Essen. Das Jobcenter konnte 2024 mehr Arbeitslose vermitteln. Weniger Haushalte, die vom Bürgergeld leben, gibt es dennoch nicht. Im Gegenteil.
Obwohl die Wirtschaft schwächelt, hat das Essener Jobcenter im vergangenen Jahr mehr Menschen in Arbeit gebracht. Wie der Leiter der Behörde, Dietmar Gutschmidt, sagte, konnte seine Behörde 11.200 Langzeitarbeitslose in eine sozialversicherungspflichtige Arbeit oder in eine Ausbildung vermitteln. „Das ist uns in einer schwierigen Zeit gelungen“, betonte Gutschmidt.
Seit Anfang des Jahres galt für die Jobcenter der sogenannte Job-Turbo. Das vom Bund und Land ausgerufene Ziel war es, die Zahl der Integrationen Arbeitsloser 2024 deutlich zu erhöhen. In Essen liegt das Plus bei knapp 500 Vermittlungen oder bei fast fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Das ist ein Erfolg“, unterstrich Sozialdezernent Peter Renzel. Aktuell betreut das Essener Jobcenter rund 25.700 Langzeitarbeitslose.
Die Arbeitslosen begannen überwiegend in Helferjobs zu arbeiten, in Callcentern, im Handel, der Lager/Logistik, aber auch in der Gesundheitsbranche. Gerade in diesem Bereich seien viele Vermittlungen durch Qualifizierung gelungen, heißt es. Die Arbeitgeber zeigen dort wegen des Personalmangels selbst ein hohes Eigeninteresse, meinte Gutschmidt.
Der Jobcenter-Leiter spricht dennoch mit Blick auf den Job-Turbo von einem „schmalen Grat“ für die Behörde. Denn um das Ziel zu erreichen, konzentrierte sich das Amt vor allem auf die Kunden, die als arbeitsmarktnah gelten. Sie haben es leichter, eine Arbeit zu finden, als jene, die älter, sehr viele Jahre ohne Job sind oder bei denen eine Krankheit die Vermittlung schwer macht. Aufgabe des Jobcenters ist es aber auch, solche Menschen wieder an eine berufliche Perspektive heranzuführen.
Zweiter Grund für das Vermittlungsplus: Das Jobcenter brachte jene, die nicht oder kaum Deutsch sprechen, schneller in Arbeit statt sie zunächst in Sprachkursen auf das höchste Niveau zu schulen. Die Devise: Sprache lernen im Job.
Mehr zum Arbeitsmarkt in Essen
- Renzel zu Bürgergeldreform: „Zurück zu Hartz IV reicht nicht“
- Neues Bürgergeld: Mehr Arbeitslose lehnen Arbeit ab
- Kommentar: Beispiel Essen zeigt, wie Bürgergeld die Faulheit fördert
- Höheres Bürgergeld 2024: Soviel bekommen Essener vom Staat
- Ukrainer in Essen sollen schneller Arbeit aufnehmen
- Rätselhaft: Jobboom in Essen und trotzdem mehr Arbeitslose
Doch obwohl mehr Arbeitslose 2024 einen Job gefunden haben, ist beim Jobcenter die Zahl der Bedarfsgemeinschaften weiter gestiegen. Bedarfsgemeinschaften sind all jene Haushalte, die auf das Bürgergeld (früher Hartz IV) angewiesen sind. In Essen dürften das am Ende des vergangenen Jahres etwa über 43.000 Bedarfsgemeinschaften sein und somit rund 1000 mehr als vor einem Jahr. Damit steigen auch die Kosten für die Stadt, die sie für Miete und Heizkosten an die Bürgergeld-Haushalte zahlt.
Mehr Bedarfsgemeinschaften wegen ukrainischer Flüchtlinge
Dass sich das Plus an Vermittlungen in der Statistik nicht niederschlägt, liegt laut Renzel in erster Linie an den ukrainischen Flüchtlingen. Sie erhalten sofort Bürgergeld und ihre Zahl ist in Essen auch 2024 weiter gewachsen. Das Jobcenter betreut derzeit etwa 6300 Ukrainer, die wegen des russischen Angriffskriegs aus ihrer Heimat nach Essen geflohen sind. Sie leben in 3300 Bedarfsgemeinschaften. Bis Ende September vergangenen Jahres kamen über 800 Ukrainer in Essen an. Ohne diesen Kriegseffekt gäbe es in Essen weniger als 40.000 Bedarfsgemeinschaften, was laut Renzel die geringste Zahl seit vielen Jahren wäre.
- Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!
Immer noch aber nehmen vergleichsweise wenige Ukrainer und Ukrainerinnen eine Arbeit auf, obwohl auch das das Ziel des Job-Turbos war. Die Integration sei schwierig wegen der „leider lange dauernden Anerkennungen“ der Berufsabschlüsse, sagte Renzel. Zudem seien unter den Geflüchteten viele Frauen mit minderjährigen Kindern. Renzel: „Das ist dann auch ein Betreuungsthema.“ Etwas mehr als 300 Ukrainer dürften es sein, die 2024 über das Jobcenter eine Arbeit fanden. Das sind knapp 140 mehr als im Jahr zuvor.
Jobcenter Essen will Vermittlungen 2025 erneut steigern
Obwohl die wirtschaftlichen Vorboten für das gerade angebrochene Jahr weiter eingetrübt sind und die Unternehmen zurückhaltend mit Einstellungen bleiben dürften, will das Jobcenter die Vermittlungen nochmals steigern. „Wir werden mit voller Kraft auf das Thema Arbeit setzen“, kündigte Gutschmidt an.
Dabei gilt es auch, mit weniger Geld vom Bund auszukommen. Der zahlt dem Essener Jobcenter in diesem Jahr nur noch 145 Millionen Euro und somit rund 20 Millionen Euro weniger als in diesem Jahr. Für Renzel passt das mit dem Job-Turbo nicht zusammen: Mehr Vermittlungen bedeuteten einen höheren Aufwand und somit auch mehr Geldbedarf. Für das Jobcenter dürfte das bedeuten, das Geld noch stärker für die Gruppen auszugeben, bei denen eine Arbeitsvermittlung am erfolgversprechendsten ist.
[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]