Essen. Das Y-Chromosom macht den Unterschied: Im Interview erklärt Abstammungsgutachterin Prof. Micaela Poetsch, worauf es bei diesem DNA-Abgleich ankommt.
Der einstige Essener Gründungsbischof Franz Hengsbach war das älteste von acht Kindern seiner Familie, er hatte fünf Brüder und zwei Schwestern. An Nichten und Neffen herrscht kein Mangel, doch für die Frage, ob er einen leiblichen Sohn hatte, kommen nur die Söhne seiner Brüder ins Visier. Warum eigentlich? Die Antwort darauf kennt Professorin Micaela Poetsch. Sie ist Fachabstammungsgutachterin der Deutschen Gesellschaft für Abstammungsbegutachtung und leitet die Abteilung für Forensische Genetik am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Essen.
Frau Professorin Poetsch, ein Mann um die 60 aus NRW vermutet, er sei womöglich der Sohn des 1991 verstorbenen Ruhrbischofs und Kardinals Franz Hengsbach. Zwei Neffen erklären sich zu einem DNA-Abgleich bereit. Warum kommen dafür eigentlich nur männliche Abkömmlinge infrage, und zwar nur jene der Brüder? Es gibt ja auch mehrere Nichten in der Familie.
Grundsätzlich können auch Verwandte in weiblicher Linie mit analysiert werden. Bei einer Verwandtschaft in männlicher Linie liefert aber die Analyse des nur bei Männern vorhandenen Y-Chromosoms zusätzliche Erkenntnisse. Das Y-Chromosom wird – mit Ausnahme von Mutationen – in männlicher Linie unverändert vom Vater auf den Sohn vererbt, da jeder Mann nur ein Y-Chromosom hat. Alle anderen Chromosomen sind zweimal vorhanden, so dass bei der Weitergabe an Kinder jeweils eins ausgewählt wird. Auf diese Weise kommt es zu einer deutlich größeren Vielfalt.
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Wie präzise, will sagen: mit welcher Wahrscheinlichkeit lässt sich die Abstammungsfrage über den DNA-Abgleich mit den männlichen Abkömmlingen dann klären?
Das kommt darauf an, über welchen Verwandtschaftsgrad wir hier reden. Mit jeder Weitergabe des Y-Chromosoms steigt die Wahrscheinlichkeit für Mutationen, und entsprechend sinkt die Aussagekraft. Darüber hinaus kommt es darauf an, ob die Merkmale auf dem Y-Chromosom der Familie ansonsten in der Bevölkerung eher häufig oder eher selten vorkommen.
Das bedeutet ja, dass schon bei der nächsten Generation, also den Söhnen von Hengsbachs Neffen die Aussagekraft schwände. Bliebe denn ein DNA-Abgleich mit den Söhnen der Schwestern gänzlich ohne Erkenntnisgewinn, oder wäre die Abstammungsaussage dann nur weniger belastbar?
Sie wäre auf jeden Fall deutlich weniger aussagekräftig.
Wie sieht so ein DNA-Abgleich aus? Nutzen Sie eine Blutprobe, Speichel, Haare?
In der Rechtsmedizin Essen werden solche Vergleiche ausschließlich an Mundschleimhaut-Proben, also an Speichel durchgeführt. Blut ist natürlich auch kein Problem, Haare sind dagegen eher nicht zu empfehlen.
Wie viel Zeit vergeht von der Probe bis zu einem festgestellten Ergebnis in der Abstammungsfrage?
Das ist je nach Auslastung des Labors unterschiedlich, bei uns dauert es bei dieser Fragestellung etwa 14 Tage.
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Erörtert wurde im Bistum, dass sich die Abstammungsfrage ja auch über eine Exhumierung erreichen ließe. Ist das mit sterblichen Überresten knapp 34 Jahre nach dem Tod eigentlich noch möglich?
Nach 34 Jahren wird das schon kritisch. Es kommt hier sehr darauf an, in welcher Art von Boden der Verstorbene bestattet wurde.
Eine Exhumierung wird am Ende wohl eh nicht erlaubt. Wäre denn der direkte Vergleich mit Gen-Material eines Verstorbenen vom Ergebnis her belastbarer, oder gibt es zu einer Abstammungsklärung mit Gen-Material lebender männlicher Neffen keine wesentlichen Unterschiede?
Der direkte Abgleich Vater-Sohn ist in jedem Fall deutlich aussagekräftiger.
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