Essen. Ein junger Sterne-Koch hat in Essen-Werden angeheuert, wo im Keller vom „Chefs & Butchers“ ein neues Konzept entsteht. Die Gourmet-Branche elektrisiert das.

Die Gourmet-Branche ist stark vernetzt, die Akteure in der gehobenen Gastronomie kennen sich meist lange und gut. Neuigkeiten machen da rasend schnell die Runde. Als ein Branchendienst jüngst die Nachricht brachte, dass der Wuppertaler Sterne-Koch Alexander Hoppe im „Chefs & Butchers“ im Werdener Löwental angeheuert hat, dauerte es nur Minuten, bis das Smartphone von Inhaber Michael Scheil heiß lief. „Rund 1200 Nachrichten habe ich bekommen“, sagt er und macht kein Hehl daraus, dass er sich über seinen Coup diebisch gefreut hat.

„Den Alex hätten auch andere gern bekommen, nachdem sich herumgesprochen hatte, dass er an seiner alten Wirkungsstätte aufhört“, sagt Scheil. Der 39-Jährige ist vor sechs Jahren mit der Gründung des „Chefs & Butchers“ voll ins Risiko gegangen und hat sich seither in der Essener Gastro-Landschaft einen guten Ruf und ein solides Stammpublikum erarbeitet. Wie kam es zum Kontakt? Als Alexander Hoppe mal als Gastkoch bei einem Event in Scheils Restaurant aufschlug, „passte es sofort zwischen uns“, erzählen Scheil und der 33-jährige Hoppe unisono. Nun machen die beiden Enthusiasten nicht nur gemeinsame Sache, sie haben auch ein neues Gastro-Konzept aus der Taufe gehoben, das das bisherige ergänzen soll.

„Chefs Atelier“ heißt das neue Club-Restaurant im Keller des „Chefs & Buchers“

„Chefs Atelier“ heißt das kleine und sehr feine Start-up, das Scheil und Hoppe im Keller des Gebäudes betreiben wollen, wo auch das Chefs & Butchers residiert. Wobei „Keller“ einen falschen Eindruck erweckt. Es handelt sich um sehr wertig gestaltete Räume, die Scheil bereits seit längerem für geschlossene Gesellschaften wie Hochzeiten und Firmenfeiern nutzt und die nun auch das neue Restaurant beherbergen werden. Am 6. Februar soll es losgehen, zunächst mit recht minimalistischen Öffnungszeiten von Donnerstag bis Samstag. Und der Möglichkeit auszusteigen, sollte es wider Erwarten nicht funktionieren - wie es bei Start-ups eben üblich ist.

Früher mal eine Gewerbehalle, inzwischen längst ein angesehenes Restaurant: Das „Chefs & Butchers“ im Werdener Löwental kriegt jetzt Nachwuchs.
Früher mal eine Gewerbehalle, inzwischen längst ein angesehenes Restaurant: Das „Chefs & Butchers“ im Werdener Löwental kriegt jetzt Nachwuchs. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Die Philosophie: Während oben zwar durchaus Gehobenes auf den Teller kommt, es aber auch mal ein Schnitzel oder Königsberger Klopse sein dürfen, gibt es unten eine Art reformiertes „Fine Dining“ mit den entsprechenden Preisen und einem anderen Gesamterlebnis. Denn mit maximal 18 Gästen in zwei Schichten, einer offenen Küche, in der pro Abend ein einziges Menü entsteht sowie viel Kommunikation zwischen der kleinen Crew und den wenigen Gästen soll sich das „Atelier“ doch sehr deutlich vom größeren Bruder unterscheiden.

„Das Emotionale muss stimmen, wenn der Gast zu zweit 500 Euro hinlegen soll“, sagt Scheil entwaffnend offen. „Dank der offenen Küche sehen die Gäste live, wieviel Arbeit das macht, was da gerade auf den Teller kommt.“

Perfektes Handwerk alleine reicht in der Spitzengastronomie nicht mehr

Handwerklich perfekte Speisen sind und bleiben zwar die Basis, reichen heutzutage in der Spitzengastronomie allein aber nicht mehr. Von der Begrüßung bis zum Abschied soll sich der Gast als etwas Besonderes fühlen dürfen. Und natürlich wird am Tisch viel erklärt, was dann am Gaumen im besten Fall Explosionen auslöst. Emotionen eben. Irgendwo zwischen geschlossener Gesellschaft und einem „normalen“ Restaurant soll sich jedenfalls die sehr private Atmosphäre im „Atelier“ einpendeln, Scheil gefällt das Wort „Club-Wohnzimmer“.

Das klingt alles sehr ambitioniert, und das ist es auch, wobei Michael Scheil ebenso wie sein neuer Spitzenkoch bei aller Leidenschaft extrem geerdet wirken, sich als Team-Player verstehen und das auf jeden Fall auch bleiben wollen. Wer abgespreizte Finger und blasierte Starkoch-Darsteller liebt, die ihre Gockel-Runden drehen, der könnte enttäuscht werden.

Alexander Hoppe sieht sich ausdrücklich als „Handwerker“, natürlich mit dem Drang zur Perfektion, wie es alle wirklichen Spitzenköche auszeichnet. „Ich bin schon so ein bisschen der Pinzetten-Typ“, sagt er und lacht. Nach Feierabend vieles ausprobieren, dabei auch mal Irrtümer produzieren, Kritik und Selbstkritik zulassen und es beim nächsten Mal besser machen - so und nicht anders sei er beruflich vorangekommen. Den Michelin-Stern führt er in aller Bescheidenheit schon hauptsächlich auf sein Wirken im Wuppertaler Restaurant „Shiraz“ zurück, wo er die Auszeichnung zurücklassen musste, wie es den Regeln des Gourmet-Führers entspricht. Denn ausgezeichnet wird das Restaurant als Ganzes, nicht der Chefkoch.

Ist der Stern das Ziel? Ausschließen wollen das die Macher jedenfalls nicht

Will nun Michael Scheil mit dem neuen Konzept in diese Liga aufsteigen? Er ist da eher zurückhaltend, auch wenn die Gelegenheit wegen des Wegzugs von Nelson Müllers „Schote“ in Essen gerade günstig wäre und außerdem in Scheils beruflicher Vita als langjähriger zweiter Mann am Herd vom „Hannappel“ Sterne sowieso angelegt zu sein scheinen.

„Ich will in erster Linie ein guter Gastgeber sein, das ist zu 100 Prozent meine Passion“, sagt er. Die Fixierung auf Sterne könne sehr die Sicht verengen. Ausschließen will Scheil aber natürlich nichts, zumal nach seinem Dafürhalten das Sterne-Niveau faktisch schon bisher erreicht wurde. Und bei Hoppe darf man diesen Ehrgeiz wohl ohnehin prinzipiell voraussetzen.

Die ersten Reaktionen machten den beiden Mut. Obwohl noch gar nicht viel publik wurde, seien die Tische im „Chefs Atelier“ für die ersten Tage schon ausgebucht. Es gibt in Essen und Umgebung eben traditionell genügend Menschen, die sich Gourmet-Erlebnisse etwas kosten lassen, wenn die Leistung und das Drumherum stimmen. Ihre Neugierde, so scheint es, ist jedenfalls geweckt.