Essen. Monika Hedtkamp betreut seit zwei Jahrzehnten Stadttauben in Steele. Nun fürchtet sie um ihren Schlag. Nicht nur dort geht es drunter und drüber.

Alles begann, als Monika Hedtkamp über dem Eingang einer Bäckerei in Steele spitze Metallstacheln auffielen. Die eisernen Nägel sollten Tauben davon abhalten, sich auf dem Sims niederzulassen. Für die heute 84-Jährige war dies der Anstoß, sich der Tiere anzunehmen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten kümmert sich Monika Hedtkamp um Stadttauben in Steele. Doch nun fürchtet sie um ihr Lebenswerk.

Auf dem Parkhausdach an der Käthe-Kollwitz-Straße geht es nicht nur sprichwörtlich zu wie in einem Taubenschlag. Etwa 300 Tauben finden im Taubenschlag von Monika Hedtkamp Futter und Unterschlupf. Die ehrenamtlichen Helfer der „Arbeitsgruppe Stadttauben Steele“ regulieren die Population, in dem sie Eier entnehmen und durch falsche ersetzen. „Jedes Jahr werden 1000 Eier ausgetauscht“, berichtet Monika Hedtkamp, und man fragt sich, wie es in Steele ohne dieses Engagement wohl aussähe.

Der Taubenschützerin aus Essen-Steele war Geld aus einem Topf der Stadt in Aussicht gestellt worden

Doch der Taubenschlag ist in die Jahre gekommen. Der Bretterbau müsste saniert, wenn nicht gar ersetzt werden, auch des Brandschutzes wegen. 15.000 Euro waren den Steeler Taubenfreunden dafür in Aussicht gestellt worden, aus einem mit 50.000 Euro gefüllten Topf, den der Rat der Stadt eigens für Stadttauben bereitgestellt hatte. So trug es Ratsfrau Elke Zeeb (Grüne), die Tierschutzbeauftragte des Stadtrates, in der Steeler Bezirksvertretung vor, die daraufhin aus ihrem Etat 15.000 Euro oben drauflegen wollte. Doch bei Monika Hedtkamp und ihren Taubenfreunden sei davon kein Cent angekommen.

Monika Hedtkamp (M.) hat in Karl-Eric Pause, 2. Vorsitzender des Vereins Grauflügel Essen, und in Andrea Auth, Mitglied der Bezirksvertretung, Mitstreiter gefunden.
Monika Hedtkamp (M.) hat in Karl-Eric Pause, 2. Vorsitzender des Vereins Grauflügel Essen, und in Andrea Auth, Mitglied der Bezirksvertretung, Mitstreiter gefunden. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Die Stadtverwaltung zahlte den kompletten Topf stattdessen an den Verein „Stadttauben Essen“ aus. Der hatte Projektmittel beantragt für die „Instandsetzung und Unterhaltung von Taubenschlägen, Futtermittel und für die notwendige medizinische Versorgung verletzter Tauben“, wie die Stadt auf Anfrage mitteilt.

50.000 Euro gingen an den Verein „Stadttauben Essen“

Alles sauber, alles korrekt, lautet die unausgesprochene Botschaft. Überhaupt scheint man im Rathaus froh darüber zu sein, mit „Stadttauben Essen“ einen Ansprechpartner gefunden zu haben, der mit dem Ziel angetreten ist, sich stadtweit um Tauben kümmern zu wollen, wie schon der Name verrät. Man muss wissen: In der Stadtverwaltung hat das Thema Stadttauben nicht gerade Priorität, zuständig ist das Ordnungsamt, aber auch das Umweltamt redet mit. Von der Steeler Arbeitsgruppe lag der Verwaltung auch gar kein Antrag vor, heißt es. Und wollten die Taubenvereine nicht ohnehin unter ein Dach schlüpfen?

