Gelsenkirchen. Unterwegs mit Franz Theilenberg. Der Vorsitzende des Stadtverbandes der Kleingärtner in Gelsenkirchen erklärt, welche eingewanderten Pflanzen den heimischen Gewächsen das (Über-)Leben so schwer machen - Ortstermin in der Kleingartenanlage Am Trinenkamp.
Drei Meter reckt sich der Strauch in die Höhe. Seine weißen Blüten locken Schmetterlinge in Scharen an. Ein süßlicher Duft strömt von ihm aus. Der Sommerflieder ist ein Schmuckstück und in vielen Gärten zu finden. Nur, was die meisten nicht wissen: Er hat dort im Grunde nichts zu suchen. Der Sommerflieder steht auf der schwarzen Liste des Bundesverbandes der Kleingärtner. „Er verdrängt einheimische Tierarten aus dem Garten“, sagt der Vorsitzende des Stadtverbandes der Kleingärtner, Franz Theilenberg, beim Gang durch seine „Heimatanlage“ Am Trinenkamp.
Der japanische Sommerflieder gehört zu den so genannten Neophyten. Einfach ausgedrückt sind dies Pflanzen, die ursprünglich hier nicht hingehören, sondern seit den Anfängen der Entdecker seit Christoph Kolumbus den Weg in hiesige Breiten fanden. „Viele der Neophyten sind problemlos und nützlich, wie die Kartoffel. Sie haben sich an unsere klimatischen Bedingungen gewöhnt“, sagt der 67-Jährige. Nur etwa 30 Arten werden als invasiv betrachtet. Das heißt kurz und knapp: Sind sie einmal da, sind sie nur mit viel Aufwand zu stoppen. Und die klimatischen Bedingungen kommen den invasiven Arten immer mehr entgegen.
Das Zeug wächst immer wieder
In den Kleingärten trifft dies insbesondere auf die kanadische Goldrute zu. Theilenberg. „Da ist jäten angesagt.“
Große Probleme bereitet den Kleingärtnern das invasive Franzosenkraut. „Das war so etwas wie die erste Biowaffe“, sagt Theilenberg augenzwinkernd. Das haben Franzosen während des ersten Weltkrieges auf Äcker verbracht, um Ernten zu verhindern, habe eine Bäuerin in seiner Jugend immer geschimpft. In der Tat breitet sich das Kraut rasant aus. Pro Pflanze entwickeln sich 10.000 Samen binnen sieben Wochen und das Ganze drei Mal im Jahr. Theilenberg: „Die Samen können bis zu zehn Jahren im Boden überdauern. Da können Sie betonieren. Doch das nutzt nichts. Das Zeug wächst immer wieder und lässt sich auch durch Jäten nicht vollständig beseitigen.“ So kommt das Kraut, ursprünglich aus den Anden, alle Jahre wieder.
Aber es gibt auch Pflanzen, bei denen Vorsicht geboten ist, wie bei der Herkulesstaude. Die verfügt über Gifte, die Verbrennungen hervorrufen.
Ökologischer Kreislauf gestört
Das größte Problem in den Gärten und auf den Wegen ist aber der europäische Giersch. Theilenberg: „Der wächst überall und ist so gut wie nicht unter Kontrolle zu bringen.“ Von der Pflanze heißt es auch „Im Kampf gegen den Giersch zeigt sich die Vergeblichkeit des menschlichen Tuns.“
Bundes- und Landesverband der Kleingärtner haben mittlerweile viele der Neophyten erfasst und Infos zusammengestellt, die im Internet – kleingarten-bund.de – abrufbar sind. „Wir sind dabei, auch über die Stadtseiten den Zugang zu schalten, damit sich Klein- und Hobbygärtner informieren können.“ Er selbst empfiehlt, auf bewährte und einheimische Pflanzen zurückzugreifen. In den Kleingartenanlagen in Gelsenkirchen sind vor allem Arten wie Phlox, Rosen, Dahlien, Margeriten, Lavendel und Rittersporn sowie Astern anzutreffen.
Über den Kompost verbreitet
Schäden richten invasive Pflanzen allerdings insbesondere in den Wäldern an. Das Problem: Tauchen die Pflanzen auf, breiten sie sich aus, verdrängen nach und nach einheimische Pflanzen und bilden eine Solitärkultur. Das heißt, auf einer großen Fläche wächst nur noch eine Art. Extrem ist die Ausbreitung des Staudenknöterichs. Es genügen schon wenige Partikel der Pflanze für die Vermehrung. Und wo die japanische Staude steht, wächst nichts anderes mehr. Der ökologische Kreislauf ist nachhaltig gestört. Die Pflanze, groß wie eine Sonnenblume, hat keine natürlichen Feinde und wird von einheimischem Getier gemieden. Sie kann sich munter und ungehemmt verbreiten. Da sie die heimische Flora verdrängt, verlieren Tiere Nahrungsgrundlagen. Diese unerwünschten Pflanzen werden u. a. über das Vogelfutter eingeschleust oder haben sich aus Ziergärten über den Kompost verbreitet.
Tipps vom Gärtner im Umgang mit invasiven Pflanzen
Die kanadische Goldrute bildet ein undurchdringliches Dickicht. In ihrer Heimat hat sie 300 Fressfeinde, in Deutschland keinen einzigen. Durch unterirdische Ausläufer und Samen (19 000 pro Pflanze) verfügt sie über ein enormes Ausbreitungspotenzial. Mindestens zweimal bekämpfen: vor der Blüte Anfang Juni und im August.
Bienen bevorzugen das indische Springkraut in nektarärmeren Jahreszeiten. Dies führt zu einem Druck auf konkurrierende einheimische Pflanzen. Außerdem bildet die Art oft flächendeckende Bestände, die andere heimischen Arten am Wachsen hindern. Pflanze mit Wurzel aus dem Boden holen. Ständig kontrollieren.
Der Riesen-Bärenklau vermehrt sich explosionsartig, weil die Pflanze gut 10.000 Samen hervorbringt. Die Art verdrängt einheimische Arten. Abschneiden der Blütendolden vor der Samenreife (Juli/August), Ausgraben der Wurzel Ende April. Nachkontrolle ist erforderlich
Pflanzen im frühen Stadium kaum erkennbar
Diese Wirkung der Lupine, die den Boden fruchtbarer macht, ist nicht überall erwünscht. Sie vertreibt Pflanzen, die auf kargen Boden angewiesen sind. Dazu gehören Arnika, Borstgras, Katzenpfötchen, Knabenkraut, Trollblume und die Türkenbundlilie. Durchschnittlich hat eine Pflanze etwa 60 Blüten. Diese produzieren 2000 Samenkörner und schleudern sie bis sechs Meter weit. Die unerwünschten Pflanzen früh samt Wurzel aus dem Boden holen.
Doch dies ist schwierig. Theilenberg: „Im frühen Wachstum lässt ist die Pflanzenart kaum bzw. gar nicht zu erkennen.“
Informationen zum Thema gibt es auch auf: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Neophyten_in_Deutschland