Essen. Der Heimat- und Burgverein schlägt Alarm: Der Nachwuchs fehlt. Das Problem teilen viele Essener Vereine. Ein Notruf des Vorsitzenden.

Muss man sich Sorgen machen um das Fortbestehen des Heimat- und Burgvereins Burgaltendorf? Und um all die Aktivitäten und Aufgaben, die die Mitglieder rund um die Burg übernehmen? Der Vorsitzende Rolf Siepmann steht im einstigen Wohnturm der Herren von Altendorf und erzählt von der Altersstruktur des Vereins: „Zwei Drittel der Mitglieder sind über 70, ein Drittel sogar über 80 Jahre alt. Denen fällt es zunehmend schwer, sich aktiv einzubringen.“ Fortschreitendes Alter und nachlassende Fitness führten zu einer Überlastung der gut 30 ständig aktiven Ehrenamtler.

Siepmann ist seit 2004 im HBV aktiv und auf der Suche nach Nachfolgern: „Wir suchen die Generation 60 plus. Menschen, die den Ruhestand vor Augen haben und noch nicht genau wissen, wie und wo sie sich engagieren möchten.“ Die nicht nur Enkelkinder beaufsichtigen, auf der Couch sitzen, vor dem Fernseher oder am Computer hocken möchten: „Wir brauchen aber Leute, die nicht schon vier Ehrenämter innehaben.“

Die „Burgritter“ suchen weitere Mitstreiter: v.li. Rolf Siepmann, Andreas Grond und Siegfried Lyhs. 
Die „Burgritter“ suchen weitere Mitstreiter: v.li. Rolf Siepmann, Andreas Grond und Siegfried Lyhs.  © Daniel Henschke

Von den neun Vorstandsmitgliedern werden sich, stand jetzt, vier im nächsten Jahr nicht zur Wiederwahl stellen. Siepmann stemmt die Arme in die Seiten: „Unser Burgaltendorf hat fast 10.000 Einwohner. Da müssten sich doch Jüngere finden, die den Vorstand auffrischen. Es kann doch nicht sein, dass wir wegen Überalterung den 1950 gegründeten Verein im fünfundsiebzigsten Jahr seines Bestehens abwickeln müssen. Keine Feste, keine Kulturveranstaltungen, keine Kinderführungen mehr, nur noch eine Ruine?“

Dann unterbricht Siepmann abrupt das Gespräch. Der umtriebige 69-Jährige hat nämlich ein Brautpaar entdeckt, dass offensichtlich Hochzeitsfotos machen lässt. Da kann der oberste „Burgherr“ helfen: „Darf ich Sie einladen in unsere Burg? Hier gibt es noch schönere Fotolocations.“ Das junge Glück ist ein wenig überrumpelt, nickt aber eifrig. Schließlich holt Siepmann dem Bräutigam noch einen Ritterhelm und grinst: „Wir haben jährlich 2500 oder mehr Touristen hier, bei 70 Öffnungsterminen. Da jeweils zwei Burgwächter Dienst schieben, sind das 140 Einsätze im Jahr.“

 Vor den Burgmauern zeigt Rolf Siepmann, wo die Stadtarchäologie im August graben möchte. 
 Vor den Burgmauern zeigt Rolf Siepmann, wo die Stadtarchäologie im August graben möchte.  © Daniel Henschke

Da fällt Siepmanns Shirt auf: „Die Burg ruft.“ Die Arbeitsmontur der 9:35er. Entstanden aus einer Laune heraus, gibt der Chef zu: „Wir wollten uns um halb zehn zum Arbeitseinsatz treffen. Ich kam fünf Minuten zu spät und bekam so manchen lockeren Spruch ab. Beim nächsten Treffen hatte ich für alle diese 9:35er Shirts bedrucken lassen.“ Lustig geht es zu im HBV. Andreas Grond und Siegfried Lyhs grinsen: „So ist er, unser Rolf.“ Gelernt ist halt gelernt. Der Mann war schließlich bei Coca Cola im Marketing. Nun steht er den rund 450 Mitgliedern des Heimatvereins vor.   

