Gelsenkirchen-Hassel. Beziehungsstress, Erziehungsprobleme, Geldnot, Jobsuche: Wie ein neues Beratungsangebot Gelsenkirchener Familien umfassend unterstützen will.

Die Beziehung kriselt, auch die Kinder sind gerade besonders anstrengend, die Schulden wachsen, und die Suche nach einem Job stockt ebenfalls: Es gibt Phasen im Leben, in denen der Alltag einem Hürdenlauf ähnelt. Wem da die Kräfte zu schwinden drohen, kann nun eine neue Anlaufstelle nutzen: das „Familien-Kraftwerk“ des sozial-karitativen Zentrums „7 Werke“ der Pfarrei St. Urbanus. Das Besondere: Das Projekt am Standort von St. Michael in Hassel will mehr bieten als ein kostenloses Beratungsangebot in schwierigen Situationen.

Es soll nichts weniger sein als eine Energiequelle zum Auftanken, was die Verantwortlichen um die Pastoralreferenten Laura Meemann und Markus Zingel da initiiert haben mit Unterstützung von Stadt, Jobcenter, Caritas, Stadtteilbüro Hassel-Westerholt-Bertlich, der Awo-Tochter Rebeq GmbH und der katholischen Kita St. Michael. „Es geht darum, die Familien zu begleiten und ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Unsere Familiencoaches beraten sie individuell, aber ganzheitlich bei Fragen zu Bildung, Gesundheit, Alltag und Beruf, s dass sie ihren eigenen Weg aktiv gestalten können. Besonders davon profitieren sollen die Kinder“, erläutert Meemann.

Gelsenkirchener „Familien-Kraftwerk“ berät in vier Sprachen

Konkret heißt das: Herausforderungen werden nicht nach und nach von mitunter verschiedenen Beratungsstellen in Angriff genommen, sondern von einer der drei Mitarbeiterinnen des „Familien-Kraftwerks“. „Wir sehen die Teilnehmenden dabei als Expertinnen und Experten für ihr eigenes Leben. Sie zu ermutigen, für sich und ihre Familie selbst Verantwortung zu übernehmen, ist uns ein großes Anliegen“, so Meemann weiter. „Aber natürlich stehen wir in engem Kontakt mit speziellen Beratungsstellen wie der Schuldner- oder Erziehungsberatung und organisieren bei Bedarf Termine, die gegebenenfalls auch bei uns stattfinden können.“

Montags, dienstags, donnerstags und freitags steht in der Zeit von 10 bis 16 Uhr im Vorraum des sozial-karitativen Zentrums an der Valentinstraße 40 ein Team mit drei Familiencoaches sowie den Pastoralreferenten Meemann und Zingel bereit. Verwaltungsmitarbeiterin Carmen Hendysiak sorgt dafür, dass in Sachen Buchhaltung und Anträge alles reibungslos klappt. Beraten wird in deutscher, englischer, türkischer und polnischer Sprache. „Interessierte können spontan ohne Voranmeldung vorbeikommen, aber natürlich auch einen Termin vereinbaren“, so Zingel.

Beraterinnen im Gelsenkirchener „Familien-Kraftwerk“ sind mit Umbruch-Situationen vertraut

Der neue Spielbereich und die Boulebahn (vorne) des „Pocket-Parks“ am sozial-karitativen Zentrum „7 Werke“ in Gelsenkirchen-Hassel sind bald startklar. Wer die Beratung des „Familien-Kraftwerks“ in Anspruch nimmt, kann dort künftig seine Kinder toben lassen.
Der neue Spielbereich und die Boulebahn (vorne) des „Pocket-Parks“ am sozial-karitativen Zentrum „7 Werke“ in Gelsenkirchen-Hassel sind bald startklar. Wer die Beratung des „Familien-Kraftwerks“ in Anspruch nimmt, kann dort künftig seine Kinder toben lassen. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Die Coaches sind mit Umbruch-Situationen durchaus vertraut, sowohl beruflich als auch privat: Diplom-Biologin Elena Krause (43) ist alleinerziehende Mutter eines Sohnes, dessen Vater aus Namibia stammt, und hat immer wieder Diskriminierungen erlebt. „Ich weiß auch, wie es sich anfühlt, arm zu sein. Ich musste auch schon zweimal Bürgergeld beantragen.“ Ehrenamtlich engagiert in Flüchtlings- und Obdachlosenhilfe, weiß die Sozialraummanagerin nur zu gut, wie Menschen nach Niederlagen resignieren - „und wo man dann ansetzen kann, um ihr Selbstwertgefühl wieder aufzubauen.“

Erzieherin Arslan (48), Mutter zweier Töchter im Alter von 15 und 17 Jahren, hat nicht nur eine Weiterbildung zur systemischen Familienberaterin absolviert, sondern punktet mit besonderem Heimvorteil: Geboren und aufgewachsen in Hassel, lebt sie immer noch dort und ist bestens in Familien mit türkischem Migrationshintergrund vernetzt. „Ich finde es toll, dass sich das Angebot des ,Familien-Kraftwerks‘ auch an Menschen mit anderen Muttersprachen und anderer Religion richtet. Sie kann ich besonders gut unterstützen.“

Gelsenkirchener „Familien-Kraftwerk“ berät mit christlichem Hintergrund, aber ohne Missionsabsicht

Bildungsreferentin Milia Jachimek (43), systemischer Couch mit dem Schwerpunkt Spiritualität und seit wenigen Wochen in Erle zu Hause, will unterdessen die Klientinnen und Klienten besonders bei deren sozialer Teilhabe helfen. Sie sollen sich als aktiver Part in der Gesellschaft angenommen fühlen.

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Welche Rolle beim „Familien-Kraftwerk“ der katholische Glaube spielt? „Wir verstehen unser Angebot als gelebte Verkündigung aus dem christlichen Menschenbild heraus, dass jeder Mensch von Gott gewollt ist und so sein darf, wie er oder sie ist“, sagt Meeman, und Zingel ergänzt: „Manchmal ergibt sich ein Gespräch über den Glauben, etwa weil jemand seine Bibel oder seinen Koran dabei hat, manchmal nicht.“ Beides sei in Ordnung.

Beratungsprojekt in Gelsenkirchen-Hassel wird von EU, Bund und Stadt gefördert

Das „Familien-Kraftwerk“ an der Valentinstraße 40 hat seine Arbeit bereits aufgenommen. Es ist nach dem offiziellen Start Ende 2023 auf vier Jahre bis Ende 2027 angelegt. Es wird im Rahmen des Bundesprogramms „Akti(F) Plus - Aktiv für Familien und ihre Kinder“ zu 50 Prozent durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und zu 40 Prozent durch die Europäische Union und den Europäischen Sozialfonds Plus gefördert. Die restlichen zehn Prozent der Gesamt-Investitionssumme von knapp 900.000 Euro teilen sich die Stadt Gelsenkirchen und die Pfarrei St. Urbanus.

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Bereits an den Start gegangen ist auch der Baustein „Fundament“, ein offenes Angebot für Familien und Grundschulkinder: Sie können freitags von 14 bis 16 Uhr Kreativ-, Spiel-, Lernangebote und Hausaufgabenhilfe nutzen sowie sich bei Kaffee, Kakao und Waffeln mit anderen Familien austauschen.