Gelsenkirchen/Paris. Diamantene Schallplatte, neues Album, neue Serie: Lary macht ihren „Hardcore-Chanson“ in Paris. Raus bekommt man den Ruhrpott aus ihr aber nie.
Wenn es doch so etwas gibt wie einen Gelsenkirchener Pop-Star, dann ist es am ehesten diese Frau. Wer, der in dieser Stadt groß geworden ist, kann schon von sich behaupten, nicht nur mit einer goldenen, sondern sogar mit einer Diamant-Schallplatte gekürt worden zu sein?
Larissa Sirah Herden, man kennt sie als Lary, hat ihren größten 2015er-Hit „So wie du bist“, auf dem sie mit dem Rapper MoTrip einen der bekanntesten Refrains der deutschen Hip-Hop-Geschichte singt, erst gerade noch mal neu aufgenommen. Sie habe sich eben neu verliebt in den Song, sagt sie. „Dabei hatte ich total lange eine schwierige Beziehung zu ihm.“
Mit komplizierten Beziehungen kennt sich Lary aus. Das Liebes-Chaos ist allgegenwärtig auf ihrem neuen, mittlerweile dritten Album „Stereo Noir“. Aber so nah wie es da am Klischee sein mag, dass Lary seit einigen Jahren in der „Stadt der Liebe“ lebt, ist die 37-jährige Wahl-Pariserin weit weg von jeglichen Klischees. Wer macht schon „Hardcore-Chanson für Romantik-Ultras“ und ist gleichzeitig in einer ARD-Mockumentary über Trash-TV zu sehen? Es gibt viel zu besprechen mit einer, die im Kern immer noch Gelsenkirchen ist.
Lary, in dem Videotrailer zu deinem neuen Album wünschst du dir, dass die Liebe nicht mehr einen so großen Raum in deinem Leben einnehmen soll. Ich würde mal sagen, damit bist du auf „Stereo Noir“ grandios gescheitert…
Lary: (lacht) Man muss sich den Prozess anschauen, in dem das Album entstanden ist – der Prozess, sich von der Liebe zu emanzipieren, weil sich mein ganzes Leben darum gedreht hat. Das habe ich mit dem Album gemacht: Ich habe mich mit allen Facetten mit der Liebe auseinandergesetzt – was sie mit mir macht, wie ich gerne geliebt werden möchte und wie nicht.
Du bist eine „hoffnungslose Romantikerin“, oder?
Absolut! Ich schaue in den Regen und schreibe Gedichte (lacht).
Könntest du auch Musik machen als verheiratete Frau mit zwei Kindern im Gelsenkirchener Reihenhäuschen – oder braucht deine Kunst diesen Herzschmerz, dieses Liebes-Chaos?
In einer Ehe hätte man auch jede Menge Herzschmerz, oder? (lacht) Ja, ich ziehe immer eine Menge Inspiration daraus. Ich glaube aber trotzdem, das hat sich jetzt, nach dem Album, wo ich diesen Prozess durchlaufen bin, verlagert. Deswegen bin ich jetzt schon sehr auf mein nächstes Album gespannt.
Und die aktuelle Platte – wie wichtig ist es für so ein Album in der „Stadt der Liebe“ zu sein?
In Paris habe ich mich einfach mehr nach mir selbst gefühlt. Ich hatte das Gefühl, dass sich in meinem alten Wohnort Berlin alles im Kreis gedreht hat. Ich konnte so viele Geschichten erzählen über so viele Ecken, an denen ich schon mal war. Berlin fühlte sich für mich ein bisschen durchgelebt an. Ich schlage nicht gerne Wurzeln.
Alles über Lary
Auf Instagram und YouTube findet man Lary unter @larypoppins. Vorbestellen kann man das neue Album „Stereo Noir“ hier. Das Album erscheint am 10. Mai auf dem von Patrice gegründeten Label Supow Music (Vertrieb: Universal Music).
Also wirst du Paris bald auch verlassen?
Schauen wir mal, aktuell fühle ich mich da sehr wohl. Ich war schon immer sehr frankophil, mochte immer, wie die Menschen sich dort kleiden, essen, wie sie reden und Musik machen. Ich passe da gut rein. Und ich mag, was die Stadt mit mir macht. Jeder Ort hebt eine andere Facette der Persönlichkeit aus einem hervor. Was Paris aus mir herausholt, mag ich sehr.
Welche Facette deiner Persönlichkeit hebt deine alte Stadt Gelsenkirchen hervor, die du direkt nach der Schule verlassen hast?
Gelsenkirchen ist mein Kern. Woanders weiß man selber, wer man ist; zu Hause wissen das die anderen.
Du beschreibst deinen aktuellen Sound als „Hardcore-Chanson für Romantik-Ultras“. Würdest du sagen, das Harte in deinem Sound, das kommt von deiner Gelsenkirchener Prägung?
(lacht) Das kann gut sein. Was ist denn dieser Kern, wenn man aus dem Pott, aus Gelsenkirchen kommt? Ich bin ein ganz normaler, bodenständiger Mensch. Ich bin sehr geradeaus, ich sage, was ich denke.
Wie blickst du auf die Abwärtsspirale der Stadt? In Gelsenkirchen ist die Stimmung insgesamt sehr schlecht, die Stadt ist überall in den Negativ-Rankings auf Platz eins.
Ich habe da einen anderen Blick. Ich bin ja nur ganz selten da. Und wenn ich da bin, dann bin ich sehr in meinem Familienkosmos, dann ist alles sehr geprägt von schönen Erinnerungen. Ich bin auf der Bochumer Straße groß geworden, die sah früher wesentlich schlimmer aus als jetzt. Früher dachte ich: In dieser Stadt geht gar nichts! Es gab nicht mal ein schönes Café. Das ist an der Bochumer jetzt anders. Wir gehen zum Beispiel gerne in diesen süßen Laden, das Café Ütelier. Aber klar, ich bekomme auch mit, wie manche Leute von früher jetzt genug haben, wie sie erst jetzt sagen, dass sie es nicht mehr aushalten in Gelsenkirchen.
Was sagst du eigentlich zur Situation von Schalke?
Noch mehr Herzschmerz.
Obwohl du so international unterwegs bist, singst du – bis auf einen französischen Bonus-Song auf dem Album – immer auf Deutsch, du hast sogar Patrice dazu gebracht, als Gast auf deinem Album das allererste Mal auf Deutsch zu singen. Ist Deutsch die einzige Sprache, in der du deine Gefühle richtig ausdrücken kannst?
Wahnsinn mit Patrice, oder? (lacht) Vielleicht hat es auch ein bisschen mit Faulheit zu tun. Ich habe noch nie wirklich versucht, meine Stimme und Identität auf einer anderen Sprache zu finden. Das müsste ich einfach mal versuchen. Aber ich mag die deutsche Sprache generell sehr, ihr wohnt so eine Melancholie inne, mit der ich mich gut identifizieren kann. Ich fühle mich von ihr sehr verstanden.