Essen. Stadt soll nach Niederlage vor Gericht „alle Rechtsmittel ausschöpfen“, um Einschränkungen für Autos auf der Rüttenscheider Straße zu erhalten.
Aus Sicht des Allgemeine Deutschen Fahrradclubs (ADFC) ist die Stadt Essen die Autoverdrängung und Fahrradbevorzugung auf der Rüttenscheider Straße inkonsequent und „zu vorsichtig angegangen“ und habe vor dem Verwaltungsgericht dafür nun die Quittung bekommen: „Eine deutlichere Verkehrsregelung, wie die Einrichtung von echten gegenläufigen Einbahnstraßen, wäre allen Verkehrsteilnehmenden entgegen gekommen“, so der AFDC.
Der ADFC reagiert damit auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, das am Freitag (8.11.) einer Klage des Unernehmens ifm electronic GmbH im Eilverfahren stattgab. Die Firma hatte sich erfolgreich gegen die Abbiegezwänge gewandt, die am südlichen Ende der Huyssenallee die direkte Weiterfahrt in die Rüttenscheider Straße unterbinden. Dort hat das Unternehmen seinen Sitz und beispielsweise auch eine Tiefgaragenzufahrt.
ADFC fordert von der Stadt Essen mehr Härte gegen Autofahrer, die neue Regeln missachten
Die Stadtverwaltung sei nun aufgefordert, die Versäumnisse zu heilen, die vor Gericht zur Sprache kamen, etwa die Fahrradstraße bis zur Einmündung in die Huyssenallee auszudehnen. Ein Nachgeben der Stadt lehnt der ADFC ausdrücklich ab. Vielmehr müsse man „alle Rechtsmittel ausnutzen, um eine Verbesserung für den Radverkehr durchzusetzen“. Denn die Reduzierung des Kfz-Durchgangsverkehrs auf der Rü sei alternativlos. Dazu gehöre auch mehr Härte gegen Autofahrer, die die neuen Regeln missachteten.
Die Essener Industrie- und Handelskammer hat von der Stadt Essen hingegen gefordert, nach der Niederlage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen das juristische Für und Wider um die Abbiegezwänge an der Rüttenscheider Straße nicht zur „Hängepartie“ werden zu lassen.
IHK appelliert an die Stadt, die Interessen des Einzelhandels zu beachten
„Diese neue Ungewissheit ist für unsere Unternehmerinnen und Unternehmer aus Rüttenscheid unbefriedigend. Wir befinden uns bereits in der vorweihnachtlichen Zeit und somit in der umsatzstärksten Phase für den Einzelhandel. Und wir hören von Rüttenscheider Gewerbetreibenden, dass sich die neue Verkehrsregelung bereits negativ auf ihr Geschäft auswirkt“ erklärte IHK-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Groß am Dienstag (12.11.).
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Die Stadt muss diese Maßnahme, die eine von mehreren zur Verdrängung des Autoverkehrs auf der Rü ist, nun vorläufig rückabwickeln. Oberbürgermeister Thomas Kufen behält sich aber vor, Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einzulegen, um den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu kippen.
Das empfindet die IHK-Spitze offenkundig als keine gute Idee. „In ohnehin schon herausfordernden Zeiten brauchen unsere Unternehmerinnen und Unternehmer stabile Rahmenbedingungen, Planbarkeit und Sicherheit. Eine erneute Hängepartie durch ein Berufungsverfahren rund um die Rü ist das genaue Gegenteil!“
Die Essener CDU, die gemeinsam mit den Grünen die neue Verkehrsführung in Rüttenscheid beschloss, plädiert dafür, dass sich die Stadt vor weiteren Entscheidungen zunächst juristischen Rat einholt, was offenbar auch geschehen soll. „Dies sollte schnell durch einen unabhängigen Verwaltungsrechtsexperten geschehen“, fordert Ratsfraktionschef Fabian Schrumpf. „Für uns als CDU steht jedenfalls fest, dass wir für alle Seiten Klarheit brauchen.“
Interessengemeinschaft Rüttenscheid: Gesamte neue Verkehrsführung erst einmal aussetzen!
