Gelsenkirchen. Mit der WAZ sprach der 37-Jährige über das Besondere an der Arbeit mit jungen Knappen-Anhängern und dieoffene und aufsuchende soziale Arbeit.
Heute beginnt für Schalke 04 auf Frankfurter Rasen wieder der Alltag in der Fußball-Bundesliga. Auch für das Team des Schalker-Fanprojekts. Mit dessen Leiter Markus Mau (37) sprach WAZ-Redakteurin Inge Ansahl über die Arbeit des Projekts.
Herr Mau, die Bundesliga-Pause war lang. Leiden Sie an Entzugserscheinungen?
Markus Mau: Nein, mir geht’s eigentlich ganz gut. Wir stellen ja unseren Betrieb in der Saisonpause nicht ein. Wir bieten etwa den Montagskick im Erlebnissportpark an, haben dienstags und donnerstags den „Offenen Treff“ in der Glückauf-Kampfbahn und wir waren aktuell im Fan-Camp NRW am Lippesee. Zuvor waren meine Kollegen noch im Trainingslager und bei der „Mondiali Antirazzisti“, einem Fußballturnier in Italien.
Sind Sie selber Schalke-Fan?
Mau: Natürlich bin ich Schalke-Fan, auch schon vor Beginn meiner Tätigkeit hier. Es hilft ungemein, gerade in der Anfangszeit eines Fanprojektlers, wenn man jedes Wochenende draußen ist und von den Fans akzeptiert werden möchte. Auf lange Sicht setzt sich die Qualität aber durch und man wird auch ohne Vereinszugehörigkeit anerkannt. Nur Dortmunder hätten hier wohl wirklich keine Chance.
Wie sind Sie denn zum Fanprojekt gekommen?
Mau: Der damalige Fanprojekt-Leiter kannte mich von Schalke-Spielen und wusste, dass ich Soziale Arbeit studiere. So fing ich dann 2006 als Honorarkraft an. 2012 wurde ich der Leiter des Fanprojektes.
Und sind dann schnell viel herum gekommen ...?
Mau: Ja, zunächst mit Schalke bei vielen internationalen Touren. Zudem war ich Fanbetreuer für den DFB bei der Europa-Meisterschaft in Polen und der Ukraine und bei der WM in Brasilien. Das waren absolute Highlights. Die Ukraine hat mich sehr beeindruckt. Ich kann bei solchen Ereignissen vieles mitnehmen, was man hier für die Arbeit gebrauchen kann. Und Brasilien? Da bin ich nach fünf Wochen nach Hause gekommen und der Kopf war absolut zu. Da musste ich erstmal eine Woche am Nordsee-Strand schlafen (lacht).
Wie viele Fans betreuen Sie?
Mau: Das ist ungeheuer schwer zu beantworten, weil wir ja kein Verein mit Mitgliedern sind. Unsere Arbeit beruht auf Freiwilligkeit. Ich glaube aber sagen zu können, dass wir das größte Jugendzentrum Gelsenkirchens sind. Auch, weil wir in der Szene einen besonderen Vertrauensschutz genießen. Ein ganz wichtiger Anlaufpunkt an Spieltagen, auch für die Ultras, ist die Glückauf-Kampfbahn. Zwischen 300 und 600 Leute sind dann vor und nach den Spielen dort. Wenn Jugendliche das Spiel bei uns anschauen wollen, ist einer von uns da. Ansonsten sind wir in der Arena.
Wichtig ist, Vertrauen zu den Fans aufzubauen
Wie alt sind die Fans, mit denen Sie arbeiten?
Mau: Das fängt an bei zwölf Jahren, offizielle Obergrenze ist 27. Aber auch ältere Hilfesuchende schicken wir nicht weg. Unser Hauptklientel sind aber Jugendliche ab 14 Jahren.
Wie sieht denn die Arbeit beim Fanprojekt aus?
