Essen. Hashem Qasem hat in Essen ein Café in Uni-Nähe eröffnet. Das bietet Platz für Pause und einen Kaffee sowie Einblicke in eine andere Kultur.
An einem Samstagabend dringt der melodische Klang der orientalischen Musikinstrumens Oud durch die Fenster des Cafés „Caffstation“. Drinnen sitzen Gäste an Holztischen mit arabischer Kalligraphie. Die Gäste wippen im Takt der Musik, singen, manche stehen auf und tanzen. Hashem Qasem, Gründer des Cafés, steht jedes Mal auf, wenn Gäste hereinkommen. Sein Blick schweift durch den Raum, sein Gesicht strahlt, wenn er die zufriedenen Gesichter sieht. Sein Lächeln vertieft sich, wenn das Spiel der Oud einen lebhaften Höhepunkt erreicht.
Hashem lehnt sich zurück und betrachtet die Wände, die hängenden Bilder und die Pflanzen. Er erinnert sich, wie das Café aussah, als er es übernahm: Eine Shisha-Bar mit geschwärzten Wänden voller Rauch und stickiger Luft.
Neben Mate-Tee, der immer wieder nachgefüllt wird, und dem Milchgetränk Sahlab mit Damaszener Rosen und Kokosraspeln bietet das Café orientalische Abende und eine Atmosphäre, die die Gäste in die alten Viertel von Damaskus entführt.
Das Essener Café hinter den Kulissen
Fünf Gehminuten von der Universität Duisburg-Essen entfernt, liegt das Café „Caffstation“. Die Idee für das Café entsteht Anfang 2024, als Hashem Qasem nach Deutschland kommt und monatelang auf Deutschkurse warten muss. Sein Neffe schlägt vor, ein eigenes Projekt zu gründen. Der Neffe sammelt mit Freunden Ideen. Als Hashem Qasem von der Idee eines Studentencafés hört, ist er sofort begeistert. „Ein Café für Studierende ist einfach genial“, sagt er. Er sieht darin die Chance, mit der jungen Generation in Kontakt zu kommen und ihnen im anstrengenden Alltag etwas zu bieten. Da er nur wenig Deutsch spricht, ist er auf die Hilfe seiner Freunde angewiesen. Gemeinsam setzen sie die Idee sofort um.
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Studentencafé in Essen: Ein Traum wird wahr
Nach monatelanger Suche finden sie ein Lokal in der Nähe der Universität. Früher war es eine Shisha-Bar. Sie müssen viel renovieren und sogar Wände einziehen. Mitgründer Mohamad Al Kaddah sieht den Laden und weiß sofort, dass hier Teamarbeit gefragt ist. Er gründet eine WhatsApp-Gruppe mit Freunden, die helfen können. In die Gruppe schreibt er: „Wir müssen jetzt Bauarbeiter, Maler und Putzkräfte sein. Wir dürfen nicht fehlen, nicht müde oder krank werden.“ Der 27-jährige Student der Biomedizintechnik ist mit vollem Einsatz dabei. Sie reißen Wände ein, streichen, putzen und dekorieren das Café neu. „Alles, was man sieht, haben wir selbst gemacht, auch das Logo und die Dekoration“, sagt Mohamad.
Die Dekoration kommt bei den Gästen gut an. Vor den Postern auf der linken Seite macht Angham, 24 Jahre alt aus Münster, ein Selfie. „Hier fotografiere ich immer“, erklärt sie. Die Poster zeigen arabische, englische und humorvolle Sprüche. Daneben ist ein Bild von Mahmud Darwish, einem berühmten arabischen Dichter, zu sehen. Auf dem Bild steht: „Wir geben unsere Träume nicht auf, egal wie oft sie zerbrechen.“ Für Mohamad sei das Café „Caffstation“ mehr als ein Café - es ist ein verwirklichter Traum.
Al Kaddah bemerkt eine Lücke in der studentischen Cafélandschaft im Ruhrgebiet. Daraus entspringt die Idee für das Café „Caffstation“, das Studierenden einen Ort bietet, an dem sie verweilen können, ohne ständig nachbestellen zu müssen. Neben gutem Kaffee und schnellem Internet erhalten sie kostenloses Wasser
.An der Theke steht ein Tonkrug mit der Aufschrift: „Trink Wasser“, aus dem sich die Gäste bedienen können.
Im Interview sprechen die Gründer des Cafés “Caffstation” über viele Emotionen: Kaffeebohnen, Kaffeeduft, Zeitreisen, Ankommen, Arbeit, Familie, Oud, Heimat. Es scheint, als sei dieses Café eine Verschmelzung all dessen, was die Gründer im Exil vermisst haben. Cafés und Schischa-Kneipen gibt es in Essen und im Ruhrgebiet schon viele. Doch die arabische Kultur spiegelt sich darin nicht wider. „Es fehlen kulturell coole Orte. In Berlin zum Beispiel gibt es viele Möglichkeiten. Aber im Ruhrgebiet nicht wirklich“, sagt er.
