Essen. Mit hoffnungslos überfüllten Schlauchbooten aus geheimen Lagern um Essen über den Ärmelkanal: Was ein Undercover-Reporter des Senders herausfand.
Für 15.000 Euro über den Ärmelkanal, dem Ziel ihrer langen Reise: Ein wirklich „guter Preis“ soll das sein für jene Flüchtlinge, die unbedingt auf die britische Insel wollen. Und ihren Anfang nimmt die abenteuerliche Fahrt in den mit 60 Personen hoffnungslos überfüllten Schlauchbooten in – Essen. So jedenfalls hat es ein Undercover-Reporter des britischen Senders BBC erfahren, der sich fünf Monate in der Menschenschmuggler-Szene bewegte und seinen Bericht am Freitag veröffentlichte.
Der Reporter gab sich als Flüchtling aus, der illegal ins Vereinte Königreich weiterreisen wollte. Man traf sich am Essener Hauptbahnhof, ging fürs Gespräch ins Café Extrablatt am nahegelegenen Kennedyplatz und erörterte dann die Konditionen für die Fahrt. Belegt werden die Recherchen des Journalisten durch Aufnahmen mit versteckter Kamera, die Gesprächsinhalte werden in dem Filmbeitrag nachgesprochen, weil Tonaufnahmen ohne das Einverständnis des Gegenübers in Deutschland nicht erlaubt sind.
Für 15.000 Euro ist das Boot zu haben, der mögliche Gewinn beträgt ein Vielfaches
Die Organisatoren der Flucht sind laut BBC irakische und syrische Staatsangehörige kurdischer Herkunft, die Schlauchboote, normalerweise zugelassen für zehn Passagiere, sollen an etwa zehn Standorten in und um Essen eingelagert sein: Material aus China, das über die Türkei ins Land kommt.
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Wer das Geld dafür auf den Tisch legt, erhält Boot und Motor, Benzin und Equipment samt 60 (!) Rettungswesten, bereit für den Abtransport in die Nähe der französischen Küste bei Calais. Der Gewinn für die Schmuggler ist gigantisch, der BBC-Reporter taxiert die Kosten pro Kopf für eine Überfahrt auf 2000 Euro, voll besetzt würden also 120.000 Euro zusammenkommen, die den 15.000 Euro an Ausgaben gegenüberstehen. Das ließe sich noch steigern, wenn die zur Flucht wild entschlossenen ihr Boot selber abholen: macht 8000 Euro.
Bei einer Razzia sei neulich ein Lager-Standort für die Bootsflotte aufgeflogen, die anderen seien jedoch weiter in Betrieb, so heißt es. Dem Bericht nach bekommen die Schmuggler die Razzia-Termine gesteckt, und legen der Polizei „Köder“ hin, deren Verlust ihr Geschäft nicht wirklich torpediert.
Warum die Flucht von Essen aus organisiert wird, will der BBC-Reporter wissen? Eine Frage „der Logistik und der Sicherheit“ wird ihm beschieden. Essen sei halt nur fünf Autostunden von der Region Calais entfernt, nah genug, um bei einer guten Wetterprognose schnell dort hin zu kommen, und nicht so nahe bei den besser bewachten Stränden Nordfrankreichs.