Mau: Wir machen offene und aufsuchende soziale Arbeit und agieren nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Wir vermitteln und begleiten. Wichtig ist für uns, Vertrauen aufzubauen, mit den jungen Fans ins Gespräch zu kommen. Wir kooperieren mit der Drogenberatung in Gelsenkirchen, begleiten Jugendliche zu Ämtern oder zur Polizei, wir haben schon bei der Wohnungs- und Ausbildungsplatzsuche geholfen. Wir sind ausdrücklich nicht Bestandteil des Sicherheitsapparates und sehen jugendliche Fans nicht als Sicherheitsrisiko. Deswegen ist unser Projekt auch ganz bewusst beim NRW-Familienministerium und nicht beim Innenministerium angesiedelt.
Wir bieten so allerlei an. Unter anderem auch unsere „Kids-Touren“ für 14- bis 17-jährige Fans zu ausgewählten Auswärtsspielen und obendrein natürlich zu taschengeldfreundlichen Preisen.
Pilot-Projekt „Fanzüge“ liegt auss finanziellen Gründen auf Eis
Gibt’s Unterschiede, was den Zulauf angeht?
Mau: Ja, wenn wir unter der Woche Angebote machen, sind wir auf Gelsenkirchen und Umgebung reduziert. Der Einzugsbereich ist allerdings wesentlich größer, was an Spieltagen sichtbar wird. Diese Wochenenden sind auch am zeitintensivsten.
Wie sieht die Hilfe des Fanprojekts auf Schalke konkret aus?
Mau: Ganz unterschiedlich. Da findet etwa einer seine Leute nicht mehr im Gedränge. Oder einer aus der Gruppe ist verhaftet worden, da kümmern wir uns, um der Gruppe eine Rückmeldung zu geben. Wir leisten Krisenintervention, wenn Fans untereinander, mit Ordnern oder der Polizei aneinander geraten. Bei Auswärtsspielen überlegen wir, wie wir fahren und wen wir mitnehmen. Manchmal fahren wir mit dem Bulli, wenn die Alternative Bahn besteht, begleiten wir die Gruppen. In NRW gab es das Pilot-Projekt „Fanzüge“, welches leider aus finanziellen Gründen auf Eis gelegt ist. Diese Züge werden allgemein als gut befunden, weil sie zur Entspannung im Reiseverkehr beitragen. Spieltage insgesamt sind für uns wichtig, da wir dort zu den meisten Jugendlichen Kontakt halten und vertiefen können, denn Fanprojekt-Arbeit ist Beziehungsarbeit.
Gibt es Rechte in der Schalker Fanszene?
Mau: Wir haben wenig Probleme mit Rechten, was sicher ein Verdienst der Fan-Initiative und der aktiven Fanszene ist. Die Rechten treten in der Arena nicht öffentlich auf. Fan-Ini, Verein und wir als Fanprojekt arbeiten bei dem Thema eng zusammen.
„Es ist viel Arbeit, aber es macht auch sehr viel Spaß“
Wie viele Fanprojekte gibt es?
Mau: Inzwischen 60 Projekte bundesweit mit rund 200 Leuten. Bei fast allen gibt es eine Dreier-Finanzierung über die DFL/DFB, die jeweilige Kommune und das Land. Unser Träger ist Gelsensport, der uns in allen, meist strukturellen Fragen, unterstützt. Bei uns ist sicherlich noch ein Leuchtturmprojekt unser Lernzentrum „Schalke macht Schule“, welches bundesweit bisher in ähnlicher Form nur an 12 Standorten läuft. Mit „SMS“ sprechen wir Schulen an und wollen die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt abholen. Vermitteln wollen wir dort Respekt und Fair Play, und das alles in der Veltins-Arena.
Klingt alles nach viel Arbeit ...
Mau: Ja, das ist es auch. Vor zwei Jahren haben wir eine Mittelerhöhung bekommen, die wir in Personal gesteckt haben. Mit Henne Jochheim, Benny Munkert und Martin Weijers haben wir sehr engagierte hauptamtliche Mitarbeiter. Martin macht eine halbe Stelle, mit der anderen Hälfte betreut er „SMS“. Es ist viel Arbeit, aber es macht auch sehr viel Spaß.