In diesem Café soll es keinen Alkohol und keine Schischa geben. In diesem Café geht es um Erinnerungen, um Heimatgefühl, um Verbundenheit. Das mache das Café anders. Sie wollen, dass die Leute wirklich wegen des Erlebnisses kommen, nicht wegen der Schischa oder des Alkohols, und genau das gefällt den Gästen. „Es ist schön hier, man fühlt sich wie zu Hause“, sagt Angham, eine Zahnmedizinstudentin, die extra aus Münster nach Essen gekommen ist, um den orientalischen Abend zu genießen.
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Eine Essener Bühne für Nachwuchsbands
Das Café „Caffstation“ in der Essener Niederstraße eröffnet Anfang 2024. An einem der ersten Abende lädt das Café den Stand-up-Comedian „Twist-It“ zu einer „Open Mic Night“ ein. Es kamen viel mehr Gäste als erwartet. Viele müssen stehen bleiben, weil kein Platz mehr ist. Der Erfolg übersteigt alle Erwartungen. Kurz darauf hat die Instagram-Seite mehrere hundert Follower.
Nach der Eröffnung wird das Café auch zum Sprungbrett für einige Bands. Der Informatikstudent Mohammad Abu Ammash tritt mit seinen Freunden im Café zum ersten Mal auf. Sie singen, spielen Oud und orientalische Musik. Der Auftritt kommt so gut an, dass sie beschließen, eine Band namens „Waselband“ zu gründen. Auch das „Trio Antika“ mit dem Sänger und Journalisten Mohamed Khair hat seine Anfänge in der Caffstation. Auch Geschichtenerzähler wie Samer Allaw haben hier ihre ersten Auftritte.
Essener Caffstation: Positive Resonanz von Frauen
„Wir sind stolz darauf, dass viele junge Mädchen unsere orientalischen Abende besuchen“, sagt Mohamad. „Gerade in Essen hören wir oft, dass sich arabische Frauen in der Stadt nicht wohlfühlen. Sie fahren lieber nach Berlin oder Amsterdam, wenn sie feiern wollen.“
Im Café hat Mohamad von vielen jungen Frauen die Rückmeldung bekommen, dass sie sich wohl und beschützt fühlen. „Dafür sorgt immer Onkel Hashem“, sagt er
Mohamad beantwortet Nachrichten auf dem Instagram-Account des Cafés und organisiert den Abend. Eine Nachricht kommt von einer Frau, die fragt, ob sie nach der Veranstaltung zum Bahnhof gebracht werden kann, weil sie bis zum Ende bleiben möchte. Mohamad freut sich über das Vertrauen der Gäste. „Das ist unser Kapital“, sagt er.
Vor ihm steht eine Tasse Kaffee, an der Wand hinter ihm ein Gedicht in schwarzer Schrift. Es ist in arabischen Ländern bekannt und trägt den Titel „Und warte auf sie“.
„Und wenn sie früh kommt,
Warte auf sie.
Und wenn sie spät kommt,
Warte, warte.
Serviere ihr Wasser vor dem Wein,
Berühre nicht ihre Hand.
Lasse deine Fingerspitzen
nach ihrem Kommando ruhen.
Sprich sanft, wie eine Flöte würde,
Zu einer furchtsamen Violine.“
Internationale Abende als nächster Schritt
Das Café ist für seine kulturellen Veranstaltungen bekannt und hat mittlerweile über 1.300 Follower auf Instagram. Bei den Studierenden ist es allerdings noch nicht angekommen. Hashem Qasem und sein Team arbeiten daran und hoffen, dass sich das bald ändert. Es gibt noch viel zu tun und das Café entwickelt sich weiter. „Das Angebot soll noch internationaler werden, nicht nur orientalisch. Vor allem Studierende sollen angesprochen werden.“ Schritt für Schritt wollen sie das angehen, sagt Mohamad.
Der Abend geht weiter, Hashem Qasem bleibt, bis der letzte Gast das Café verlassen hat. Dann steht er wieder am Eingang, eine Zigarette in der Hand. „Es ist nicht einfach, ein Café zu eröffnen“, sagt er. „Gerade jetzt. In Nordrhein-Westfalen macht jeden Tag ein Café zu.“
Doch Hashem Qasem geht es nicht um Gewinn oder Profit. Sein großes Ziel ist es, den Studierenden zu helfen und den Menschen ein Stück Heimat zu geben. „Wenn ich das mit dem Café schaffe und sie etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf haben, bin ich glücklich.“
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