Gelsenkirchen. Zwei Wochen Kita-Streik und kein Ende in Sicht: Eltern und Großeltern in Gelsenkirchen fragen sich, wie sie Beruf und Kinderbetreuung organisieren sollen
Zwei Wochen Kita-Streik und kein Ende in Sicht: Bei vielen Eltern in Gelsenkirchen, deren Kinder in städtischen Einrichtungen angemeldet sind, liegen inzwischen die Nerven blank. Und dass nicht nur, weil sie ihre Kinder rund um die Uhr selber betreuen – viele fürchten inzwischen auch um ihre berufliche Existenz.
„Wir wissen inzwischen nicht mehr, wie wir die Kinderbetreuung und das Berufsleben vereinbaren sollen. Unser Urlaub ist durch die regulären Schließungstage wie die drei Wochen Blockschließung während der Sommerferien sowie die bisherigen Streiktage so gut wie aufgebraucht. Und meine Eltern sind noch so jung, dass sie selbst arbeiten – auch sie können meine Kinder also nicht dauerhaft betreuen. Wie soll das weiter gehen?“, fragt Mareike Rogowski aus Buer, deren Tochter Jonna (2) normalerweise die städtische Kita an der Niefeldstraße besucht. „Ich bin Krankenschwester und habe meine Schichten bislang immer in die Wochenenden legen können, um auf meine Stundenzahl zu kommen. Aber langsam reicht das nicht mehr. Wenn der Streik noch lange andauert, muss ich mir unbezahlten Urlaub nehmen“, sagt die verzweifelte Mutter von zwei Kindern.
Nicht alle Arbeitgeber würden noch Verständnis aufbringen für die unregelmäßigen Arbeitszeiten der Mütter, hat Mareike Rogowski nach eigenen Angaben beobachtet. „Sollen wir bald alle auf der Straße stehen? Dann fallen wir dem Steuerzahler doch noch viel mehr zu Last“, macht sie ihrem Unmut und ihren Befürchtungen Luft.
Notgruppen sind keine Alternative
Auch Nadja Liebert, Tanja Pogrzeba, Christine St. John, Christiane Ropertz-Koch und Barbara und Ulrich Filthaus, die ihre drei kleinen Enkelkinder betreuen, stimmen mit ein: „Uns reicht’s! Dieser Streik wird auf dem Rücken von uns Eltern und Großeltern ausgetragen. Und die Stadt als Arbeitgeber der Erzieherinnen und die Gewerkschaften schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu, aber niemand sorgt für eine Lösung!“
Dabei seien ihre Kinder eben keine Verschiebungsmasse. „Mein Kind fragt mich jeden Tag, wann es wieder in die Kita darf – und ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll“, sagt Tanja Pogrzeba. „Diese Unsicherheit, nicht zu wissen, wie es weiter geht und wann der Streik endet, ist unerträglich“, fügt Nadja Liebert hinzu: „Und irgendwie hat man den Eindruck, dass beide Seiten gar nichts unternehmen, um aufeinander zu zu gehen. Warum ziehen die Erzieherinnen nicht einmal mit allen Kita-Kindern ins Rathaus und machen es sich im Büro des Oberbürgermeisters bequem? Das wäre doch mal eine Aktion, die ihm verdeutlicht, um was es hier geht!“
Die angebotenen Notgruppen sind für sie keine Alternative: „Die sind überfüllt und kaum erreichbar“, sagen die Mütter unisono. „Und man tut einem Zweijährigen auch keinen Gefallen, wenn man ihn in ein unbekanntes Umfeld bringt“, wirft Barbara Filthaus ein. „Mir tun auch die Vorschulkinder leid, die einfach keine Abschlussfeier bekommen“, merkt Stefanie Neßlinger an. Die berufstätige Mutter von zwei Kindern wohnt in Resse und ärgert sich, dass es keine Notgruppe in ihrer Nähe gibt – die nächste wäre in Buer. „Ich brauche Planungssicherheit und erwäge daher ernsthaft, zu einer privaten Kita zu wechseln“, sagt sie.
"Wir können den Ärger der Eltern verstehen"
Auch auf dem Spielplatz neben der Post in Buer sucht man nach alternativen Lösungen. „Uns kostet dieser Streik nicht nur Nerven, sondern auch bares Geld. Deshalb werden wir uns jetzt von einem Anwalt beraten lassen – und gegebenenfalls mit anderen Eltern Sammelklage gegen die Stadt einreichen, um wenigstens die Kita-Beiträge zurück zu erhalten“, sagt eine Mutter. Wenden will sie sich dabei an die Stadt als Arbeitgeber: „Schließlich zahlen wir unsere Beiträge an die Stadt“, betont sie.
„Die Verhandlungen bei diesem Streik führt der Kommunale Arbeitgeberverband, nicht die Stadt“, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann. „Wir tun als Verwaltung das, was uns möglich ist, um die Eltern zu entlasten. Allerdings können wir nicht mehr Notgruppen anbieten, weil uns das Personal fehlt.“
Die Notgruppen werden von Erzieherinnen betreut, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind oder aus anderen Gründen nicht streiken.
„Wir können den Ärger der Eltern verstehen, aber leider können wir unseren Forderungen nur durch Streiks Nachdruck verleihen, es bringt ja nichts, wenn wir uns mit ein paar bunten Luftballons vor das Rathaus stellen, um zu protestieren“, so Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Martina Steinwerth. „Die Arbeitgeber sind uns bislang kein Stück weit entgegen gekommen“, merkt sie an – und rät den Eltern, mehr Druck auf die Arbeitgeberseite auszuüben. „Die meisten Eltern haben Verständnis für die Forderungen der Erzieherinnen“, so Steinwerth.