Essen. Hans-Hubert Imhoff vermisst bei Auflagen und Lebensmittelkontrollen „Maß und Mitte“. Wo klein- und mittlere Betriebe überfordert sind.

Der Essener Gastronom Hans-Hubert Imhoff übt Kritik an Kontrollen durch die städtische Lebensmittelüberwachung. Er wolle nichts verharmlosen, Kontrollen müssten sein, unhygienische Betriebe müssten verwarnt und schlimmstenfalls geschlossen werden. Die gängige Praxis ist in seinen Augen aber auch Ausdruck einer überbordenden Bürokratie. „Es fehlt Maß und Mitte“, sagte der Betreiber des „Parkhaus Hügel“ am Baldeneysee, der als Gastronom für eine einhundertjährige Familientradition steht.

Imhoff reagierte mit seiner Kritik auf unsere Reportage über eine Lebensmittelkontrolle in einem namentlich nicht genannten Lokal durch das städtische Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt, bei der erhebliche Hygienemängel festgestellt wurden. Auf Anordnung der Behörde wurde der Betrieb vorübergehend geschlossen. Das Lokal durfte tags darauf wieder öffnen, als die gravierendsten Mängel beseitigt worden waren.

Behörden und Gesetzgebung attestiert der Essener Gastronom eine Regelungswut

Für Hans-Hubert Imhoff ist der beschriebene Fall ein extremes Beispiel, aber keinesfalls die Regel. „Schwarze Schafe gibt es überall“, sagt der Gastronom. Imhoff sagt aber auch über seinen eigenen Betrieb: „Obwohl wir großen Wert auf Hygiene legen, habe ich in 40 Jahren noch keine Kontrolle erlebt, bei der es keine Beanstandungen gab.“

Behörden und Gesetzgebung attestiert Imhoff eine praxisferne Regelungswut. Der Gastronom nennt Beispiele: Wird frisches Fleisch geliefert, müsse er als Gastronom die Temperatur des Kühltransports dokumentieren wie auch die Temperatur des Kühlhauses, in der das Fleisch gelagert wird. Nach der Zubereitung sei eine Woche lang eine Rückstellprobe vorzuhalten. Für den Fall, dass es zu einer Beanstandung kommt.

Verwendete Lebensmittel seien auf Allergene zu dokumentieren. „Das hört sich lapidar an, ist aber ein Riesenaufwand“, sagt Imhoff. Der Gastronom kann einem Gast, der an einer Allergie leidet, und der sich nach den Inhaltsstoffen informiert, somit Auskunft geben. Soweit die Theorie. Nur: „Kein Gast fragt danach“, berichtet Imhoff von seinen praktischen Erfahrungen.

Ein Nachschlag gefällig?

Sein Küchenchef sei verpflichtet, vier verschiedene Schneidebretter nutzen, je eines für Fleisch, Fisch, Geflügel und Gemüse. „Meine Frau nutzt Zuhause nur ein Schneidebrett. Trotzdem lebe ich noch“, sagt Imhoff, und würzt seine Worte mit einer Prise Sarkasmus.

Gefürchtet sei auch die sogenannte Kreuzkontamination. Das heißt: Benutztes Geschirr dürfe nicht einmal in die Nähe von unbenutztem Geschirr kommen, weil sonst ja „Keime oder Bakterien überspringen könnten“.

In der Küche im „Parkhaus Hügel“ hängen diverse Listen an den Wänden. Das Küchenpersonal muss zum Beispiel nachweisen, wann die Kaffeemaschine gereinigt wurde. Zeit, Datum und Name sind nach getaner Arbeit in die Liste einzutragen. Selbstverständlich werde das Personal in Sachen Hygiene geschult, betont Imhoff. Dennoch können Fehler passieren, die bei einer Kontrolle auffallen.

Gastronomiebetriebe müssten 82 Gesetze und Verordnungen beachten, klagt der Essener

Den Lebensmittelkontrolleuren will der Gastronom keine Vorwürfe machen. Ihnen bliebe wegen der strengen Vorgaben leider keinerlei Spielraum. Lebensmittelkontrollen seien aber nicht alles. Gastronomische Betriebe müssten nicht weniger als 82 Gesetze und Verordnungen mit entsprechenden Dokumentationspflichten beachten.

  • Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!

„Wir werden kontrolliert vom Bauordnungsamt, von der Feuerwehr, dem Hygieneamt, dem Gewerbeaufsichtsamt, der Bezirksregierung, vom Zoll, von der Berufsgenossenschaft. Wir müssen einen Datenschutzbeauftragten, einen Sicherheitsbeauftragten, Ersthelfer, Brandschutzhelfer und einen Betriebsarzt folgen“, beklagt Imhoff und spricht von „Bürokratiewahnsinn“. Selbst der willigste Gastronom müsse daran scheitern. Wobei die Aufzählung keinesfalls vollzählig sei.

Verstöße werden durch das Landesamt für Verbraucherschutz im Internet veröffentlicht

Imhoff erinnert daran, dass 80 Prozent der Gastronomiebetriebe klein- und mittelständische Betriebe seien. Diese hätten enorme Schwierigkeiten, diese Auflagen zu erfüllen - weil es ihnen an Zeit und Personal fehle.

Haben die Lebensmittelkontrolleure gravierende Mängel zu beanstanden, werden die Betriebe auf Internetplattformen aufgeführt, etwa auf „lebensmitteltransparenz.nrw.de“, der Seite des Landesamtes für Verbraucherschutz. Die Verstöße werden dort minutiös aufgeführt, Berichte bleiben teils monatelang online und sind auch dann noch zu lesen, wenn die beschriebenen Mängel längst beseitigt sind.

Es sei richtig, dass der Gesetzgeber Standards setzt zum Umgang mit Lebensmitteln, sagt Imhoff. Besagte Internetplattformen vergleicht der Gastronom aber mit einem „mittelalterlichen Pranger“. Imhoff warnt vor den Konsequenzen dieser öffentlichen Zurschaustellung: „So etwas kann Existenzen vernichten.“

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]