Essen. Ex-Spieler Ron Berlinski war bei den Fans von Rot-Weiss Essen besonders beliebt. Mit 26 Jahren schaffte er noch den Sprung in den Profi-Fußball.

Wenn die Elf von Rot-Weiss Essen am Samstag (3. August) gegen Alemannia Aachen auf dem Platz steht, wird einer fehlen, den die Fans in den vergangenen beiden Jahren besonders gefeiert haben. Stürmer Ron Berlinski hat nach Ende der Saison 2023/2024 keinen neuen Vertrag bekommen. Er spielt jetzt in der Regionalliga Südwest für die Kickers Offenbach. Mit dem Aus bei RWE endet für den 29-Jährigen aus Bochum-Wattenscheid ein besonderes Kapitel seines Fußball-Märchens.

Mit 26 schaffte der gelernte Kfz-Mechatroniker noch den Sprung in die Profi-Karriere. Das ist im Fußball eine echte Besonderheit, denn in der Regel ist es in diesem Alter schon viel zu spät: Die meisten Profifußballer sind schon als Kinder und Jugendliche in den Nachwuchsleistungszentren der großen Vereine gefördert worden.

Ron Berlinski tauschte den Beruf als Kfz-Mechatroniker gegen die Fußball-Karriere

„Mir hat Fußballspielen immer Spaß gemacht“, sagt Berlinski. Seine Eltern erzählen ihm später: Schon als er drei oder vier Jahre alt war, habe er gegen alles getreten, was auf dem Boden lag. In der Jugend spielt er bei verschiedenen Bochumer Vereinen, später beim RSV Meinerzhagen. „Man fragt sich natürlich schon: Wo ist das Ende der Fahnenstange?“, so Berlinski. Es ist mit der Oberliga noch nicht erreicht.

Profi zu werden, das sei für ihn ein Wunschtraum gewesen. Er habe eigentlich das Ziel gehabt, einen Verein in der Regionalliga zu finden und weiter in seinem Hauptjob zu arbeiten. Doch dann klopft 2021 der SC Verl an und bietet ihm die Chance, in der 3. Liga zu spielen. Bis heute sei er dankbar, dass die Verler dieses Risiko eingegangen seien. Doch auch für ihn sei es ein Risiko gewesen. „Ich habe einen guten, sicheren Job aufgegeben und wusste: Ich habe nur für ein Jahr unterschrieben“, sagt Berlinski. „Fußball war immer mein Traum. Trotzdem ist da die Vernunft, die einen hemmt.“

Die RWE-Fans feierten Ron Berlinski vor allem für seine Malocher-Mentalität – auch im strömenden Regen, wie hier beim Spiel gegen den Halleschen FC.
Die RWE-Fans feierten Ron Berlinski vor allem für seine Malocher-Mentalität – auch im strömenden Regen, wie hier beim Spiel gegen den Halleschen FC. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Nach dem Einstieg in den Profi-Fußball: „War stehend K.O.“

Mit dem Profi-Dasein verändert sich für ihn alles, körperlich und mental. Vorher hat er dreimal die Woche trainiert, jetzt fast jeden Tag. Er nimmt acht Kilo ab. „Ich hatte Muskelkater des Grauens und war stehend K.O.“, erinnert sich Berlinski. Wenn er von nun an rausgeht, ist er nicht mehr nur Privatperson, er ist auch Profi. „Natürlich ist man bemüht, nicht irgendwo blöd dazustehen.“

Auf der einen Seite stehen Status, Geld, Privilegien und die Möglichkeit, den größten Kindheitstraum zu leben. „Ich mache jetzt das, wo meine Leidenschaft drin steckt“, so Berlinski. Auf der anderen Seite steht die Erkenntnis, dass der Traum nicht immer so perfekt ist, wie er vorher schien. Dass man als Spieler funktionieren muss und austauschbar ist. „Im Winter war ich in Verl hintendran und habe keine Rolle gespielt. Ich hatte drei Scorer-Punkte gemacht und mir eine ehrliche Chance verdient, aber plötzlich war ich gar nicht im Kader.“ Er habe sich jedoch vorgenommen, das Jahr durchzuziehen. Und die harte Arbeit habe am Ende gefruchtet.

