Gelsenkirchen. Der Caritasverband schafft ein neues Beratungsangebot im Stadthaus an der Kirchstraße und reagierte damit auf die steigende Nachfrage von Betroffenen. Allein dieses Jahr haben sich 80 Menschen nach Missbrauchsfällen gemeldet. Die Stelle ist mit zwei Fachkräften besetzt.
„Es gibt großen Hilfsbedarf für Opfer sexueller Gewalt in Gelsenkirchen. Wir werden mit unserer neuen Beratungsstelle sicherlich an unsere Grenzen stoßen.“ Mechthild Hohage weiß, wovon sie spricht. Die 59-Jährige kennt sich aus im dunklen Kapitel der sexuellen Übergriffe gegen Kinder und Jugendliche. Seit über 20 Jahren ist sie beim Caritasverband tätig, hilft Opfern und ihren Angehörigen wieder ins seelische Gleichgewicht zu kommen.
Allein in diesem Jahr haben sich bis jetzt 80 Menschen, die sexuell missbraucht wurden, an den Caritasverband gewandt. Die Anforderungen sind so komplex geworden, dass sich der Verband dazu entschloss, eine Beratungsstelle im Haus an der Kirchstraße 51 nur für Opfer sexueller Gewalt einzurichten. „Die erste in Gelsenkirchen“, wie Caritasdirektor Peter Spanneberg sagt. Bislang leisten Jugendamt oder andere Träger Hilfen im Rahmen ihrer allgemeinen Jugend- oder Erziehungshilfen.
Eltern werden sensibler
„Bis zu 85 Fälle kommen etwa pro Jahr dazu“, sagt die Sozialpädagogin und Kinder- und Jugendtherapeutin. Doch dies spiegelt nicht das ganze Ausmaß sexueller Gewalt wider. „Die Dunkelziffer ist höher. Die Zahl muss mal 15 genommen werden.“ Belastbare Daten gibt es aber nicht. Bei der Polizei werden diese Fälle in den Statistiken nicht gesondert erfasst, wie Polizeisprecher Johannes Schäfers sagte.
Dass sexuelle Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen zugenommen hat, dies glaubt Hohage nicht. Eltern seien in den letzten Jahren sensibler dafür geworden, schauen genauer hin. Während früher viel unter dem Familientisch gekehrt wurde, kommt heute mehr ans Tageslicht. Auch die Hürden, diese Fälle zur Anzeige zu bringen, sind niedriger geworden. Und nicht zuletzt auch die zahlreichen Hilfsangebote führen dazu, dass mehr bekannt wird.
Hilfen bei der Verdachtsbewertung und vor Zeugenaussagen
Die neue Fachstelle für Opfer von sexueller Gewalt „Weg im Blick“ gibt zum Beispiel Hilfen bei der Verdachtsbewertung und berät Eltern und Angehörige. „Wir vermitteln auch Therapien für Opfer. Manche brauchen keine Therapie oder langwierige Betreuung, andere dafür umso mehr.“ Außerdem werden Opfer betreut, wenn sie als Zeugen aussagen sollen.
Die Bandbreite sexueller Gewalt ist groß. Angefangen von sexuellen Überfällen über den Missbrauch in der Familie bis hin zu Taten, die Jahre zurück liegen und Opfer sich erst im Erwachsenenalter offenbaren. Die neue Beratungsstelle im Caritas-Stadthaus bezeichnete Fachbereichsleiterin Methe Weber-Bonsiepen (60) als ideal untergebracht: „Wir bieten hier auch Erziehungs-, Familien- oder Schulbetreuung an. Dadurch können durch das bloße Betreten des Hauses keine Rückschlüsse gezogen werden.“
Neben Mechthild Hohage st die Dipl.-Sozialarbeiterin Olivera Kuhl (31) in der Kirchstraße 51 anzutreffen. Die Beratung ist vertraulich und kostenlos. Die Beratungsstelle ist eng vernetzt, kann viele Hilfen vermitteln. Der Kontakt ist telefonisch unter 0209/1580650 oder per Email erziehungsberatungsstelle@caritas-gelsenkirchen möglich.