Essen. Ein Wimmelbuch macht Essener Stadtgeschichte zur farbenfrohen Entdeckungstour. Eine Begegnung mit Bauern, Bergleuten und den Beatles.
Industriemetropole, Kulturhauptstadt, Einkaufsstadt, beschauliches Landstädtchen, bedeutender Kirchenort: Essen ist und war in seiner fast 1200-jährigen Geschichte schon so manches. Wie man die Historie der Stadt mit ihren vielfältigen Facetten und den unterschiedlichen Bezirken zu einem Gesamtbild verdichten und historisches Wissen spielerisch vermitteln kann, das zeigt jetzt ein besonderes Wimmelbuch. Die „Zeitreise durch Essen“ soll nicht nur Kindern und Jugendlichen, sondern auch neu angekommenen, aber auch erfahrenen Essenern eine farbenfrohe Begegnung mit der Stadtgeschichte bescheren.
5000 Freiexemplare liegen ab sofort im Haus der Geschichte, in der Domschatzkammer und der Sparkasse aus, die das Projekt finanziell ermöglicht hat. Auch die Alfred-Krupp und Friedrich-Alfred Krupp Stiftung und die Bezirksvertretungen haben mitgeholfen bei diesem ganz besonderen Heimatführer.
Gestaltet wurde die farbenfrohe Zeitreise von der Künstlerin Melanie Kemner (Konzept) und dem Illustrator Jesse Krauß, die mit ihren Veröffentlichungen zur Ruhrkultur, zur Margarethenhöhe und der Stadt Essen schon einige Wimmelbuch-Erfahrung mitbringen. Essen nun in Gänze zu erfassen, vom ersten freiweltlichen Damen-Stift, das 852 gegründet wurde bis zur A-40-Stillleben-Sperrung im Kulturhauptstadtjahr 2010, von der Errichtung der Gruga bis zur Eröffnung des Ruhr Museums auf Zollverein, von der Kirschblüte auf der Rü bis zur Bramme auf der Schurenbachhalde, das war auch für die beiden Wimmelbuch-Experten eine besondere Herausforderung.
Essener Stadtbezirke werden vorgestellt
Zudem, so wollte es die von Oberbürgermeister Thomas Kufen beförderte Idee, sollten auch alle neun Stadtbezirke auf Doppelseiten gleichwertig ins Bild gerückt werden. So brauchte es schon manche kreative Ideen und schöne künstlerische Freiheit, um all das komprimiert in Szene zu setzen, was Essen ausmacht.
„Adel und Athleten“ treffen da rund ums Schloß Borbeck aufeinander, wo die Fürstäbtissin Franziska-Christine neben ihrem Diener Ignatius Fortuna auf einen Stadtbezirk als große Spielwiese für Fußballer, Tennis-Cracks und Boxer blickt, die die Dubois-Arena bevölkern. Und Fußball-Idol Helmut Rahn hat natürlich einen Ehrenplatz. „Das schwarze Gold“ macht die große Bergbau-Geschichte über und unter Tage zum Thema, mit Grubenpferd und Taubenschlag, aber auch mit protestierenden Kumpels. Und das Red Dot Design Museum auf Zollverein ist auch schon da.
Folkwang-Gründer Karl Ernst Osthaus guckt aufs neue Museum
Jede Menge Sehenswürdigkeiten auf einen Blick gibt‘s zudem mit Blick auf den Baldeneysee. Nie haben Villa Hügel, Haus Scheppen und das Kloster Schuir so nahe beieinander gelegen. Und auch das Wirken berühmter Essener Persönlichkeiten verfolgt man hier wie im Zeitraffer. Alfred Krupp kann da schon mal sehen, wie sein nobles Villa-Hügel-Wohnzimmer in diesen Tagen zum Kinosaal umfunktioniert wird, während Folkwang-Gründer Karl Ernst Osthaus bereits den schicken Chipperfield-Neubau im Rücken hat. Oberbürgermeister Erich Zweigert blickt vom Alten Rathaus auf eine Innenstadt, die einst wie ein riesiger Markplatz funktionierte. Während Thyssenkrupp-Quartier und die Uni Duisburg-Essen im Hintergrund zeigen, wie es architektonisch und wirtschaftlich weiterging.
Melanie Kemner und Jesse Krauß haben diesen mit Bauern und Bergleuten, Rittern und Malern, Hund, Katz und Maus ebenso fantasie- wie lehrreich bestückten Bilderkosmos so humorvoll und detailverliebt bestückt und mit kleinen Sprechblasen erläutert, dass man die Vorarbeit für diese spielerische Exkursion durch Essens Stadtgeschichte nur erahnen kann. Rund zwei Jahre Vorlauf habe es gebraucht, erzählt Melanie Kemner. Etliche historische Essen-Bücher, Fotobände und Reiseführer habe sie in dieser Zeit gewälzt.
Zum „Dino“ gesellen sich in Essen Känguru und Giraffe
Die notwendige fachkundige Beratung und „Abnahme“ gab es dazu vom Team aus dem Haus der Essener Geschichte und dem Historischen Verein für Stadt und Stift Essen, der ja selber schon auf eine über 140-jährige Historie blicken kann. Aber noch lange kein „Dino“ ist wie das prähistorische Tierchen, das sich ins Wimmelbuch geschummelt hat wie Känguru und Giraffe. Im Heissiwald grüßen die Wildschweine, und durch die Essener Innenstadt rumpeln noch Pferdkutschen, während die Beatles auf dem Grugahallen-Dach ein munteres „Yea, Yeah, Yeah“ anstimmen.
Beim Betrachten dieses vergnüglichen Durcheinanders aus Vergangenheit und Moderne dürften jedenfalls nicht nur die Kleinen auf ihre Kosten kommen. „Jede Generation wird etwas anderes entdecken“, zeigt sich Melanie Kemer überzeugt, „das Buch soll nicht nur für Kinder sein“. Und je nach Lust und Interesse kann jeder noch tiefer eintauchen in das Lebenswerk von Franz Dinnendahl als Pionier der Industrialisierung oder der Bedeutung des „Wachsamen Hähnchen“ auf die Spur kommen. In Essen schließlich wimmelt es vor Geschichten. Das Wimmelbuch ist ein schöner Einstieg.
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