Essen. Viele Essener sind an Weihnachten durchaus freiwillig im Job. Warum im Rettungsdienst und in der Pflege diese Tage oft besonders erfüllend sind.

  • Nicht alle Menschen haben an den Feiertagen frei.
  • Viele Essener sind freiwillig im Dienst.
  • Was die Arbeit beim Rettungsdienst und in der Pflege an solchen Tagen besonders macht.

Arbeiten, wenn andere gemütlich mit der Familie zusammen sitzen und sich das Festtagsessen schmecken lassen – für viele Essener, zum Beispiel im Rettungsdienst und in der Pflege, gehört das dazu. Warum die Arbeit an Feiertagen keineswegs mit Frust verbunden sein muss und oft sogar richtig glücklich machen kann.

Der Dienst für Marvin Anuschewski, Christopher Dilling, Timo Hölterscheidt und Batuhan Kilin beginnt an Heiligabend eher ruhig. Die Männer arbeiten beim Deutschen Roten Kreuz als Notfallsanitäter beziehungsweise Rettungssanitäter. Ihr Arbeitsalltag ist meist stressig, es bleibt kaum Zeit für einen Kaffee am Weihnachtsbaum in der Einsatzzentrale an der Hachestraße. Wenn der digitale Meldeempfänger am Gürtel piept, schnappt sich ein Team die Jacken und startet mit dem Rettungswagen.

Beim DRK in Essen melden sich viele freiwillig für den Dienst an Feiertagen

„Wir werden von der Feuerwehr informiert. Von der Hachestraße aus werden meist Einsätze in der Innenstadt, Holsterhausen und Frohnhausen gefahren, aber auch anderswo, wenn dort gerade kein Rettungswagen frei ist“, erklärt Timo Hölterscheidt. Er hat sich – wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen – freiwillig zum Weihnachtsdienst gemeldet. „Da sind in der Regel die Kollegen im Dienst, die wie ich keine Kinder haben, damit die anderen die Zeit mit ihren Familien verbringen können“, sagt Hölterscheidt.

Marvin Anuschewski (links) und Christopher Dilling in der Garage, in der die Rettungswagen stehen.
Marvin Anuschewski (links) und Christopher Dilling in der Garage, in der die Rettungswagen stehen. © Unbekannt | elli

Er habe sich für Heiligabend und den ersten Weihnachtstag für alle Aktivitäten mit der Familie abgemeldet. Nach dem Zwölf-Stunden-Dienst bis 20 Uhr sei ihm nur noch nach Entspannen zumute. Dann müsse er schlafen, denn morgens um 8 Uhr beginne ja die nächste Schicht. „Am zweiten Weihnachtstag wird das Feiern dann nachgeholt.“ Sein Kollege Marvin Anuschewski (34) ist dagegen am Heiligabend nur bis 16 Uhr im Dienst, dann geht’s nach Hause zum Feiern mit den beiden Kindern.

Unterscheiden sich die Einsätze an Weihnachten von denen an anderen Tagen? „An Feiertagen sind geschätzt 60 Prozent der Einsätze psychiatrische Notfälle“, so Marvin Anuschewski. Als Sanitäter sei man auch dafür geschult, man versuche, im Gespräch zu helfen, und sorge in schwierigen Fällen dafür, dass der Patient psychiatrische Hilfe bekomme.

In vielen Fällen ist der Rettungsdienst eigentlich nicht zuständig

In vielen Fällen sei der Rettungsdienst schlichtweg nicht zuständig. „Wir kümmern uns um Menschen mit Herzinfarkt, Luftnot oder gebrochenem Bein, nicht aber um Zahn- oder Kopfschmerzen, Verstopfung oder Ähnliches.“ In solchen Fällen sei es sinnvoll, einen Blick in die Hausapotheke zu werfen oder sich an den ärztlichen Notdienst zu wenden.

