Essen. Kanzler, Wirtschaftskapitäne und der Papst kehrten bei Imhoffs in Essen ein. Die Gastronomen-Familie blickt auf 100 betriebsame Jahre zurück.
Man schreibt den 1. März 1922, als Hubert Imhoff an der Bredeneyer Straße/Ecke Frankenstraße eine kleine Konditorei eröffnet. Mit der Erfahrung etlicher Wanderjahre und einer Reihe eigener Rezepturen im Gepäck ist der 33 Jahre junge Konditormeister aus der Nähe von Mönchengladbach nun im besten Alter, um den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen. Genau 100 Jahre später kann man sagen: Es war offensichtlich recht getan. Zwar sind die Imhoffs längst von der Konditorei ins Gastgewerbe gewechselt und haben dabei ein großes Stück Essener Gastronomie-Geschichte geschrieben, vor allem aber sind sie immer noch ein Familienbetrieb in Essen – und das mittlerweile in der vierten Generation. Nicht vielen Firmen dieser Art ist das vergönnt.
„Unternehmerische Initiative war immer eine Triebfeder der Familie“, sagt Enkel Hans-Hubert Imhoff, der heute gemeinsam mit seinen Kindern Jan (38) und Katinka (36) die Geschäfte führt. Schon wenige Jahre nach dem Start konnte der Gründer seine Konditorei vergrößern, Filialen in Stadtwald, Rüttenscheid und an der Kurfürstenstraße kommen hinzu, und 1933 zieht das Hauptgeschäft dann an die damals sehr vornehme Huyssenallee, wo es allerdings 1943 durch Bomben zerstört wird.
Leo Imhoff wäre lieber Architekt geworden, doch der Vater befahl ihn in die Backstube
Aufgeben ist selbstverständlich keine Option, ganz im Gegenteil. Schon 1946 wühlt man sich aus Schutt und Asche heraus, und mit Beginn des Wirtschaftswunders beginnt dann eine im Nachkriegsdeutschland nicht untypische Erfolgsgeschichte. Zwar wäre Huberts Sohn Leo eigentlich lieber Architekt geworden, aber da sein älterer Bruder im Krieg geblieben war, befahl der Vater stattdessen einen Schnellkurs an der Konditorenschule und dann: ab in die Backstube! Das Leben war damals kein Ponyhof, doch der anfangs erzwungene Beruf geriet zur Liebe auf den zweiten Blick.
Denn Leo Imhoff war es, der ab etwa 1950 die Firma von der Konditorei in Richtung der rasch boomenden Gastronomie-Branche erweiterte und später diesen Zweig zum alleinigen machte. Es war der richtige Riecher: Nach den Entbehrungen der Nachkriegszeit wollten die Essener endlich wieder etwas erleben, wer immer es sich leisten konnte, genoss Café- und Restaurant-Besuche, wobei gerade letzteres damals sicherlich etwas Besonderes war. Mit dem Essener Süden und der potenziell solventen Stammkundschaft hatte die Familie aber von Anfang an aufs richtige Pferd gesetzt.
Hoflieferant in Sachen Essen und Trinken auf dem Hügel
Mag sein, dass hier auch jene Kontakte entstanden, die dazu führten, dass Leo Imhoff 1955 von Krupp das Parkhaus Hügel pachten konnte und so etwas wie der Hoflieferant auf Villa Hügel wurde, sobald es dort um Essen und Trinken ging. Die Ansprüche waren nicht klein. „Alfried Krupp hatte meinen Vater früh beauftragt, ein Bankett für 300 Personen gastronomisch zu betreuen“, berichtet Hans-Hubert Imhoff von Leo Imhoffs Feuertaufe. „Bis dahin hatte er vielleicht eines für 30 Personen nicht etwa selbst gemacht – sondern mal gesehen.“ Kneifen kam aber nicht in Frage, also wurde ein Fachbuch gekauft und im Schnelldurchgang gelernt, wie’s geht.
Mit dem „Burghof“ im Lichtburg-Gebäude (heute „Rose Marie“), der Rotisserie „Alter Ritter“ in der Rathenaustraße und dem Krupp’schen Touring-Hotel an der Frankenstraße (in den 1980er Jahren abgerissen) griff Imhoff weiter ins Gehobene aus, und 1975 kam dann noch der Saalbau dazu. „Damals waren das dort völlig andere Zeiten“, schwärmt Hans-Hubert Imhoff mit Blick auf die zuletzt gescheiterten Gastronomie-Versuche in der Philharmonie.
Der Saalbau als Standestreff der Konzern-Mitarbeiter am Stadtgarten
Die Saalbau-Gastronomie war für die leitenden Mitarbeiter der Konzerne rund um den Stadtgarten so etwas wie ein Standestreff, wo man ausgiebig zu Mittag aß, Geschäfte besprach und dabei gerne auch schon ein Fläschchen Wein entkorken ließ. „Heute undenkbar, Ess- und Trinkgewohnheiten haben sich vollkommen gewandelt, und Zeit hat auch keiner mehr“, so Imhoff, der scherzend ergänzt, er habe sich schon gelegentlich gefragt, was die Herren nachmittags im Büro noch geschafft haben mögen.
