Essen. Essens Kämmerer Gerhard Grabenkamp sieht den Hebesatz für Wohngrundstücke ab 2025 „nicht unter 670 Prozent“ – trotz Vorzugs-Variante.
Wenn für Müllabfuhr und Abwasser, für Straßenreinigung oder Winterdienst mit schöner Regelmäßigkeit ein paar Euro mehr fällig werden, sind tiefe Seufzer über die „zweite Miete“ unüberhörbar. Dabei dürfte 2025 ein anderer Posten in der Nebenkosten-Abrechnung dieses Gebührenplus locker in den Schatten stellen: Die von Grund auf neu kalkulierte Grundsteuer beschert voraussichtlich zehntausenden Wohneigentümern und Mietern in Essen satte Mehrkosten. Manch einer zahlt danach hunderte Euro im Jahr mehr als bisher.
Die Stadt Essen will ihre neu berechneten Steuersätze erst Ende November preisgeben
Wie viel genau, ist noch nicht raus, weil die Stadt Essen an diesem Mittwoch (25. September) zwar den Stadt-Etat für die kommenden beiden Jahre vorlegt. Die entscheidenden Hebsätze für die Grundsteuer berechnet sie aber erst rechtzeitig zur Haushalts-Verabschiedung Ende November.
Allerdings hat das Land NRW vor einiger Zeit schon mehr als nur einen Anhaltspunkt geliefert, wohin die Reise geht: Um zu verhindern, dass die Kommunen im Lande die komplette Neu-Berechnung der Grundsteuer für klammheimliche Steuererhöhungen nutzen, veröffentlichte sie für jede Stadt einzeln den „aufkommensneutralen“ Hebesatz, sprich: den Prozentsatz, der nötig ist, um das bisherige Steueraufkommen zu erreichen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Überschlägige Rechnungen zeigen: Für Eigenheime sind schnell einige hundert Euro zusätzlich fällig
In Essen liegt diese Ziellinie bei rund 136 Millionen Euro, und auf diese Summe kommt die Stadt nach der Kalkulation des Landes, wenn sie für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke (Grundsteuer A) den Hebesatz auf 390 Prozent festsetzt und für bebaute wie unbebaute Grundstücke (Grundsteuer B) einen Hebesatz von 839 Prozent einführt. Weil sich aber schon früh herausschälte, dass das Berechnungsverfahren der „neuen Grundsteuer“ nach dem sogenannten Ertragswert Wohn-Grundstücke besonders belastet, hingegen Geschäftsgrundstücke spürbar preiswerter macht, räumt man die Möglichkeit ein, Immobilien mit und ohne Wohnnutzung unterschiedlich zu besteuern.
Und auch für die hat man die Hebesätze bereits parat. Danach empfiehlt das Land mit Stand September für Wohngrundstücke einen Grundsteuer-Hebesatz von 647 Prozent, für Nicht-Wohngrundstücke von 1353 Prozent. Da die überwältigende Zahl der Wohn-Eigentümer bereits einen Steuerbescheid für ihre Immobilie vorliegen hat, lässt sich danach die Grundsteuer-Belastung ab 2025 kalkulieren. Erste Beispiele zeigen: Auch die günstigere, weil nach Wohnnutzung gesplittete und deshalb reduzierte Variante kommt bei manchem deutlich teurer als bisher; für Eigenheime sind schnell einige hundert Euro zusätzlich fällig. Dass es bei einem Einheits-Hebesatz der Grundsteuer B noch mehr wäre, ist da nur ein schwacher Trost.
„Ich halte nicht viel von diesen Empfehlungen“, sagt Essens Stadtkämmerer über die Hebesätze des Landes
Der städtische Finanzchef Gerhard Grabenkamp warnt gleichwohl davor, die Hebesatz-Berechnungen des Landes schon jetzt für bare Münze zu nehmen: „Ich halte nicht viel von diesen Empfehlungen“, sagt Essens Stadtkämmerer und sieht wie viele seiner Amtskollegen in den Nachbarstädten „erheblichen Korrekturbedarf“: „Die Zahlen sind einfach nicht belastbar“, die Stadt habe definitiv eine bessere Daten-Grundlage. Umso unglücklicher ist Grabenkamp nach eigenem Bekunden darüber, „dass hier unnötig Unsicherheit geschürt wird“.
Tatsache ist allerdings wohl auch: Die Richtung, in welche die Zahlen des Landes zeigen, stimmt, und wenn in der November-Sitzung des Essener Stadtrates die neuen Zahlen präsentiert werden, liegen diese für Mieter und Wohneigentümer eher noch höher: Für Wohn-Grundstücke werde der Hebesatz „nicht unter 670 Prozent“ liegen, so Grabenkamp. Das wäre zwar der gleiche Steuersatz wie bisher, er sorgt aber, weil er auf deutlich höhere Summen angewandt wird, auch für spürbar höhere Kosten.
Die sind dann ab 2025 zu berappen, auch wenn das letzte Wort über die Grundsteuer-Höhe damit keineswegs gesprochen ist. Denn zehntausende Essener Wohneigentümer haben bereits Einsprüche gegen die Wert-Berechnungen der Finanzämter eingelegt, und viele dürften notfalls auch vor Gericht gegegn die Festsetzungen klagen. Der Streit um die Grundsteuer, er ist längst noch nicht entschieden.