Die Interessengemeinschaft Rüttenscheid fordert nach dem Gerichtsbeschluss hingegen schon jetzt schnelle und umfassende Konsequenzen. Nach Ansicht des IGR-Vorsitzenden Rolf Krane muss die Stadt nicht nur die Abbiegezwänge an der Huysssenallee, sondern auch alle anderen entlang der Rü vorerst aussetzen. „Man kann aus einem System nicht ein einzelnes Teil herausbrechen“, so Krane. Wenn Autos von der Huyssenallee wieder direkt auf die Rü weiterfahren dürften, „dann wird die jetzt schon schwierige Situation am Rüttenscheider Stern noch schwieriger, weil dort dann noch mehr Autos vor die nächste Sperre fahren.“
Unterdessen nahm am Dienstag (12.11.) auch die parteipolitische Diskussion fahrt auf. „Nachdem auf einen überstürzten Ratsbeschluss durch Schwarz-Grün eine schlecht kommunizierte Umsetzung folgte, wurde nun die geänderte Verkehrsführung auf der Rüttenscheider Straße vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in Teilen einkassiert“, kritisiert die Essener SPD. CDU und Grüne hätten einen „fahrlässig herbeigeführten Schaden“ produziert. Dieser sei nicht nur finanzieller Natur, sondern beschädige auch das Ansehen der Stadt und das Vertrauen in Verwaltungshandeln. „Das grenzt an Totalversagen“, kritisiert Ratsfraktionschef Ingo Vogel.
SPD sieht Rückschlag für die „dringend notwendige Verkehrswende in Essen“
„Um weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden, müssen wir das Chaos so schnell wie möglich beseitigen und uns endlich die Zeit für eine gemeinsam erarbeitete Lösung nehmen, die einen Mehrwert für die Menschen bringt und nicht nur Umwege“, so Vogel. Man werde im Stadtrat eine Anfrage stellen, „die den Sachverhalt lückenlos aufklärt und den finanziellen Schaden beziffert“
Die Essener SPD ist dabei nicht gegen die „Verkehrswende“ weg vom Auto, im Gegenteil wurde dies jüngst noch einmal programmatisch bekräftigt. „Ein wenig mehr Weitsicht hätte zweifelsfrei eine beachtliche Strahlkraft auf ganz Essen und das Gelingen der Verkehrswende gehabt“, kritisiert Ratsfrau Julia Klewin, die auch Oberbürgermeister-Kandidatin der SPD ist. Die Politik von CDU und Grünen hätte nun aber einen „Rückschlag für die dringend notwendige gerechtere Verteilung des Verkehrsraums in Essen“ zur Folge, so Klewin.
EBB und AfD fordern getrennt voreinander die Rücknahme der neuen Verkehrsführung
Andere Akzente setzt das Essener Bürger Bündnis EBB: „OB Kufen und die Verwaltung sind mit der Autoverdrängung an der RÜ auf dem Holzweg. Dieser Beschluss der Verwaltungsgerichtes ist nun ein klares Signal, dass die Verkehrsplanung endlich realistisch an den Bedürfnissen aller Verkehrsteilnehmer ausgerichtet werden muss“, erklärt Fraktionschef Kai Hemsteeg.
Anstatt eine Entlastung zu schaffen, hätten die Maßnahmen zu einem gefährlichen Nadelöhr geführt, das den Verkehr behindert und die Verkehrssicherheit gefährdet. „Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger sind gleichermaßen frustriert“, betont Hemsteeg. Das Gerichtsbeschluss müsse Anlass sein, die gesamte neue Rü-Verkehrsführung zur Autoverdrängung zurückzunehmen, auch diejenige Details, die nicht Thema vor Gericht waren, fordert das EBB.
So ähnlich sieht es auch die Essener AfD. Die „übertriebene Bevorzugung des Fahrradverkehrs auf dieser bedeutenden Straße“, sei schlicht falsch, heißt es in einer Mitteilung. „Statt ideologischer Verkehrsexperimente braucht Essen eine vernünftige Verkehrspolitik, die auch vom Bürger akzeptiert wird.“ Es sei an der Zeit, alle Verkehrsmaßnahmen auf der Rü auf den Prüfstand zu stellen.
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