Gelsenkirchen-Ückendorf. Johanna Brodowski steigt wieder ohne Luftnot Treppen: Die Gelsenkirchenerin hat im Marienhospital einen neuartigen Herzschrittmacher bekommen.

Seit zwei Jahren machte Johanna Brodowski das Herz zunehmend zu schaffen. Die Wäsche in den dritten Stock des Hauses in Rotthausen zu tragen, in dem sie lebt, war jedes Mal eine große Herausforderung, an deren Ende sie um Luft rang. Ihr Herzschlag setzte immer wieder aus, schlug unregelmäßig. Das ist nun kein Problem mehr für die 85-Jährige: dank einem Herzschrittmacher, und zwar einer neuen Generation von Herzschrittmachern. Das Gerät ist winzig klein, kommt ohne Drähte aus, sitzt mitten im Herzen und wurde in einem minimalinvasiven Verfahren eingesetzt. Privat-Dozent Dr. Axel Kloppe, kardiologischer Chefarzt am Marienhospital, hat diesen ersten seiner Art eingesetzt, über die Leiste, ohne Schnitt am Oberkörper. 

MRT bleibt trotz Schrittmacher möglich 

Besonders ist nicht allein das schonende Verfahren, mit dem das Einkammersystem implantiert werden kann. Dabei wird der wenige Millimeter lange, dünne Zylinder mit den winzigen Titanärmchen, die sich an der Herzwand festklammern, über die Leiste in einem Herzkatheterschlauch zum Herzen transportiert. Der Schnitt unterhalb der Schulter, das Anlegen einer Tasche für die Positionierung entfällt und damit auch die Narbe an exponierter Stelle. An der Spitze der federleichten "Kardiokapsel" werden über einen Pol elektrische Impulse für die Herzaktivität abgegeben. Ein Kammer des Herzens -- der rechte Ventrikel -- wird dadurch stimuliert bei Bedarf. Dabei reagiert das System auf den Aktivitätsgrad des Trägers, passt die Schrittmachertätigkeit jeweils an. Ein Defibrillator ist hier allerdings nicht integriert. Eine weitere Besonderheit der Kardiokapsel: die Trägerin darf damit -- im Gegensatz zu den bislang gebräuchlichen Systemen -- weiterhin alle Arten von MRT-Untersuchungen machen lassen. 

Johanna Brodowski ist erleichtert: "Ich habe ja immer gespürt, wenn der Herzschlag ausgesetzt hat oder so extrem langsam war. Das macht richtig Angst." Sie ist zurück in ihrer eigenen Wohnung, macht den Haushalt wieder alleine und freut sich über die gewonnene Lebensqualität. "Schon zwei Tage nach dem Einsetzen war ich wieder zuhause", freut sie sich. Es war allerdings nicht ihr erster kardiologischer Eingriff. Auch eine Klammer, wie sie es nennt, hat sie bereits bekommen.

Weltweit 40.000 Mal eingesetzt


Axel Kloppe ist froh, dass der neue Typ Herzschrittmacher jetzt bei entsprechender Indikation regulär genutzt werden kann. In der Bochumer Klinik, in der er vor dem Wechsel nach Gelsenkirchen leitend tätig war, hatte er bereits Kardiokapseln implantiert: "Weltweit sind bereits 40.000 dieser Kardiokapseln eingesetzt worden, aber erst seit Januar 2020 steht es in Deutschland auf der normalen DIG-Liste, kann ohne Mehrkosten genutzt werden. Das Verfahren bis zur Zulassung ist bei uns sehr kompliziert." Nachdem das Marienhospital Gelsenkirchen nun, wie auch die anderen Kliniken, zunehmend auf Normalbetrieb umgestellt hat, auch wieder geplante Behandlungen durchführt, hat Kloppe den Ausbau der Rhythmologie (Therapie von Herzrhythmusstörungen aller Art), die Elektrokardiologie und die Device-Therapie, zu der der Einsatz von Herzschrittmachern ebenso gehört wie der Einsatz von Mitraclips (Klammern) und Vorhofoccludern (Verschluss des Vorhofohrs) in der Klinik für Kardiologie in Ückendorf weiter vorangetrieben.

Weltweit werden pro Jahr mehr als eine Million Herzschrittmacher implantiert. Es ist die häufigste Therapie bei der Behandlung des verlangsamten Herzschlags.

Die Batterien der Kardiokapseln halten nach bisherigen Kenntnissen etwa zehn Jahre, danach müsste eine neue Kapsel eingesetzt werden. Auch herkömmliche Schrittmacher mit Drahtverbindungen zum Herzen müssen nach zehn Jahren in 40 Prozent der Fälle erneuert werden. Vor allem die Drahtverbindungen sind bei körperlich aktiven Menschen anfällig.

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