Gelsenkirchen-Hassel. Es hat lange gedauert, bis das muslimische Gräberfeld etabliert war. Nun will Gelsenkirchen das Areal erweitern. Das ist der Plan.

Türkei, Syrien, Afghanistan - oder doch Gelsenkirchen? Wo sich Musliminnen und Muslime so richtig zu Hause fühlen, ist sehr individuell. Und wo sie bestattet werden wollen auch. Fakt ist aber, dass das einzige muslimische Gräberfeld der Stadt auf dem Friedhof Hassel-Oberfeldingen immer stärker nachgefragt wird. Endlich, mag man sagen, denn eröffnet wurde es 1998. Warum das so lange gedauert hat, wie es vor Ort aussieht und wie die Stadt darauf reagiert, dass die Kapazitäten bald erschöpft sind: Das ist der Stand.

Ein paar hundert Meter sind vom Haupteingang an der Hasseler Straße schon zu gehen, bis das rund 2800 Quadratmeter große muslimische Gräberfeld am südlichen Ende des Friedhofs erreicht ist. Es liegt etwas abseits mit seinen 322 Wahl- und Reihengräbern und dem separaten Eingang an der Hasseler Straße. Wer hier Diskriminierung vermutet, liegt allerdings falsch.

Anfangs wurde das muslimische Gräberfeld in Gelsenkirchen-Hassel wenig angenommen

„Als wir damals eine Bestattungsfläche für Muslime einrichten wollten, haben wir uns nach den theologischen Vorgaben erkundigt. Dabei stellte sich heraus, dass wir ein Areal brauchten, in dem bis dato noch niemand beerdigt worden war“, so Gelsendienste-Sprecher Tobias Heyne. Diese Voraussetzung habe nur der Hasseler Friedhof erfüllt, da dort eine städtische Fläche angrenzt, die bis dahin landwirtschaftlich genutzt worden war.

Zur Eröffnung Ende Mai 1998 sprachen zwei Hodschas im Beisein von Vertretern der Stadtverwaltung feierliche Gebete. Allein: In den ersten Jahren waren es nur wenige muslimische Verstorbene, die dort bestattet wurden, „am Anfang nur Kinder“, erinnert sich Friedhofsleiter Joachim Petschek. Selbst 15 Jahre später zählte Gelsendienste nur sechs Beerdigungen im Jahr.

„Die meisten Gastarbeiter der ersten Generation wollten offenbar lieber in ihrem einstigen Heimatland beerdigt werden, also ließen die Familien sie in die Türkei überführen.“ Womöglich habe auch die 25-jährige Ruhefrist eine Rolle gespielt: Bei Wahlgräbern kann sie verlängert werden, bei Reihengräbern nicht. Diese werden dann eingeebnet, um sie erneut (mit muslimischen Verstorbenen) zu belegen. Eine solche Befristung ist aber im Islam unüblich.

Gelsenkirchener Moscheegemeinden-Chef: Mentalität vieler Muslime hat sich gewandelt

Während einige muslimische Gräber auf dem Friedhof Gelsenkirchen-Hassel opulent geschmückt sind, fallen andere durch ihre Schlichtheit auf.
Während einige muslimische Gräber auf dem Friedhof Gelsenkirchen-Hassel opulent geschmückt sind, fallen andere durch ihre Schlichtheit auf. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

„So richtig änderte sich das erst ab 2020 mit Corona“, berichtet Matthias Schüttke, Bereichsleiter Friedhöfe. In jenem Jahr schnellte die Zahl der Bestattungen auf 24 hoch, 2022 waren es dann 30, womöglich weil sich der Infektionsschutz bei einer Überführung schwierig gestaltete, wurde spekuliert.

Nach Auffassung von Cesur Özkaya ist es aber „die Mentalität der Hinterbliebenen, die sich teils gewandelt hat.“ Der Vorsitzende der Hasseler Ditib-Moscheegemeinde Am Freistuhl, zugleich Mitglied des Integrationsrates, hat festgestellt, „dass für die zweite Generation zunehmend Gelsenkirchen Heimat geworden ist. Sie wollen ihre Lieben nahe bei sich wissen und deren Gräber nicht nur einmal im Jahr im Urlaub besuchen.“ Mittlerweile, so schätzt er, ließen sich rund 30 Prozent der Gelsenkirchener Muslime vor Ort bestatten, Tendenz steigend.

