstaltung lädt. „Die Markthalle in Buer war eine echte Landmarke. Ich bin dort gern gewesen, als tolle Gastronomie und kreativer Einzelhandel dort zusammenkamen. Daher habe ich in dieser Zeit gern und auch mit ein bisschen Stolz Christian Lindner dorthin eingeladen“, erinnert sich der Politiker. Ein Foto zeugt von diesem Moment. Aus der Sicht des Jubiläumsjahres 2024 hat das schon etwas: Zu sehen sind zwei Bundesminister in der buerschen Markthalle.
Sie eignet sich eigentlich für alles, diese Halle mit ihrer so besonderen Architektur, mit ihrem offenen Charakter und der gläsernen Decke. Mal ist sie Messehalle, als hier die Immobilienmesse etabliert wird. „Das war eine Institution“, erzählt Immobilienmakler Ralf Robert Hundt. „Die Messen waren immer sehr gut besucht. Es war ja eine Publikumsmesse mit dem Charme, dass man zwischen den Ständen schlendern und danach einkehren konnte. Das waren richtig schöne Veranstaltungen. Daran denke ich gern zurück.“
Künstler Christian Nienhaus wird hier berühmt
Dann wieder ist die Markthalle eine zeitgenössische Galerie: Der buersche Künstler Christian Nienhaus zeigt hier zur Weltmeisterschaft 2006 sein kinetisches Kunstwerk „Erdsein“, eine riesige (Welt-)Kugel, die unter der Decke hängt und hier immer wieder ihren Zauber entfaltet, wenn sie sich öffnet, Orte quasi aus der Kugel hinausfahren lässt. „Das war damals mein Durchbruch. Als Mexiko zur WM hier gespielt hat und ich dazu die Kugel präsentiert habe, wurde das live im internationalen Fernsehen gezeigt. Ich erinnere mich gut, zur Vernissage sind Menschen aus ganz Deutschland gekommen. Es war ja die Weltpremiere.“ Danach reist die Kugel viele Jahre durch die Welt, ist den internationalen Metropolen zu bestaunen.
Am häufigsten ist die Markthalle wohl ein Konzerthaus – für alles, was Klang und Namen hat. Hier singen Akteure des Musiktheaters, spielen klassische Musiker auf im Rahmen der Konzerte der Bezirksvertretung Nord, hier gibt es ganz viel Rockmusik. Unter anderem aus den „Wilden 60ern“. Dabei wirkt auch Musikerin Heike Latza häufiger mit. „Mein Mann, der Musiker Clebo, war Initiator dieser Konzertreihe. Er hat dafür immer wieder seine alten Kollegen aus der ganzen Welt zusammengebracht. Die haben das großartig gemacht. Man fühlte sich wie auf einem Festival.“ Überhaupt denkt die Bueranerin gern zurück an die Markthalle und findet vielleicht eines der schönsten Bilder dafür: „Ein Besuch in der Markthalle, das war doch eigentlich immer wie ein Kurzurlaub.“
Dramatische Wende bei der Markthalle Buer
Doch mittlerweile gilt sie als Problem-Immobilie mit dem Charme einer Dauerbaustelle: Seit dem Auszug des Bio-Supermarkts „Denns“ steht der einstige Publikumsmagnet leer. Und das wird wohl noch eine Weile so bleiben, auch wenn Thomas Bernau als Geschäftsführer der Betreibergesellschaft Ende 2023 beteuert hatte, auf Nachmieter-Suche zu sein. Denn seine Intecta-Bauprojektentwicklungs GmbH ist insolvent.
Wie das Amtsgericht Essen mit Datum 18. Juni vermeldet, wurde wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ein Insolvenzverfahren eröffnet, nachdem ein Gläubiger am 3. Januar einen entsprechenden Antrag eingereicht hatte. Kauf-Interessenten für die Markthalle gibt es, ob es dazu kommt, ist ungewiss - ebenso wie die Zukunft des einstigen Herzens von Buer.