Gelsenkirchen. Der Gelsenkirchener Hauptbahnhof pinkelt zurück: Am Hauptbahnhof wird ein neuer Schutzlack getestet. Wir haben es einmal ausprobiert...

Vor seinem Umbau anlässlich der Fußball-WM 2006 genoss der Gelsenkirchener Hauptbahnhof keinen guten Ruf. Böse Stimmen bezeichneten die Betonkonstruktion aus den 1980er-Jahren sogar schon einmal als „größte Pinkelrinne Deutschlands“. Das ist seit dem Umbau besser geworden, „wild gepinkelt“ wird am Bahnhof allerdings immer noch. Jetzt kämpft die Stadt mit originellen Mitteln gegen das Problem.

Am Hauptbahnhof wird jetzt quasi „zurück gepinkelt“ – unter anderem am Südausgang. Dort hat die Stadt den Säulen, die die Gleisanlage tragen, einen neuen, bunten Anstrich verpasst: Sie kommen jetzt nicht mehr im tristen Betongrau daher, sondern präsentieren sich farbenfroh. Die Farben allein hindern allerdings noch niemanden daran, seine Notdurft unerlaubterweise an den Säulen zu verrichten. Dafür sorgt eine besondere Eigenschaft des neuen Anstrichs.

Test mit der Wasserpistole am Gelsenkirchener Hauptbahnhof

Das Prinzip dahinter: Der Lack, der dabei verwendet wurde, ist extrem hydrophob, also wasserabweisend. Das sorgt zum einen dafür, dass Flüssigkeiten wie Urin an ihm abperlen. Zum anderen ist der Lack so beschaffen, dass er seine Oberfläche extrem vergrößert, sodass der Urin nicht nur abperlt, sondern auch noch zurückgeworfen wird.

Ein Test mit einer Wasserpistole (die selbstverständlich mit normalem Leitungswasser gefüllt wurde) zeigt, dass das tatsächlich funktioniert. Das auf die Wand der Säule gespritzte Wasser bildet gut sichtbare Perlen. Nicht so gut zu erkennen, aber deutlich spürbar: Das Wasser kommt zurück, zum Teil im Strahl, zum Teil als feiner Sprühnebel. Wer also wirklich gegen die Säule uriniert, der bekommt mindestens eine nasse Hose – und dann ist es kein harmloses Wasser.

Das erhofft sich die Stadt von der Maßnahme

Bislang testet die Stadt den neuen Anstrich lediglich: „Der hydrophobe Lack wurde zu Testzwecken zunächst an Standorten rund um den Hauptbahnhof aufgetragen, zum Beispiel an den Säulen des Südausgangs“, erläuterte Stadtsprecher Martin Schulmann. Positiver Nebeneffekt: Die ehemals grauen, mit Graffiti übersäten Betonsäulen verbreiten mit ihrem neuen, bunten Anstrich eine etwas freundlichere Atmosphäre als zuvor.

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Bis der Stadt Ergebnisse vorliegen, ob der neue Schutzlack tatsächlich den gewünschten Abschreckeffekt hat, könne es allerdings noch eine Weile dauern, so Schulmann. „Aufgrund der noch andauernden Testphase, in welcher unter anderem verschiedene Untergründe und unterschiedliche Wege des Auftragens ausprobiert werden, kann noch kein abschließendes Urteil erfolgen“, sagte der Sprecher. Insgesamt erhofft sich die Stadt aber von der Maßnahme einen Abschreckungseffekt im Hinblick auf wildes Urinieren im Stadtgebiet, das könne dann auch zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität beitragen. Im Rahmen der Testphase werde die Verwaltung auch noch prüfen, ob der Lack an weiteren Standorten getestet werden soll.

Diese Weltstadt hat bereits gute Erfahrungen mit dem Lack gemacht

Die Gesamtkosten konnte Schulmann allerdings noch nicht beziffern. „Für die Anschaffung und Testung des Lacks wurden im Haushaltsberatungsverfahren 2024 finanzielle Mittel in Höhe von 5000 EUR zur Verfügung gestellt“, sagte er.

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In anderen Städten kommt der Anti-Pinkel-Lack bislang schon zum Einsatz. Bereits im Jahr 2015 stattete die Stadt Hamburg Hauswände auf St. Pauli mit dem Lack auf – und zog ein halbes Jahr später ein positives Fazit. „Es hat vor allem dazu geführt, dass das Wildpinkler-Problem in der Öffentlichkeit bekannt wird“, hatte die Quartiermanagerin der Reeperbahn, Julia Staron, damals gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“ gesagt. Auch die Geruchsbelästigung im Alltag sei spürbar zurückgegangen.

Ob sich auch die Luftqualität rund um den Hauptbahnhof verbessern wird, bleibt also abzuwarten. Bislang müssen die Wildpinkler allerdings erst einmal selbst die Erfahrung machen, dass der Bahnhof „zurückpinkelt“: Ein Schild, das auf diesen besonderen Lack hinweist, fehlt bislang.