Der 71-jährige Siegfried Lyhs ist seit 2015 im HBV und seit Mai neuer Erster Schriftführer. Er bastele gern und habe schon in seiner Schulzeit Ritterburgen gebaut. Lyhs betreut die Modelleisenbahn in der Geno Bank und das Burg-Modell in der Sparkasse. Als Rentner mochte er nicht ruhen, und bringt sich dementsprechend ein: „Also bin ich in den Verein, zu den 9:35ern, da sind tolle Freundschaften entstanden.“ Er sei da, wenn angepackt werden müsse.

Kontakt zum Burgverein

Im August möchte die Stadtarchäologie unterhalb des Fallschachtes des einstigen Abortes graben. Solche Stellen können wahre Fundgruben sein. Spannend. Und schweißtreibend, wie Rolf Siepmann erklärt: „Da müssen wir mit anpacken und mehrere Kubikmeter Erde bewegen. Per Hand. Dazu könnten wir noch kräftige Mitmenschen gebrauchen.“

Die Burg ist bis in den Oktober samstags, sonntags und feiertags von 15 bis 17 Uhr kostenlos zu besichtigen. Weitere Infos zum Verein und Kontaktmöglichkeiten sind unter www.hbv-burgaltendorf.de zu finden. 

Andreas Grond ist seit 2019 an Bord, leitet neuerdings den Ausschuss „Eventmanagement“ und möchte sich fürs Gemeinwohl einbringen: „Das treibt mich an. Ich bin dem Dorf verbunden und möchte den Zusammenhalt fördern.“ Der 58-Jährige will keinesfalls akzeptieren, dass die Zukunft des Burgfestes gefährdet sein könnte. Was auch für Hexenfest und Adventsmarkt gelte: „Damit die Burgaltendorfer zusammenkommen können zu guten Gesprächen und regem Austausch.“   

Ehrenamtliche in Essen-Burgaltendorf arbeiten mit viel Herzblut

Ein Burgfest 2025 kann vom HBV unter den aktuellen Bedingungen nicht mehr so wie in 2023 durchgeführt werden. Es ist zwar das Fest der Vereine und Organisationen im Ort, doch die 9:35er sind dennoch stark eingespannt. Sie verlegen Leitungen, bauen die Bühne auf, schließen Spülmaschinen an, schleppen Stühle, reparieren Toiletten, und vieles mehr. Das sei alleine nicht mehr zu schaffen. Andreas Grond sagt: „Wir arbeiten alle ehrenamtlich, mit Herzblut.“ Da dürfte es wenig motivierend sein, wenn beim Burgfest die Jüngeren bis in die Puppen feiern, während Frauen und Männer zwischen 70 und 80 das herumstehende Geschirr einsammeln und die Spülmaschine bestücken.

Rolf Siepmann hat aber auch gute Nachrichten. Der Burgruine selbst gehe es den Umständen entsprechend sehr gut: „Der geht es prima. Das ist uns zu verdanken und der sehr guten Zusammenarbeit mit den städtischen Ämtern.“ 2022 zum Beispiel wurden etwa 15.000 Euro an Vereinsgeldern und umgerechnet an die 25.000 Euro an Handwerkerarbeitszeit in die städtische Burg investiert, und dies eher konservativ geschätzt. Kita-Führungen, Öffnungszeiten, Halloween, Wanderungen waren darin noch gar nicht enthalten. Auf der Bühne im Turm gibt es regelmäßig Kleinkunst. Auch das erfordert viel Arbeit.

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Und überhaupt, das ist Siepmann sehr wichtig: „Wir sind kein Kegelclub. Wir tun das nicht für uns, sondern für die Allgemeinheit. Weil wir die Burg erhalten und Kindern Geschichte vermitteln möchten. Wir sind stolz auf das, was wir seit langem tun und schaffen.“  

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