Davon war vor gut einem Jahr jedenfalls die Rede, doch untereinander scheint man sich nicht grün zu sein. „Stadttauben Essen“ ringt zudem mit internen Querelen. Das Amtsgericht Essen erklärte erst jüngst diverse Beschlüsse, die der Verein auf einer Mitgliederversammlung gefasst hatte, für ungültig, darunter Personalentscheidungen. Nach Überzeugung des Gerichts hatten auf der Versammlung auch nicht stimmberechtigte Teilnehmer mit abgestimmt. Ein Mitglied hatte dagegen geklagt. Der Verein hat angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Der Vorstand bliebe damit bis auf Weiteres im Amt.

Dirk Bußler engagiert sich im Verein „Stadttauben Essen“.
Dirk Bußler engagiert sich im Verein „Stadttauben Essen“. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Förderlich fürs Image der Taubenfreunde ist der Streit sicher nicht. Dabei hat „Stadttauben Essen“ viel vor, sagt Dirk Bußler, 2. Vorsitzender des Vereins. Bußler hat in Essens nördlicher Innenstadt diverse Projekte initiiert und hilft nach eigenen Worten gerne, wenn es Probleme gibt.

Vor einem Jahr hat „Stadttauben Essen“ den Taubenschlag des Allbau am Kopstadtplatz übernommen. Über viele Jahre kümmerte sich die Jugendhilfe in der ehemaligen Hausmeisterwohnung um die rund 400 Tiere. Weil öffentliche Mittel gestrichen wurden, musste die Jugendhilfe die Kooperation aufkündigen. Der Allbau suchte und fand in „Stadttauben Essen“ einen neuen Partner.

„Stadttauben Essen“ hat den Taubenschlag in Essens nördlicher Innenstadt übernommen

Ähnliche Projekte schweben Bußler auch anderorts in Essen vor. Vorbild sei das „Augsburger Modell“. In der Fuggerstadt, mit 300.000 Einwohnern halb so groß wie Essen, gibt es ein Dutzend Taubenschläge mit dem Zweck, die Taubenpopulation zu regulieren.

Der Taubenschlag des Allbau am Kopstadtplatz in der nördlichen Innenstadt wurde viele Jahre lang von der Jugendhilfe Essen betreut.
Der Taubenschlag des Allbau am Kopstadtplatz in der nördlichen Innenstadt wurde viele Jahre lang von der Jugendhilfe Essen betreut. © WAZ | RENNEMEYER, Arnold

Monika Hedtkamp habe er mehrmals seine Unterstützung angeboten, sagt Dirk Bußler. „Aber alle Versuche liefen ins Leere.“ Sein Verein habe der Steeler Arbeitsgruppe zudem mit Taubenfutter ausgeholfen, auch Material für die Erneuerung des Taubenschlags sei besorgt worden. Aber offenbar finden beide Seiten nicht zusammen.

Oberbürgermeister Thomas Kufen appelliert an die Taubenvereine

Ob es dabei auch um die Frage geht, wann Tierschutz an seine Grenzen stößt? „Tauben müssen in der Lage sein, sich selbst zu versorgen“, sagt Monika Hedtkamp. Dirk Bußler sieht da keine Differenzen. Aber die Frage, wann medizinische Hilfe für verletzte oder kranke Tauben sinnvoll ist und wann nicht mehr, scheint unter Tierfreunden durchaus umstritten.

Wie geht es weiter? Der Topf der Stadt sei leer, das Geld sei ausgegeben, sagt Bußler. Unter anderem für einen neuen Taubenschlag. Auf dem Parkhausdach in Steele gibt es derer nun zwei. Elke Zeeb bedauert, dass sich die Vereine nicht einig seien. „Schließlich geht es doch um die Tauben“, sagt die Tierschutzbeauftragte.

Oberbürgermeister Thomas Kufen soll die Taubenvereine aufgefordert haben, sich miteinander zu verständigen. Im Rathaus dürfte man sich derweil die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, den Umgang mit Stadttauben allein dem Ehrenamt zu überlassen.

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