Während des Gesprächs müssen Marvin Anuschewski und sein Kollege Christopher Dilling plötzlich los. Einem Drogenkonsumenten am Hauptbahnhof gehe es offenbar nicht gut. „Da können wir oft nicht wirklich helfen, weil viele der Leute, die sich auf den Abluftschächten der U-Bahn wärmen, gar nicht ins Krankenhaus wollen. Sie können ja nur eine Tasche mitnehmen“, erklärt Timo Hölterscheidt. Einen Einkaufswagen, in dem Wohnungslose oft ihre Habseligkeiten transportierten, könne man im Einsatzfahrzeug nicht befestigen und deshalb nicht mitnehmen. „Die Leute haben einfach Angst, dass ihre Sachen weg sind, wenn sie zurückkommen.“

Leben retten zu können, sei eine starke Motivation

Der Patient ohne festen Wohnsitz will an diesem Morgen aber doch ins Krankenhaus. „Er hatte ältere Wunden, die dort jetzt versorgt werden“, berichtet Christopher Dilling nach dem Einsatz. Eigentlich sei man auch in diesem Fall nicht zuständig gewesen, wie so oft. „Aber wenn auch nur ein Mensch dabei ist, dem man wirklich helfen und vielleicht sogar sein Leben retten kann, dann ist das schon ein gutes Gefühl. Ich wollte einen Job, bei dem ich sagen kann, ich habe etwas bewirkt“, sagt Timo Hölterscheidt über seine Motivation.

Ähnlich ist es bei den Kolleginnen und Kollegen in der Pflege. Dass die Seniorinnen und Senioren im Pflegezentrum Solferino des Deutschen Roten Kreuzes in Essen-Horst auch an Feiertagen gepflegt und versorgt werden müssen, versteht sich von selbst. Michelle Hammermeister (25) kümmert sich gern um die alten Menschen, auch an Heiligabend. Sie leitet einen von fünf Wohnbereichen im Haus, ist am 24. Dezember bis kurz vor 15 Uhr im Dienst.

Michelle Hammermeister macht auch an den Feiertagen ihre Arbeit im DRK-Pflegezentrum Solferino in Essen-Horst gern. Hier richtet sie das Bettzeug von Bewohnerin Gerlinde Grädtke.
Michelle Hammermeister macht auch an den Feiertagen ihre Arbeit im DRK-Pflegezentrum Solferino in Essen-Horst gern. Hier richtet sie das Bettzeug von Bewohnerin Gerlinde Grädtke. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

18 Bewohnerinnen und Bewohner leben in ihrem Bereich. Michelle Hammermeister bereitet das Frühstück vor, schmückt den Raum ein bisschen weihnachtlich. Dann startet sie ihre Runde durch die Zimmer. „Ich möchte den Menschen den Tag möglichst schön gestalten.“ Seit sie in der Pflege arbeite, übernehme sie freiwillig Feiertagsdienste. „Dann ist es besonders familiär, die Menschen sind ein bisschen anders gestimmt, man spürt sehr viel Dankbarkeit“, beschreibt sie das Besondere an diesen Tagen. Mit Freund und Mutter könne sie auch nach der Arbeit noch feiern: „Meine Familie akzeptiert das. Ich bin ganz froh, dass ich nichts vorbereiten muss.“

Dominik Jäschke (links), Leiter des Sozialen Dienstes, und Stationsleiterin Michelle Hammermeister (rechts) stoßen vor dem Weihnachtsbaum mit Bewohnerin Gerlinde Grädtke an.
Dominik Jäschke (links), Leiter des Sozialen Dienstes, und Stationsleiterin Michelle Hammermeister (rechts) stoßen vor dem Weihnachtsbaum mit Bewohnerin Gerlinde Grädtke an. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Auch Dominik Jäschke (37) kann man an den Feiertagen an seinem Schreibtisch im DRK-Pflegezentrum antreffen. Als Leiter des Sozialen Dienstes sorgt er dafür, dass bei der sozialen Betreuung alles rund läuft. „Heiligabend und am zweiten Weihnachtstag bin ich im Dienst, am ersten Feiertag bleibt Zeit, mit der Familie zu feiern.“ Seine Partnerin arbeite ebenfalls in einem sozialen Beruf, die Tochter kenne es von klein an, dass er oft an Feiertagen arbeite. Und an Heiligabend sei es auch schön, sich nach der Arbeit bei den Eltern an den gedeckten Tisch zu setzen.

„Hier im Pflegezentrum gibt es eine sehr große Bereitschaft, an Feiertagen zu arbeiten“, sagt Jäschke. „Die Atmosphäre ist besonders, es ist ruhiger als sonst, weil keine Arztbesuche oder Therapien anstehen. Einige Bewohner werden von ihren Familien abgeholt, andere bekommen Besuch. Es ist einfach schön, am Weihnachten der Bewohner teilzuhaben.“