Essen. Nach einer körperlichen Attacke an einem Essener SPD-Infostand in Essen ist die Empörung groß. Auch andere Parteien machen unschöne Erfahrungen.
Ein körperlicher Angriff an einem Infostand der SPD ist der traurige Höhepunkt in diesem Bundestagswahlkampf auf Essener Stadtgebiet. Zwei SPD-Mitglieder sind am Samstag (1.2.) von einem Unbekannten in Altendorf bedroht, bedrängt und bespuckt worden. Die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung. Die Attacke auf ehrenamtliche Politiker schockiert über Parteigrenzen hinweg – und sorgt dafür, dass sich Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) in diesem Wahlkampf schon zum zweiten Mal mit mahnenden Worten an die Essenerinnen und Essener wendet. Bereits vor drei Wochen sprach Kufen mit Blick auf viele zerstörte Parteiplakate in der Stadt von einer „aufgeheizten Stimmung im Wahlkampf“.
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Nach dem verbalen und körperlichen Angriff vom Wochenende in Altendorf sagt Essens Stadtoberhaupt nun: „Mich erschüttert es, wenn Menschen, die sich für die Politik und damit für die Stadtgesellschaft engagieren, sich solch gefährlichen Situationen ausgesetzt sehen müssen.“ Der ehrenamtliche Einsatz in der Freizeit verdiene Respekt und Anerkennung. „Es darf auch gerne kontrovers diskutiert werden, verbale oder sogar körperliche Angriffe auf die Ehrenamtlichen verurteile ich aufs Schärfste!“ Ähnlich wie Kufen hatte sich Ali Kaan Sevinc,– Vorsitzender des SPD-Ortsverbands Frohnhausen/Altendorf – nach dem Angriff auf ihn und einen Genossen geäußert. Ehrenamtliche dürften nicht zur Zielscheibe werden. Ausdrücklich meinte er das über die Parteigrenzen hinweg und schloss Mitglieder der AfD mit ein.
AfD über Infostand in Essen-Frohnhausen: „Die Polizei war dann da und musste die Leute zurückdrängen“
Wie erleben andere Parteien derzeit den Wahlkampf auf der Straße? Von der Essener AfD heißt es von Vorstandssprecher Günter Weiß mit Blick auf mögliche Angriffe: „Damit rechnen wir immer. Für uns ist das nicht schlimmer als sonst.“ Gleichwohl kam es bei einer Wahlkampfaktion an einem Infostand seiner Partei auf dem Gervinusplatz in Frohnhausen, ebenfalls am Samstag, zu einem Polizeieinsatz. Was war geschehen? Günter Weiß berichtet von Menschen der „Antifa“ und „linken Szene“, die „verbal, aber auch bedrohlich“ an dem AfD-Infostand aufgetaucht sein, woraufhin die Polizei gerufen wurde. „Die Polizei war dann da und musste die Leute zurückdrängen.“
Bei der Polizei ist eine Anzeige wegen Beleidigung gestellt worden. Ein Passant hätte nach Behördenangaben an dem Infostand auf dem Gervinusplatz eine AfD-Anhängerin beleidigt – was der Tatverdächtige nicht getan haben will. Der Mann war offensichtlich Teil einer „Spontanversammlung“ am Samstagvormittag, berichtet Behördensprecherin Sonja Kochem.
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Zunächst hätten sich 20 bis 30 Menschen an dem Infostand der AfD, zum Teil mit Schildern, versammelt. In der Spitze seien es „um die 50“ gewesen, so die Polizeisprecherin, die auf Nachfrage ergänzt: „Es gab keine Anzeige wegen Körperverletzung.“ Werden Infostände der AfD und anderen Parteien in diesem aufgeheizten Wahlkampf generell unter Polizeischutz gestellt? „Nein“, sagt Kochem. Sehr wohl könne es aber sein, dass Beamte sich an Ständen blicken lassen. „Die Infostände werden ja angemeldet“, sagt die Polizeisprecherin.
