Gelsenkirchen. Das Einsammeln der rund 20.000 Tannenbäume in Gelsenkirchen hat am Donnerstag begonnen. Jeder Stadtteil wird einmal angesteuert.
Gleich in einer der ersten Nordmanntannen, die da vom Rande des Gehwegs aufgelesen werden, hat der unaufmerksame Ex-Besitzer einige Kugeln hängen lassen. "Das kommt ab und zu mal vor", sagt Andreas Minas und schmunzelt. Dann schleudert der 41-Jährige den nadelnden Riesen in den Sammelwagen und greift sich nach einigen Schritten schon das nächste Exemplar. "Manchmal finden wir auch noch Lametta oder eine vergessene Lichterkette in den Zweigen. Aber bei den meisten ist zum Glück alles abgeschmückt", erzählt der Mitarbeiter der Gelsendienste. Gemeinsam mit seinen Kollegen Willi Martens (40) und Martin Kubsch (36), der am Steuer sitzt, ist Minas in den kommenden Tagen in ganz Gelsenkirchen unterwegs, um die ausrangierten Weihnachtsbäume einzusammeln. Rund 20.000 Exemplare kommen da Jahr für Jahr im Stadtgebiet zusammen.
Die Tannebaum-Sammler laufen bis zu zwölf Kilometer pro Schicht
Es ist ein grauer Donnerstagmorgen. In den Nieselregen mischen sich ein paar Schneeflocken, die vom Himmel auf die Straßen von Erle herabrieseln. Dieser Stadtteil zählt neben Schalke-Nord und Resser Mark zu jenen, die in diesem Jahr als erste angefahren werden. "Ich lebe hier in Erle und hab' heute ein Heimspiel", sagt Andreas Minas, der seit 16 Jahren bei Gelsendienste beschäftigt ist. Im Dienstalltag gehört er zu jenem Team, das täglich die Beseitigung des Sperrmülls übernimmt. Die Baumsammelaktion sei immer eine "schöne Abwechslung", die aber auch einige Nachteile mit sich bringen würde.
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Und welche sind das? "Wir müssen auf jeden Fall mehr zu Fuß laufen als sonst", sagt Willi Martens, der in Essen lebt und heute einer der beiden Lader im Team ist. Wenn Sperrmülltouren anstünden, würden sie immer gezielt bis zu 35 Haushalte pro Schicht anfahren und dort alles am Straßenrand Deponierte in den Wagen hieven. "Das können an einem Tag bis zu zwölf Tonnen sein - für drei Leute ist das ganz schön viel", sagt Martens. Bei den Tannenbäumen liegt in manchen Vierteln praktisch vor jeder Haustür mindestens ein Baum. Da lohnt das zwischenzeitliche Aufsteigen auf die stählernen Trittflächen des Lasters kaum. "Wir laufen praktisch die ganz Zeit neben dem Wagen her. In einer Schicht kommen da schnell zehn bis zwölf Kilometer Fußweg zusammen", hat Andreas Minas mit Hilfe seines Schrittzählers errechnet.
Einige Hundebesitzer lassen die Fäkalien ihrer Vierbeiner zwischen den abgelegten Bäumen zurück
Zweiter Nachteil: Beim Baumauflesen greifen die Kräfte der Gelsendienste regelmäßig in Fäkalien. Diese wurden von Hunden zurückgelassen, deren Besitzer entweder ignorant oder vergesslich waren. "So schön sauber sind unsere Monturen nach Dienstschluss leider nicht mehr", sagt Minas und zeigt auf seinen leuchtend-orangefarbenen Arbeitsdress.
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Die Schicht des Trios hat wie an jedem Morgen auch diesmal um 6.30 Uhr begonnen. "Zunächst werden immer die Teams für den Tag zusammengestellt, dann die Bezirke zugeteilt. Gegen viertel vor sieben fahren wir los", schildert Martin Kubsch das morgendliche Prozedere. Er ist einer der so genannten "Springer", ist also keinem Team fest zugeteilt, sondern fährt regelmäßig in anderen Konstellationen los. Vom Gelsendienste-Standort an der Wickingstraße aus geht es los. Sechs Sammelfahrzeuge mit jeweils einer Drei-Mann-Besatzung machen sich auf den Weg gen Norden, um die ersten Bäume aufzulesen.
In der Zeit der Tannenbaumsammlung gibt es keine Sperrmülltermine
"Wir starten immer am ersten Werktag nach den Heiligen Drei Königen, dem offiziellen Ende der Weihnachtszeit", erklärt Gelsendienste-Sprecher Tobias Heyne. Die eingesammelten Tannen werden zum Resseplatz im Stadtwald transportiert und dort ausgekippt. Diesen Berg an Bäumen holt laut Heyne dann stets ein Entsorger ab, der sie anschließend häckselt und kompostiert. "Jährlich kommen da rund 200 Tonnen zusammen, das entspricht ungefähr 20.000 Bäumen", so Heyne. Weil für das Einsammeln der Tannen die Sperrmüllwagen genutzt werden, könne in der Woche bis nächsten Donnerstag, 14. Januar, auch keine Sperrmüllabholung erfolgen, betont der Sprecher.
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"Dass in manchen Stadtteilen mehr Muslime wohnen, sieht man auch daran, dass wir dort deutlich weniger Tannenbäume vorfinden als anderswo", sagt Fahrer Kubsch. Als Beispiele nennt er Teile von Ückendorf, Scholven oder Bismarck. Hier in Erle kann sich das Trio über mangelnde Arbeit hingegen nicht beklagen. Sowohl an der Frankampstraße als auch An der Gräfte liegen Dutzende Tannen und warten darauf, eingesammelt zu werden. Mit ihrem 7,55 Meter langen, 2,50 Meter hohen und 2,55 breiten Koloss, der bis zu elf Tonnen Ladung aufnehmen kann, bahnt sich das Team seinen Weg auch durch zugeparkte kleinere Straßen - obwohl es dort beim Rangieren manchmal richtig eng wird.
Manchmal werden versehentlich auch eingepflanzte Tannen mit eingesammelt
Gab es denn auch schon mal Kuriositäten beim Baumsammeln? Da lacht das Trio. "Es kommt regelmäßig vor, dass wir versehentlich Tannen mitnehmen wollen, die scheinbar im Vorgarten abgelegt wurden. Dabei stehen sie da noch eingepflanzt", erzählt Minas. Und beim letzten Mal, erinnert sich Willi Martens, habe man in der Resser Mark ein Exemplar in einem Strauch entdeckt, dass dort mindestens ein oder zwei Jahre vergessen und unentdeckt herumgelegen hatte.
Das sind die übrigen Baumsammeltermine in diesem Jahr: Buer und Beckhausen am Freitag, 8. Januar; Horst, Feldmark und Heßler am Montag, 11. Januar; Schalke, Bulmke-Hüllen und Bismarck am Dienstag, 12. Januar; Ückendorf, Altstadt, Neustadt und Rotthausen am Mittwoch, 13. Januar sowie Scholven, Hassel und Resse am Donnerstag, 14. Januar.