Essen. Wenn andere schlafen, sind Essens Müllwerker schon im Einsatz. Wir haben vier Männer begleitet. Ein Blick in den Abfall einer Großstadt.
Montag, 6.30 Uhr. Nur wenige Autos sind an diesem Morgen unterwegs und werfen mit ihren Scheinwerfern Licht auf die dunklen, leer gefegten Straßen. Die letzten Regentropfen auf der Windschutzscheibe von Yusuf Allouche und seinen drei Kollegen sind getrocknet. Sie haben es sich auf der vorderen Sitzbank des Müllwagens bequem gemacht: Die Arbeit ruft. Ihre heutige Restmüll-Tour starten die Mitarbeiter der Entsorgungsbetriebe Essen (EBE) – so wie an jedem Montag – in einer kleinen Seitenstraße in Essen-Holsterhausen. Ein Kellerrevier.
In der engen Gasse angekommen, bleibt Fahrer Hamdi Ben Ammar stehen. In seiner orangen Warnkleidung läuft Müllwerker Martin Lach vor und öffnet die erste Haustür. Über mehrere Stufen muss er vier volle Tonnen nach oben ziehen. Lange dauert es nicht, bis dem glatzköpfigen Mann mit kräftigem Oberkörper der Schweiß von der Stirn tropft. „Das Schlimmste ist, wenn die Leute ihr Katzenstreu in der Tonne entsorgen.“ Das ist zwar erlaubt, „aber dadurch wird die Tonne besonders schwer“, sagt er, als er die Behälter nach oben hievt.
Während Yusuf Allouche am Fahrzeug steht und die Tonnen in die Aufhängung bugsiert, klirrt es in der großen Trommel des Müllwagens so, als sei Glas hineingefallen. „Die Leute schmeißen alles Mögliche in die Restmülltonne“, sagt der 29-jährige Vorarbeiter, der seit vier Jahren bei den EBE ist.
Restmüll-Entsorgung: 2022 waren 39,9 Prozent Bioabfall
„Eigentlich darf nur Müll in die Restmülltonne, der sonst in keine andere Tonne kann und nicht recycelbar ist“, erklärt Allouche. Doch die vier Männer kennen die Tricks. „Viele entsorgen auch ihren Bauschutt oder Grünschnitt in der Restmülltonne und legen dann etwas drüber, um das zu verdecken. Dann kriegen wir sie kaum hoch.“
Restmülltonne: Was darf rein, was nicht?
Bis 2030 will die Europäische Union die nicht-recycelbare Restmüllmenge halbieren. Wichtig hierfür sei die korrekte Trennung. So dürfen laut Webseite der Essener Entsorgungsbetriebe beispielsweise gekochte Essensreste, Fleisch, Abfälle aus dem Hygienebereich (Windeln, Pflaster, Papiertaschentücher), Staubsaugerbeutel, Kehricht und ausgekühlte Asche sowie Kleintierstreu, verschmutzte Wertstoffe, Zigarettenkippen und Medikamente in den Restmüll.
Auf keinen Fall aber sollten Schadstoffe wie Farbe, Batterien oder Elektrogeräte in der Grauen Tonne entsorgt werden.
Weitere Infos zur richtigen Mülltrennung finden Sie hier.
Fehlbefüllungen, die auch aus Zahlen des Umweltbundesamts hervorgehen. So fielen im Jahr 2022 deutschlandweit pro Kopf 438 Kilogramm Haushaltsabfälle an – 34 Prozent davon, also etwa 151 Kilogramm waren Restmüll. Doch nicht nur zugelassener Abfall landete in der Grauen Tonne: Im Schnitt waren 39,9 Prozent davon Bioabfall und 27,6 Prozent Wertstoffe wie Altpapier, Verpackungsabfälle oder Elektroaltgeräte. Müll, der bei korrekter Entsorgung verwertet werden könnte.
Grünschnitt in Restmülltonnen: „Fängt richtig an zu stinken“
„Grünschnitt fängt irgendwann auch richtig an zu stinken, allein kriegt man die Tonne gar nicht mehr hoch“, berichtet der Vorarbeiter. Doch auch einen kleinen Kühlschrank oder eine Mikrowelle hätten die Müllwerker in der Vergangenheit in den Tonnen schon entdeckt. „Manchmal wundert man sich auch, wenn man neue Klamotten im Müll entdeckt. Darüber würden sich andere bestimmt noch freuen“, sagt der Essener, bevor er wieder aufs Trittbrett steigt.
- Lesen Sie auch: Ist Mülltrennung wirklich sinnlos? Fünf populäre Irrtümer
Den nächsten Hinterhof kennt das Team besonders gut. „Hier gucken wir vorher extra in die Tonnen rein, bevor wir sie zum Fahrzeug bringen. Wir wissen ja, wie die Menschen manchmal ihren Müll entsorgen“, erklärt der Vorarbeiter. Die Klappe des großen Müllbehälters steht halboffen, zwischen leeren Frischkäseverpackungen, Maisdosen und Pappe haben die Bewohner noch eine dreckige Windel gequetscht. Als Allouche den Deckel ganz öffnet, schwirren kleine Fliegen heraus.
Schwieriger wird es für die Männer dann etwa eine halbe Stunde später. Auf der Straße nebenan hat sich der Verkehr längst gestaut, als Allouche aus dem Keller ruft: „Schaut mal her!“ Fünf Tonnen stehen nebeneinander in dem kleinen Raum, Tüten quellen aus den Behältern, daneben ein großer Pappkarton und mehrere Müllsäcke auf dem Boden. Der 29-Jährige hebt einen der Säcke an und zeigt auf die angeknabberte Ecke links unten. „Hier sind Ratten unterwegs. Wenn mir gleich ein Tier entgegenkommt, lasse ich den Müll stehen“, sagt er und öffnet vorsichtig den Deckel einer Tonne. Doch es scheint, als hätten sich die Nager nur über die Säcke am Boden hergemacht.
Essener Restmüll wird im Müllheizkraftwerk in Karnap verbrannt
Mitnehmen müssten sie die vollgestopften Tonnen und die schwarzen Säcke nicht, erklärt Allouche. Doch nach und nach ziehen sie die Behältnisse dann über die Treppenstufen nach oben zum Fahrzeug. „Sonst haben wir in einer Woche wieder dasselbe Problem“, schnauft der Essener.
Mittlerweile ist es etwa 10.30 Uhr. Die Müllwerker bugsieren die letzte Tonne in die Aufhängung. Die Trommel ist voll. Bevor es weitergehen kann, muss Fahrer Hamdi Ben Ammar den Inhalt zum Müllheizkraftwerk in Essen-Karnap bringen. Dort werde er „thermisch verwertet“, also verbrannt. Die drei Müllwerker lassen sich auf die vordere Sitzbank des Wagens fallen und ziehen ihre Handschuhe aus. Zeit für die Mittagspause.