Muslimisches Kindergrab in Gelsenkirchen quillt fast über mit Spielzeugautos

Das muslimische Gräberfeld auf dem Friedhof Gelsenkirchen-Hassel wird seit einigen Jahren so stark nachgefragt, dass die Stadt eine Erweiterung plant.
Das muslimische Gräberfeld auf dem Friedhof Gelsenkirchen-Hassel wird seit einigen Jahren so stark nachgefragt, dass die Stadt eine Erweiterung plant. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Tatsächlich sind etliche Gräber nicht nur individuell gestaltet, sondern auch liebevoll gepflegt: Da fallen etwa breit angelegte Gruften mit Marmor-Einfassungen ins Auge, deren Grabsteine mit goldfarbenen arabischen Schriftzeichen und Ornamenten verziert sind, daneben hüfthohe Türme, die an Minarette erinnern. Auf vielen Gräbern stehen Blumen: hier ein Rosenstrauch, dort ein Olivenbaum oder Lavendel. Auf anderen finden sich typische Friedhofsblumen wie Geranien oder fleißige Lieschen.

Besonders auffällig geschmückt sind die Kindergräber: Hier ziehen Stofftiere, Herzen und ein Malkasten aus Marmor die Blicke auf sich, dort quillt ein Grab fast über mit Spielzeugautos und einem Schalke-Ball. Keine Frage, hier werden viel zu früh verstorbene Mädchen und Jungen auch noch Jahre nach ihrem Tod schmerzlich vermisst.

Andere muslimische Gräber in Gelsenkirchen erinnern in Schlichtheit an Erdhügel

Mathias Schüttke, Bereichsleiter Friedhöfe bei Gelsendienste, hofft, dass die Politik grünes Licht für die Erweiterung des muslimischen Gräberfeldes in Gelsenkirchen-Hassel gibt.
Mathias Schüttke, Bereichsleiter Friedhöfe bei Gelsendienste, hofft, dass die Politik grünes Licht für die Erweiterung des muslimischen Gräberfeldes in Gelsenkirchen-Hassel gibt. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Im starken Kontrast dazu: Bloße Erdhügel, teils sogar ohne jegliche Bepflanzung oder Dekoration, versehen nur mit einer Holzplatte oder einem (auch mal handgeschriebenen) Schild, das den Namen und die Lebensdaten des Verstorbenen trägt. „Das ist bei Muslimen offenbar genau wie bei Christen: Einige pflegen die Gräber mit großer Hingabe, andere eher nicht. Dabei mag auch die Ausprägung des Glaubens eine Rolle spielen, wonach Gräber eher schlicht zu halten sind“, sagt Schüttke unter Bezug auf eine aktuelle Expertise der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität in Frankfurt.

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Moscheegemeinden-Vorsitzende Özkaya betont unterdessen auf Nachfrage: „Es gibt eigentlich keine genauen Vorgaben, wie das Grab gestaltet sein sollte. Das handhabt jede Familie nach eigenem Geschmack und persönlichem Geldbeutel.“

Welche religiösen Vorgaben Gelsenkirchener Friedhofsbetreiber beachtet

Joachim Petschek, Leiter des Friedhofs Gelsenkirchen-Hassel-Oberfeldingen, ist froh, dass das muslimische Gräberfeld nach Jahren des Zurückhaltung endlich gut angenommen wird. Mittlerweile lassen Familien nicht nur aus Gelsenkirchen, sondern auch aus umliegenden Städten ihre Verstorbenen dort bestatten.
Joachim Petschek, Leiter des Friedhofs Gelsenkirchen-Hassel-Oberfeldingen, ist froh, dass das muslimische Gräberfeld nach Jahren des Zurückhaltung endlich gut angenommen wird. Mittlerweile lassen Familien nicht nur aus Gelsenkirchen, sondern auch aus umliegenden Städten ihre Verstorbenen dort bestatten. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Wo und wie verstorbene Muslime bestattet werden sollen, dazu haben islamische Rechtsgelehrte freilich sehr wohl Regeln formuliert - die auch Friedhof-Betreiber Gelsendienste berücksichtigt: Demnach sollen Muslime, eingewickelt in ein unbenutztes Leichentuch, in die Erde beigesetzt werden; Feuerbestattungen sind verboten. Zuvor ist eine rituelle Waschung vorgeschrieben. „Dafür hatten wir ursprünglich einen Extra-Raum eingerichtet. Der wurde aber nicht nachgefragt, so dass wir dieses Angebot vor vielen Jahren schon aufgegeben haben“, so Friedhofs-Leiter Petschek.

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Das muslimische Gräberfeld aber, es hat sich etabliert. Jetzt, da es dort zunehmend eng wird - nur noch rund zehn Prozent der Fläche können belegt werden -, plant Gelsendienste eine Erweiterung in südöstlicher Richtung: Wo derzeit eine Buchenhecke den Bereich eingrenzt, sollen zwei Durchgänge geschaffen werden, um den Weg zu öffnen zu einem zweiten rund 3000 Quadratmeter großen Gräberfeld. „Derzeit befindet sich dort eine landwirtschaftlich genutzte Fläche“, erläutert Schüttke und hofft, dass die Politik im September, wenn die Vorlage in die politischen Gremien eingebracht wird, grünes Licht gibt. „Dann könnten wir zum Jahreswechsel damit beginnen, das Areal herzurichten, Wege anzulegen und zwei Sitzbänke aufzustellen.“