Essen. Horst Gehle galt als Kult-Fan an der Hafenstraße. Mit 74 Jahren ist er gestorben. Bei Rot-Weiss Essen nannten ihn alle „Glockenhorst“.
Horst Gehle ist tot. Horst wer? Seinen Namen kannten wohl nur die wenigsten. Aber alle kannten ihn als „Glockenhorst“. Als Fan von Rot-Weiss Essen erlangte er Kultstatus. Am vergangenen Sonntag (20. Oktober) ist „Glockenhorst“ tot aufgefunden worden. Nachbarn hatten am frühen Abend die Polizei alarmiert. Die fand den 74-Jährigen in seiner Wohnung im Eltingviertel. Offenbar lag der Leichnam dort schon mehrere Tage.
In der Fan-Gemeinde ist die Anteilnahme groß und aufrichtig. Beim Heimspiel gegen den SC Verl am Mittwochabend (23. Oktober) an der Hafenstraße wollen sie auf der „Alten West“ seiner gedenken. Womöglich läuten dann ein letztes Mal die Glocken, die er seit vielen Jahren erklingen ließ, wenn seine Rot-Weissen aufliefen – an der Hafenstraße oder bei Auswärtsspielen. „Glockenhorst“ war fast immer dabei. „Irgendwie hat er es immer geschafft“, sagt „Sandy“ Sandgathe, inoffizieller Vereinssänger und einer der wenigen, die ihn näher kannten. Denn auf Rosen gebettet war „Glockenhorst“ nicht. Im Gegenteil.
Rot-Weiss Essen würdigt „Glockenhorst“ als eine prägende Figur in der Fankultur des Vereins
Nun wird er fehlen. Sein Verein hat dafür Worte gefunden, die ihm wohl gefallen hätten. „Als treuer und unverwechselbarer Fan von Rot-Weiss Essen war er über Jahrzehnte hinweg eine prägende Figur in der Fankultur unseres Vereins. Seine Leidenschaft, sein unermüdlicher Einsatz und seine tiefe Verbundenheit zu RWE werden für immer unvergessen bleiben.“ In den sozialen Medien wünschten ihm zahlreiche RWE-Fans, er möge in Frieden ruhen.
Auch Oberbürgermeister Thomas Kufen äußerste sich dort: „Mein tiefes Mitgefühl gilt allen, die um ihn trauern“, schreibt Kufen auf Facebook. „Die Stadt und der Verein Rot-Weiss Essen werden Horst immer ein ehrendes Andenken bewahren.“ Seinen Beitrag endet der OB in Anlehnung an Opa Luscheskowski, die Fan-Hymne, die sie im Stadion stets vor dem Anstoß anstimmen: „... und oben angekommen, da ging es ziemlich flott, da sang er mit den Engeln und mit dem lieben Gott: Wir werden Essen nie ‚vergessen.‘ Ruhe in Frieden Horst.“ „Glockenhorst“, wo bist Du nur geblieben, möchte man hinzufügen.
Mit großer Trauer habe ich am gestrigen Abend die Nachricht über den Tod von „Glockenhorst“ vernommen. Sein ganzes Leben...
Posted by Thomas Kufen on Monday, October 21, 2024
Fans von Rot-Weiss Essen erlebten „Glockenhorst“ als kauzig und gesellig
Als kauzigen Typ im Rollstuhl, der den Fußball liebte und sein Stauderbier, als etwas verschroben, aber gesellig, so haben ihn viele erlebt. Wer sich aber umhört und fragt, wer war dieser Horst Gehle, den alle nur „Glockenhorst“ nannten, der erfährt sehr wenig über den Menschen hinter der „Kult-Figur“.
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Thomas Nawrocik, lange Jahre Pfarrer in der Evangelischen Altstadt-Gemeinde, kannte Horst Gehle mehr als drei Jahrzehnte lang; seine Pfarrstelle hatte Namrocik 1991 angetreten. Gehle beschreibt er als „jemanden, an dem man nicht vorbeikam“ im Viertel. Als jemanden, der gerne von sich erzählte. Dichtung oder Wahrheit? Wer mochte das unterscheiden?
Und er beschreibt ihn als einen sehr gottesfürchtigen Menschen. In seinem Leben war Gehle falsch abgebogen. Zu Gott und Jesus fand er, als er im Gefängnis saß, so hatte er es selbst erzählt. Das Hallelujah, das er seinem Gegenüber mit einem „Nur der RWE“ entgegen schmetterte, „das hat er ernst gemeint“, sagt Thomas Nawrocik.
Horst Gehle hatte Autoschlosser an einer Tankstelle gelernt. Sein Brot verdiente er als Verkäufer einer Sonntagszeitung. Daher die Glocke, mit der er Kunden auf sich aufmerksam machte. Die Glocke nahm er mit zu einem Auswärtsspiel in Aachen, um sie für seinen RWE zu läuten. Aus Gehle wurde „Glockenhorst“.
Als junger Mann war „Glockenhorst“ ein erfolgreicher Boxer, heißt es
Er selbst hatte als junger Mann geboxt, und das erfolgreich. Nur wegen einer Handverletzung soll ihm die Teilnahme bei den Olympischen Spielen 1968 verwehrt geblieben sein, so heißt es. „Dass er früher mal richtig trainiert hat“, habe man sehen können, erzählt Thomas Nawrocik. Ein Video aus jüngerer Zeit, auf dem zu sehen ist, wie er Fans von Rot-Weiß Oberhausen zum Kampf herausfordert, ging viral. Als Betrachter ist man hin- und hergerissen, soll man schmunzeln oder Mitleid haben? Ist das Kult, oder macht sich da jemand lächerlich?
Im Essener Eltingviertel lebte Horst Gehle alias „Glockenhorst“ zurückgezogen
Für Horst Gehle aber war „Glockenhorst“ die Rolle seines Lebens. Als „Glockenhorst“ erfuhr Gehle Aufmerksamkeit und Anerkennung, die ihm sonst verwehrt geblieben wäre. Als „Glockenhorst“ schaffte er es auf ein Sondertrikot, das RWE anlässlich des Jubiläums „100 Jahre Hafenstraße“ herausgab. Rot-Weiss Essen wird ihn am Mittwoch im Stadion mit einer Gedenkminute ehren. Nicht jedem, der sich für den Verein engagiert, wird diese Ehre zuteil.
Dass Horst Gehle jenseits seiner Paraderolle zurückgezogen lebte, gerät darüber leicht in Vergessenheit. „Menschlich war er ein Eigenbrötler“, sagt Thomas Nawrocik. Solange es ging, die Gesundheit mitspielte und er noch nicht auf Hilfe angewiesen war, schlug Gehle sich mit Gelegenheitsjobs durch. Trost fand er im Alkohol. Die Wohnung, in der er tot aufgefunden wurde, war die elterliche. Gehle war vor vielen Jahren nach dem Tod seines Vaters dorthin zurückgekehrt, um seiner Mutter beizustehen, weiß der ehemalige Gemeindepfarrer. Allein ist Horst Gehle dort gestorben.
Die Fan- und Förderabteilung von Rot-Weiss Essen bemüht sich nun darum, dass er auf dem „RWE-Fan-Friedhof“ der evangelischen Kirchengemeinde Borbeck-Vogelheim beigesetzt wird, sofern hinterbliebene Verwandte damit einverstanden sind. Es heißt, es wäre sein großer Wunsch gewesen.
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