Imhoff war um diese Zeit sicherlich der Essener Gastronom schlechthin, mit exzellenten, auch überregionalen Kontakten in die Wirtschaft, und wenn Prominenz nach Essen kam, war in der Regel klar, wo die Bewirtung erfolgte. Bundeskanzler, Wirtschaftskapitäne, Schauspieler und ein leibhaftiger Papst – sie alle sind an einer großen Wand im Parkhaus Hügel verewigt. Leo Imhoff unterstrich diese Pool-Position 1973 mit der fast zwei Jahrzehnte währenden ehrenamtlichen Präsidentschaft des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands.
Internationale Küche verdrängt nach und nach die deutsche Gastronomie
Als Hans-Hubert Imhoff 1980 in die Firma seines Vaters eintrat, zeichnete sich langsam ein weiterer Strukturwandel in der Branche ab: Es begann der Siegeszug der internationalen Küche, der die traditionelle deutsche „gutbürgerliche“ Gastronomie langfristig fast ganz verdrängen sollte. Zwar setzte auch die dritte Imhof-Generation zunächst noch auf Restaurants (u.a. Übernahme des Blumenhofs im Grugapark 1984), doch stieg nun nach und nach der Anteil des Catering-Geschäfts für Messen, Kongresse, Stadthallen und private Veranstaltungen aller Art stark an. Auch Hans-Hubert musste manches Neue gegen seinen Vater durchsetzen, Tradition und Innovation sind gerade in Familienunternehmen nicht immer Freunde. „Da war schon manchmal Strom in der Tapete“, erinnert sich der 68-Jährige.
Heute macht das Catering-Geschäft 80 Prozent des Umsatzes aus, hingegen gibt es im Imhoff-Reich nur noch ein einziges klassisches Restaurant im Parkhaus Hügel, „der emotionalen Heimat des Unternehmens“, wie Hans-Hubert Imhoff sagt. Im Jahr 2007 konnte die Familie das Traditionshaus von Krupp erwerben. Der Hotelbetrieb im Parkhaus und im 2019 übernommenen Waldhaus Langenbrahm runden die aktuelle Geschäftstätigkeit ab.
Mit sechs Betrieben und rund 100 Angestellten, die alle in der Corona-Zeit bei der Stange blieben, ist Imhoff immer noch ein gastronomischer Großbetrieb im Ruhrgebiet. Doch bedrücken Hans-Hubert Imhoff heute stärker die wachsenden Probleme der Branche, vor allem beim Thema Personal. „Wenn mein Vater wusste, morgen gibt’s einen schönen Sommertag, rief er bei einer Fachstelle im Arbeitsamt an und am nächsten Tag standen zehn Aushilfskellner in unserem Biergarten am Parkhaus“, erzählt er. Heute ist das undenkbar, die Imhoffs sind wie alle Gastronomen heilfroh, wenn sie zumindest für das Basis-Geschäft genügend gute Leute haben.
Immer mehr Catering, immer weniger Restaurantbetrieb
„Ein Restaurantbetrieb ist generell schwer kalkulierbar, Catering aber sehr gut“, begründet Imhoff seinen heutigen Geschäftsschwerpunkt, der mehr unternehmerische Sicherheit böte. Bei den rund 120 Hochzeiten pro Jahr etwa wird vorab jedes Detail besprochen, von der Speisenfolge über Qualität und Menge der angebotenen Getränke bis hin zur Deko. Selbst das Ende der Feier wird zeitlich festgelegt. „Mitarbeiter haben heute nun einmal ganz andere Ansprüche an die eigene Work-Life-Balance als wir früher“, sagt Imhoff.
Der Gastronomie-Beruf als persönlicher Dienst am Gast bleibe faszinierend: „Wenn ihnen nach einer gelungenen Veranstaltung das Brautpaar um den Hals fällt, ist das ein sehr bewegender Moment“, so Imhoff. Hingegen sei unter manchen Restaurant-Gästen die Bereitschaft, eine gute, professionell zu Tisch gebrachte Küchenleistung auch entsprechend zu honorieren, durchaus ausbaufähig. Mangelnde Anerkennung sei ein großes Problem der Branche.
Selbst und ständig – das gelte für Gastronomen zwar immer noch, aber die vierte Imhoff-Generation, die nun langsam die volle Verantwortung übernimmt, will ein Leben neben dem Beruf. Die Geschwister Jan und Katinka haben jeweils Lebenspartner, die im Betrieb mitarbeiten, aber eben auch kleine Kinder, die mehr als eine Nebenrolle spielen sollen. Und ähnlich wie die vierte wächst nun die fünfte Generation teilweise im Betrieb auf. „Meine dreijährige Tochter weiß zumindest schon, wo die Keksdose steht“, sagt Jan Imhoff schmunzelnd. Könnte also sein, dass die Imhoff-Story noch lange weitergeht.