Essen. Die Spitzenorchester buhlen um den jungen Finnen Klaus Mäkelä. In der Essener Philharmonie kann man den Dirigenten nun gleich mehrfach erleben.

Wer mit 28 Jahren zum begehrten Gastdirigenten der Weltspitzenorchester avanciert ist, darf mit Recht als Senkrechtstarter bezeichnet werden. Und doch macht Klaus Mäkelä am Pult einen eher bescheidenen, mit schwarzem Anzug und Fliege äußerlich unauffälligen Eindruck: nicht der Typ eines Draufgängers oder eitlen Egozentrikers, sondern eines seriösen Musikvermittlers. So erlebte man den Finnen im ersten von drei Konzerten, das er als diesjähriger Portraitkünstler der Philharmonie mit dem Royal Concertgebouw Orchestra als sein designierter Chefdirigent bestritt.

„Verklärte Nacht“ in Essen: Die inneren Qualen der Frau werden hörbar

Bemerkenswert schon, dass er nicht mit einem Schlachtross à la „Don Juan“ eröffnete, sondern mit Schönbergs filigranem Frühwerk „Verklärte Nacht“. Mäkelä liefert mit dem exzellenten Streicherapparat des Orchesters ein psychisches Seismogramm und schildert zwischen zart-silbrigem Spinnweb und fiebriger Leidenschaft die inneren Qualen der Frau, die ihrem Liebhaber gesteht, dass sie ein Kind von einem Anderen erwartet. Eine subtil abschattierte Schwarzweißzeichnung von enormer Ausdrucksintensität.

Ein Mahler zum Hinhören sorgt für langen, heftigen Applaus in Essen

Gustav Mahler und das Concertgebouworkest gehören spätestens seit Bernard Haitinks prägenden Einspielungen eng zusammen. Da konnte Mäkelä jetzt bei der Sinfonie Nr. 1 ganz auf die Kompetenz der Amsterdamer vertrauen, ließ aber durchaus seine eigenen Schwerpunkte erkennen. Der akzentuierend und energisch antreibende Finne setzte nicht auf opulenten Klangrausch oder titanischer Kraftmeierei, sondern bot Mahler zum Hinhören – behutsam zelebriert, klug disponiert mit Blick auf die zyklische Form des Einstünders und aus mystischer Tiefe entfaltet: Naturgemälde mit wunderbaren Holzbläserfarben, derber Ländler und Trauermarsch samt herausjuchzender Klezmer-Klarinette, die ganze expressive Widersprüchlichkeit Mahlers bis zur Schluss-Apotheose, die nicht zuletzt dank des aristokratischen Blechs zum hoch kultivierten Genuss geriet. Langer, heftiger Applaus im Alfried-Krupp-Saal.

Am 19. Dezember gastiert Klaus Mäkelä mit den Wiener Philharmonikern und Mahlers „Sechster“. Infos und Tickets unter www.theater-essen.de