Auch interessant

„RWE hat immer an meine Qualität geglaubt“

Wenn Berlinski an Fußball denkt, dann denkt er als Erstes ans Team, daran, gemeinsam etwas zu erreichen. An die Emotionen, wenn es gegen den Abstieg geht. Ein Gänsehaut-Gefühl. Und welcher Verein verkörpert all das mehr als Rot-Weiss Essen? „RWE ist eine Wucht, Tradition und für viele in Essen auch eine Religion“, sagt der 29-Jährige.

Für ihn sei sofort klar gewesen, dass er das Angebot annehmen würde, ab 2022 für den Essener Traditionsklub zu spielen: „RWE hat immer an meine Qualität geglaubt und schon einmal bei mir angefragt, als sie noch in der Regionalliga gespielt haben. Damals wollte ich meinen Job aber noch nicht aufgeben.“ Vor so vielen Zuschauern zu spielen, sei immer ein großes Ziel gewesen.

Fußballprofi über RWE: „Den Fans ist wichtig, dass man sich aufreibt“

In den zwei Jahren bei RWE hat er „alles erlebt“. Rot-Weiss bedeutet eben auch: Achterbahnfahrt der Gefühle, am einen Tag mit dem Rücken zur Wand, am nächsten vor der Sensation. In einem Moment hart kritisiert, im nächsten gefeiert. „Es ist eine unfassbare Geschichte.“ Keinen Moment davon wolle er missen, auch nicht die negativen, denn auch diese Emotionen gehörten zum Fußball dazu.

Bei den Fans war Berlinski, der seinen Einsatz augenscheinlich nie abwarten konnte und immer eine Extrameile lief, besonders beliebt. Unter lautem Jubeln rannte er bei seiner Einwechselung in Höchstgeschwindigkeit zur Bank, um sich kurz darauf mit hochrotem Kopf in den Zweikampf zu werfen. „Ich habe mein Leben auf dem Platz gelassen“, sagt der Fußballprofi. „Die Fans sind genauso durchs Feuer gegangen. Ich glaube, sie haben sich selbst in mir auf dem Platz gesehen.“ Seine Erfahrung sei, dass harte und ehrliche Arbeit sich immer lohne. Auch als er zuletzt weniger Tore geschossen habe. „Man muss nicht 30 Tore schießen. Den Fans ist wichtig, dass man sich aufreibt.“

Trainer der Kickers Offenbach trainierte zwei Jahre lang die RWE-Elf

In den sozialen Medien hagelt es andererseits schnell heftige Kritik bis hin zu Beleidigungen, wenn Spieler nicht die gewünschte Leistung bringen. „Ich bin ehrlich: Am Anfang habe ich mir das alles noch durchgelesen“, so Berlinski. Mit der Zeit habe er sich aber die Haltung angewöhnt: Die andere Person soll es erst einmal besser machen. „Ich habe noch nie einen Spieler gesehen, der absichtlich was falsch gemacht hat. Und würden wir alles richtig machen, würden wir in der Bundesliga spielen.“

Mit seinem Wechsel nach Offenbach ist Berlinski, der sein ganzes Leben lang in Wattenscheid gewohnt hat, nun zum ersten Mal in ein anderes Bundesland gezogen. Was die Anzahl der Fans, die Größe des Stadions und die Professionalität betreffe, seien die Kickers mit RWE vergleichbar und gehörten „mindestens in die 2. Liga“. Offenbachs Trainer Christian Neidhart war von Juli 2020 bis Mai 2022 Cheftrainer bei RWE.

  • Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!

Ex-RWE-Spieler Berlinski: „Fußball ist meine Priorität“

„Ich hatte schon länger den Wunsch, für den Fußball umzuziehen“, sagt Berlinski. Für ihn sei das eine Chance, sich auch persönlich weiterzuentwickeln. „Aber als ich die Kartons gepackt habe, hatte ich schon einen Kloß im Hals.“ Natürlich werde er an freien Tagen auch öfter zurück in die Heimat fahren.

Irgendwann werde er wahrscheinlich ins Ruhrgebiet zurückkommen, schätzt er. Konkrete Pläne macht er aber noch nicht. Denn im Profi-Fußball ist die persönliche Zukunft oft genug ungewiss, von einem Jahr aufs andere kann alles vorbei sein und jüngere Spieler rücken nach. „Ich will das Maximum rausholen“, sagt Berlinski deshalb. „Fußball ist meine Priorität.“

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]