Essen/Mülheim. Fast sechs Jahre nach dem Tod einer 18-Jährigen an der A 52 haben die Richter die Akten endgültig geschlossen. Entscheidende Fragen ungeklärt.

Gina wurde nur 18 Jahre alt. Am 20. März 2019 wurde die Mülheimerin bei einem grausamen Unfall auf der A52 in Essen aus einem McLaren-Sportwagen geschleudert. Am Steuer saß ein Freund. Jetzt steht fest: Verurteilt wird er nicht.

Im nun schon dritten Prozess hat das Essener Landgericht das Strafverfahren am Donnerstag eingestellt. Zuvor hatte sich der Sportwagenfahrer bereiterklärt, 20.000 Euro Schmerzensgeld an Ginas Eltern zu zahlen. Worte der Reue fand er nicht.

Angeklagter McLaren-Fahrer sah aus wie ein Gespenst

Als der inzwischen 29-Jährige den Gerichtssaal betrat, sah er aus wie ein Gespenst in Schwarz. Er hatte sich die Robe seines Verteidigers Roland Rautenberger über den Kopf geworfen, um auf Fotos nicht erkannt zu werden. Auch später blieb er unnahbar.

Der Todesfahrer mit seinen Verteidigern Lars Brögeler (li.) und Roland Rautenberger. Mit einer Robe hatte er sich unsichtbar gemacht.
Der Todesfahrer mit seinen Verteidigern Lars Brögeler (li.) und Roland Rautenberger. Mit einer Robe hatte er sich unsichtbar gemacht. © Jörn Hartwich

Rund zwei Stunden dauerte die Verhandlung. Fast während der gesamten Zeit schrieb der Essener Zeile um Zeile auf Papier – selbst als die Richter den Prozess für eine halbe Stunde unterbrochen hatten, blieb er wortlos auf seinem Platz sitzen und machte sich weiter Notizen.

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„Ich sehe kein Zeichen von Einsicht oder Reue“, sagte Anwalt Michael Noll, der Ginas Vater vor Gericht vertrat. „Auch, als über den Tod des Mädchens gesprochen wurde, gab es keine Reaktion.“ Über die psychische Verfassung des Vaters sagte Noll nur diese Sätze: „Der Mann ist ein Wrack.“ Er stürze sich in die Arbeit, um zu verdrängen.

Auch für Ginas Mutter nimmt der Alptraum offenbar kein Ende. „Die vielen Prozesse – und jetzt auch noch Weihnachten – das ist kaum zu ertragen“, sagte ihr Anwalt Jörg Küpperfahrenberg am Rande des Prozesses.

Kontrolle über den 570 PS starken Boliden verloren

Es war schon dunkel, als der Anklagte Gina zu einer Spritztour in seinem McLaren einlud. Den Wagen hatte er erst zwei Tage vorher übernommen: giftgrün, 570 PS, in 3,2 Sekunden von 0 auf 100. Die Fahrt ging auf die A52, der damals 24-Jährige gab Gas. Nach wenigen Kilometern kam der Wagen von der Fahrbahn nach rechts ab, durchbrach die Leitplanke, schoss eine Böschung entlang und prallte gegen einen Baum. 

Der seiner Karosserie entkleidete Motorblock des 570-PS-Boliden wird am Fahrbahnrand geborgen
Der seiner Karosserie entkleidete Motorblock des 570-PS-Boliden wird am Fahrbahnrand geborgen © WTVnews | WTVnews

Das Auto wurde regelrecht zerrissen. Gina hatte keine Chance. Der Angeklagte blieb wie durch ein Wunder nahezu unverletzt. Wie schnell der Fahrer war, als er bei gerader Strecke die Kontrolle über den Wagen verlor? Ein Gutachten, das für einen der früheren Prozesse erstellt wurde, ermittelte eine mutmaßliche Geschwindigkeit zwischen 210 und 330 km/h. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung gab es an dieser Stelle nicht.

In einem ersten Prozess hatte das Amtsgericht Essen im August 2020 den Sohn aus wohlhabenden Verhältnissen wegen fahrlässiger Tötung zu 14 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Im Jahr darauf wurde die Entscheidung vom Landgericht als Berufungsinstanz bestätigt. Doch auch damit war nicht Schluss. Das Oberlandesgericht Hamm hat das Berufungsurteil später wieder gekippt. Begründung: widersprüchlich und lückenhaft. Deshalb musste der Fall nun erneut verhandelt werden.

Was genau zum Unfall führte, kann wohl nie mehr geklärt werden

Das Problem: Bis heute kann offenbar nicht sicher festgestellt werden, warum der Angeklagte die Kontrolle über seinen Wagen verloren hat. Vor Gericht war viel über eine Bodenwelle gesprochen worden. Doch auch da hätte der McLaren nach Angaben eines Gutachters wohl selbst bei extremer Geschwindigkeit keine Probleme bekommen.

Aber was ist passiert? Hat der 29-Jährige eine unbedachte Lenkbewegung gemacht? Ist ein Spoiler abgerissen und hat den Wagen aus der Balance gebracht? Diese Fragen werden wohl nie geklärt werden. Am Ende zog der Angeklagte seine Kappe tief ins Gesicht und verließ wortlos den Saal. Ginas Eltern waren diesmal nicht ins Gericht gekommen.

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