Vizechef der Essener CDU: „Es geht schon rauer zu als sonst in diesem Wahlkampf“
Das bestätigt die CDU. „Die Polizei hat uns gebeten, Zeit und Ort der Wahlkampfstände anzugeben“, sagt Fabian Schrumpf, Vizechef der Essener CDU, Mitglied im Landtag und Fraktionschef der Partei im Rat der Stadt. Man sehe bei der Behörde offenbar eine Anfangsgefahr. Es habe aber keinerlei Absagen von CDU-Ständen gegeben, so Schrumpf, der ergänzt: „Es geht schon rauer zu als sonst in diesem Wahlkampf. Ich wurde am Stand heftig beleidigt, aber das muss man dann eben aushalten.“ Essens CDU-Vorsitzender und Bundestagsmitglied Matthias Hauer sagt über den aktuellen Wahlkampf: „Wir merken überall eine zunehmende Polarisierung: auf der einen Seite Zuspruch, auf der anderen Seite aber auch eine Verschärfung des Tons.“

Von Beleidigungen oder gar körperlichen Angriffen, wie zuletzt bei der SPD in Altendorf, hat Wolfgang Freye von „Die Linke“ in diesem Wahlkampf an Infoständen seiner Partei in Essen nichts gehört. „Klar, es gibt Leute die schimpfen“, so Freye. Das halte sich aber in Grenzen. Er habe auf der Straße zuletzt selbst die Erfahrung gemacht, dass es „friedliche, zum Teil lange, Diskussionen“ gebe. Beim Europawahlkampf im vergangenen Jahr sei die Stimmung unangenehmer gewesen.
Wie sieht es bei der FDP aus? Deren stellvertretende Kreisvorsitzende, Hans-Peter Schöneweiß, sagt, dass es im laufenden Wahlkampf „keine Probleme“ an Infoständen seiner Partei im Essener Stadtgebiet gebe. Er selbst war zuletzt mit Parteikollegen am Samstag in Überruhr-Hinsel unterwegs. An dem FDP-Stand dort habe es eher interessierte Nachfragen gegeben. „So etwas wie bei der SPD in Altendorf ist bei uns zum Glück nicht passiert.“ Trotzdem berichtet auch Schöneweiß von Vorfällen jenseits von Vandalismus von Wahlplakaten. In der Geschäftsstelle der Essener Liberalen in der Alfredistraße sei zuletzt „zwei bis dreimal das Klingelschild abgerissen“ worden.
Von den Grünen teilt der Essener Bundestagsabgeordnete Kai Gehring auf unsere Anfrage zum aufgeheizten Wahlkampf unter anderem mit: „Der öffentliche Raum in Essen muss auch im Wahlkampf ein ‚safe space‘ sein, in dem alle zugelassenen Parteien für ihre Anliegen sicher werben können. Wahlkämpfer sind Menschen und Demokraten, keine Blitzableiter oder gar Freiwild.“

Gehring, der bei dieser Bundestagswahl nicht erneut kandidiert, erinnert an einen Angriff aus dem vergangenen Jahr: „Die zunehmende Gewaltbereitschaft haben mein langjähriger lokalpolitischer Weggefährte Rolf Fliß und ich im Mai 2024 selbst erleben müssen. Die große Solidarität danach zeigte uns, dass die übergroße Mehrheit für Anstand, Respekt und eine faire politische Kultur einsteht. Das ist wichtig, weil unsere parlamentarische, repräsentative Demokratie auf Parteien und somit haupt- und ehrenamtlichen Politikern fußt.“
Im Mai 2024 trafen Gehring und Fliß nach einem Restaurantbesuch in Rüttenscheid auf eine Männergruppe. Ein zunächst freundliches Gespräch gipfelte damals in einer Prügelattacke auf Fliß, der zweimal geschlagen wurde.
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