Gelsenkirchen. 40 Jahre lang, bis 1994, fuhr die Henschel-Dampfspeicherlok für Veba Öl in Scholven im Werksverkehr. Dann wurde sie ausgemustert. Nun steht sie vor einer späten, zweiten Karriere als Kraftwerkslok in Mannheim.

Was für eine Renaissance: 40 Jahre lang, bis 1994, fuhr die Dampfspeicherlok für Veba Öl in Scholven im Werksverkehr. Dann wurde sie ausgemustert, stand für 20 weitere Jahre im Bahnbetriebswerk Bismarck auf dem Abstellgleis. Ein Fall für Museen oder Schrott-Verwerter der Republik wird sie allerdings nicht. Die Speicherlok, Baujahr 1954, steht vor einer weiteren Gleis-Karriere. Zwei 140-Tonnen Autokrane und ein Schwertransport-Lastzug brachten sie dafür Sonntag in Bewegung. Erstes Ziel: Meiningen im Thüringer Wald. Dort unterhält die Deutsche Bahn das letzte größere Dampflok-Instandhaltungswerk Westeuropas.

Am Haken: Von zwei Autokranen wurde die Lokomotive auf einen Tieflader gesetzt.
Am Haken: Von zwei Autokranen wurde die Lokomotive auf einen Tieflader gesetzt. © Funke Foto Services | Funke Foto Services

Sonntag um 22 Uhr machte sich der Spezialtieflader mit der ungewöhnlichen Fracht auf den Weg. „Dienstag kommen wir da an“, sagt Hendrik Franz, Fahrer beim Schwerlastspezialisten Timmerhaus. 119 Tonnen schwer ist der Gesamttransport, den er abends steuert. 45 Tonnen davon allein wiegt der Lok-Oldie. 4,40 Meter hoch und 32 Meter lang sind Zugmaschine, Kessel-Brücke und Fracht insgesamt. Das passt längst nicht um jede Kurve oder durch jede Unterführung. „Drei Monate lang haben wir den Transport geplant“, sagt Disponent Frank Weimer. Dazu gehört auch, dass der letzte Verladeakt Sonntag auf dem Lidl-Parkplatz an der Grimberg-straße stattfinden musste. Nur dort reichte der Platz, um Lkw und Auto-Krane in Position zu bringen.

Drei Monate für die Tourplanung

Die GKM, die Großkraftwerk Mannheim Aktiengesellschaft, hat die Lok gekauft. Sie lässt sie von der DB wieder aufrüsten und schickt sie erneut auf Dienstfahrt – um schwere Kohlewaggons zu ziehen. Die Gründe sind alles andere als nostalgischer Art. Die im Vergleich zu Diesel-Aggregaten niedrigen Betriebskosten machen es für die neuen Betreiber interessant, den Oldie zu reaktivieren. „Wir haben jede Menge Dampf, mit dem wir unsere Maschinen betreiben“, sagt Frank Kraus. Bei GKM ist er der Eisenbahnbetriebsleiter. Den Schienenverkehr fürs Kraftwerk wickelt seine Firma ausschließlich mit Dampfspeicherloks ab. Die aus Gelsenkirchen wird die vierte im Fuhrpark. Es war die letzte ihrer Art, die es auf dem Markt noch gibt.

Achse und Kessel wurden mit Ultraschall untersucht

Kraus weiß, was er von der alten Henschel-Lokomotive zu erwarten hat. „Wir waren vorab mehrfach im Lokschuppen und haben Prüfungen durchgeführt. Achse und Kessel wurden mit Ultraschall untersucht.“ Offenbar zur Zufriedenheit. Samstag war Kraus dann wieder in Bismarck, bereitete mit den Bahnfreunden Bismarck die Lok auf den Transport vor. Statt Puffern bekam sie Halterungen angeschraubt, an denen sie Sonntag früh vom Gleis auf den Spezialtransporter gelupft wurde. Aus dem Lokschuppen auf die Drehscheibe geschoben wurde sie von einer Diesellok der Bahnfreunde.

Eine letzte Botschaft an ihren Vermieter, den Regionalverband Ruhr, konnten und wollten sich die „Freunde des Bahnbetriebswerks Bismarck“ offensichtlich nicht verkneifen. „RVR die Pflicht vergißt, Verkauf die Folge ist“ teilten sie per Banner auf dem Lok-Kessel mit. „Schade, dass sie weggeht. Das ist ja ein Revierkind. Aber gut, dass sie wieder profimäßig in den Dienst geht, das ist unser Trost“, zeigte Paul Lindemann als Vorsitzender des Fördervereins gemischte Gefühle. Immerhin: Mit dem Verkaufserlös wollen die Bahnfreunde die Weiterentwicklung des Bahnbetriebswerks vorantreiben.

Für die Instandsetzung der Dampfspeicherlokomotive ist ein gutes halbes Jahr angesetzt. „Spätestens Ende 2015“, ist Frank Kraus optimistisch, „wird sie wieder im vollen Einsatz rollen.“