Gelsenkirchen. Mit 25 000 Euro Abfindung wurde eine ehemaliger Mitarbeiter von St. Gobain nach 42 Jahren Arbeit im Verkauf entlassen. Der Mann klagt nun auf deutlich höhere Abfindung. Ein Ex-Kollege hatte mit einer Klage Erfolg.

Längst ist der frühere Schalker Verein durch den letzten Eigentümer St. Gobain abgewickelt worden. Zuletzt standen nur noch elf von einst etwa 6000 Arbeitnehmern in den Diensten des einstigen Rohrproduzenten. Für einige Mitarbeiter ist das letzte Kapitel über ihren früheren Arbeitgeber noch nicht zu Ende geschrieben. Sie wollen höhere Abfindungen vor dem Arbeitsgericht einklagen.

Aufmerksam wurden sie, als ihr früherer Kollege Achim Wagner vor dem Landesarbeitsgericht eine fünffach höhere Abfindung erstritten hatte. Ein 61-jähriger ehemaliger Mitarbeiter pocht jetzt vor dem Arbeitsgericht ebenfalls auf eine Nachzahlung. Der Mann, der im Verkauf gearbeitet hatte, war 2012 nach 42-jähriger Tätigkeit ausgeschieden. 25 000 Euro erhielt er als tatsächliche Abfindung. Da er noch 28 Monate lang weiter bei der Dattelner St.Gobain-Tochter Weber im Kundenservice arbeitete, verrechnete St. Gobain weitere 50 000 Euro an Abfindung mit dem Verdienst. Die Abfindung war nach 28 Monaten „verbraucht.“

„Wir wurden über den Leisten gezogen“

Der richtige Betrag, so trug der Kläger vor dem Arbeitsgericht vor, hätte bei 129 000 Euro liegen müssen. „Wir wurden über den Leisten gezogen.“ Der Mann beruft sich auch auf die rechtliche Bewertung durch das Landesarbeitsgerichts im Rechtsstreit mit Wagner. Demnach hätte die Abfindung nach dem Sozialplan aus dem Jahr 2004 berechnet werden müssen. Tatsächlich legte der Arbeitgeber aber eine Protokollnotiz über eine vermeintliche Vereinbarung mit dem Betriebsrat aus dem Jahr 2010 zugrunde. Die sah eine Verschlechterung für ausscheidende Mitarbeiter vor, hätte laut Gericht aber nicht angewandt werden dürfen. Unterzeichnet war das Schriftstück nämlich ausschließlich vom Betriebsratsvorsitzenden.

Kammertermin im Dezember

Der Betriebsrat hatte davon keine Kenntnis. Gesetzlich ist eine nachträgliche Reklamierung höherer Ansprüche einen Monat nach dem Ausscheiden verwirkt. Die Ausschlussfrist gilt aber nicht, wenn eine unerlaubte Handlung des Arbeitgebers vorliegt. Die Streit-Parteien haben bis zum Kammertermin im Dezember Zeit, ihre Positionen zu verdeutlichen. Der Arbeitgeber spricht von einer Änderungskündigung, über die ein Vergleich geschlossen worden sei. Der Kläger muss nachweisen, dass der Arbeitgeber bei der Vertragsunterzeichnung Kenntnis davon hatte, dass kein ordentlicher Betriebsratsbeschluss vorlag.