Essen-Nord. Im Essener Norden gibt es viele Orte, an denen regelmäßig Müll abgeladen wird. Doch die Anwohner wehren sind – und ertappen Täter in flagranti.
Es ist eine seltsame Szene: Da steht ein Lieferwagen, vollgepackt bis obenhin, in einem Wendehammer. Ein Mann und eine Frau schleppen Matratzen, ein Sideboard, Typ: Eiche rustikal, und anderen Sperrmüll in den Grünstreifen. Eine wilde Kippe entsteht – am helllichten Tag. Es ist kurz nach elf am Vormittag.
Eine Spaziergängerin beobachtet das Treiben eine Weile, dann ruft sie einen Bekannten an – der wiederum verständigt die Polizei, eilt zum genannten Ort, und filmt mit seinem Handy, wie die Ertappten alles wieder einpacken. Die Polizei trifft ein, nimmt den Vorfall auf; die Täter müssen ein Bußgeld zahlen.
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Für Anwohner Klaus Barkhofen ist das Ganze ein seltener Glücksfall: Denn der Wendehammer am Ende einer Abzweigung der Bottroper Straße ist unter den Anwohnern berüchtigt. Regelmäßig würden dort große Mengen Sperrmüll und Hausmüll, abgeladen, sagt Barkhofen, und zeigt die Fotos, die er im Laufe der Zeit von dieser Stelle gesammelt hat. Vor ein paar Tagen sei zuletzt saubergemacht worden, berichtet er, zurückgeblieben sind ein paar bunte Plastikstücke, Zigarettenschachteln, Scherben und Folie.
Straße neben Essener Wohngebiet ist zum illegalen Autofriedhof geworden

Nicht nur gegen die Müllberge kämpfen Barkhofen und andere Anwohner aus der benachbarten Siedlung. Auch die schrottreifen Autos, Lieferwagen und LKW, die auf diesem Stück der Bottroper Straße regelmäßig am Straßenrand abgestellt werden, sorgen für Unmut. Beim Ortstermin stehen hier verrostete Fahrzeuge, teils mit eingeschlagenen Scheiben – die Scherben liegen daneben am Boden – und platten Reifen, manche ausgeschlachtet, oder bis unters Dach mit Schrott vollgestopft. Einige haben Kennzeichen, andere nicht. Für Abed Öztep, der ebenfalls in der Nähe wohnt, ist das ein normales Bild, „heute sieht es sogar noch relativ gut aus“, sagt er.
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Barkhofen und Öztep sind im Vorstand von Bigwam, der „Bürgerinitiative gegen den wilden Automarkt“, aktiv. Mit den Autos hat alles angefangen: Der Verein entstand aus einem Zusammenschluss von Anwohnern, die genervt waren von den nicht immer legalen Begleiterscheinungen des populären Gebrauchtwagenmarkts am Autokino, das gut eineinhalb Kilometer entfernt ist. Denn angelockt vom Automarkt, hätten sich schon in den 1990er Jahren viele Händler und Werkstätten in unmittelbarer Nachbarschaft angesiedelt, erzählt Barkhofen, „teilweise ohne oder mit einer mutmaßlich erschlichenen Genehmigung“. Da sei dann zum Beispiel Restöl in Grünanlagen geschüttet, oder mal der Motor mitten auf der Straße ausgebaut worden, Autos seien unangemeldet und unversichert durch die Siedlung gefahren und wild irgendwo geparkt worden.

Die Probleme hätten sich im Laufe der Jahre verschoben, sagt Dagmar Barkhofen, die sich ebenfalls im Bigwam-Vorstand engagiert. Vor zehn Jahren sei es noch gang und gäbe gewesen, dass „Leute hier im Auto übernachteten und ihre Notdurft in die Vorgärten verrichteten“. Dieses Ärgernis habe sich mittlerweile weitestgehend erledigt, auch, weil der Verein immer wieder das Gespräch mit Autohändlern, der Stadt und dem Ordnungsamt gesucht habe.
Anwohner nutzen regelmäßig den Mängelmelder und loben die schnelle Reaktion der Stadt Essen

Das Thema Müll aber bekomme man nicht wirklich in den Griff: Während früher eher Pizzakartons und anderer alltäglicher Abfall am Straßenrand und im Gebüsch landeten, sind es heute neben den Schrottautos halbe Hausstände: „Und wenn einmal irgendwo etwas liegt, vermehrt es sich auch auf wundersame Weise“, sagt Dagmar Barkhofen. Den städtischen Mängelmelder, über den jeder wilde Kippen melden und abräumen lassen kann, nutze er ständig, so Öztep: „Immer, wenn mir eine Stelle auffällt.“ Das funktioniere gut, die Stadt reagiere schnell, manchmal werde noch am selben Tag, spätestens aber nach zwei bis drei Tagen alles abgeholt.
Doch gegen die Täter richte man so natürlich nichts aus. „Man muss sie in flagranti erwischen“, sagt Klaus Barkhofen. Denn selbst wenn in den Müllhaufen Ordner mit Briefen und persönlichen Daten auftauchen würden: „Das hat keine Beweiskraft, das kann jeder dort hingeworfen haben.“ So zumindest habe es ihnen der Leiter der Altendorfer Polizeiwache beim Besuch eines Bigwam-Treffens erklärt und an die Anwohner appelliert, die Polizei zu rufen, wenn sie eine illegale Abladeaktion beobachten würden. „Ich habe anfangs selbst Skrupel gehabt“, sagt Barkhofen. Deshalb kann er nachvollziehen, dass viele Menschen sich scheuen: Sie hätten etwa Sorge, mit einer solchen Meldung „aktenkundig“ zu werden, oder befürchteten, dass ihre Daten womöglich den Verursachern der Kippen bekannt werden könnten.

Diese Ängste würden sie versuchen auszuräumen, sagt Barkhofen. Immerhin scheint sich in der Nachbarschaft herumgesprochen zu haben, dass da Menschen wohnen, die sich kümmern: Oft würden ihnen Leute aus der Siedlung Bescheid geben, wenn sie etwas Verdächtiges beobachten. „Dann rufen wir eben die Polizei.“ Auf diese Weise seien nicht nur die Leute mit den Matratzen und der Kommode, sondern auch noch ein weiterer Täter von der Polizei erwischt worden.
„Aber man darf nicht nachlassen“, sagt Dagmar Barkhofen. Besonders problematisch sei der Müll, den man nicht so einfach wieder wegräumen könne: „Da werden auch schonmal Chemikalien wie Altöl oder Bremsflüssigkeit in die Büsche gekippt.“ Die Nachbarschaft bleibe jedenfalls wachsam, und das Netzwerk funktioniere offenbar immer besser. Nur gegen den illegalen Autofriedhof sei noch kein probates Mittel gefunden. Doch auch an diesem Thema wollen die Anwohner dranbleiben.
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