Essen. In der Zeche Carl in Essen wird Gil Ofarim von einer Gemeinde überwiegend weiblicher Fans erwartet, die ihm auch in schwerer Zeit die Treue hält.
„Alles auf Hoffnung“ klingt schon ein wenig nach Verzweiflung, wenngleich das jüngste Album von Gil Ofarim – erstmals mit deutschen Texten – bereits 2020 veröffentlicht wurde. Rund 500 überwiegend weibliche Fans sind in die nahezu ausverkaufte Zeche Carl gekommen, um ihrem Idol, das auch bei den RTL-Passionsspielen in Essen im Frühjahr mitwirkte, emotional in schweren Zeiten beizustehen.
Manche wollten aber auch nur endlich die Tickets, die sie bereits vor zwei Jahren gekauft hatten, einlösen. Und einige wenige wollten vielleicht nur sehen, ob Gil Ofarim die Kette mit dem Davidsstern trägt. An ihr hängt nämlich entschieden mehr als am Erfolg dieses Albums. An ihr hängt die gesamte künstlerische Zukunft des 42-jährigen Sängers und Schauspielers, der als Sohn von Abi Ofarim schon früh ins Scheinwerferlicht des Schaugeschäfts getreten ist.
Leipziger Landgericht will Prozess im März nächsten Jahres eröffnen
Ja, er hat die Kette getragen, aber allein Hoffnung wird nicht reichen, wenn er den Prozess vor dem Leipziger Landgericht wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung, der auf März nächsten Jahres verschoben wurde, gewinnen will. Neben den strafrechtlichen Sanktionen, mit denen Ofarim konfrontiert wäre, fordert das Westin Hotel zudem einen Schadensersatz in Höhe von mehr als 100.000 Euro. Er hatte einen Hotel-Mitarbeiter des Antisemitismus bezichtigt und damit einen medialen Tsunami erzeugt, die Staatsanwaltschaft geht nach längeren Ermittlungen indes von einer Falschaussage Ofarims aus.
Trotz des rhythmischen Aufmunterungsklatschens wird der emotionale Druck bei dem Musiker spürbar. Er hängt sich physisch richtig rein und nutzt ganz offensichtlich seine Musik als Ventil. Von krachendem Gitarrensound umgeben legt er los und „Vom Ende der Traurigkeit“ klingt so, als würde allein heftiger Schallpegel ausreichen, depressive Gedanken aus dem Kopf zu fegen. Die Traurigkeit mag so vielleicht unterdrückt werden können und nicht mehr schmerzen, dafür aber der Bass, der immer wieder akustische Tiefschläge austeilt.
Beim Frauenchor im Publikum beeindruckt die Textsicherheit
Die Stimmung ist aufgeheizt, denn es ist das letzte Konzert der Tour und Ofarim verspricht einen regelrechten „Abriss“, der zudem auf Video festgehalten wird. Insbesondere auf seine weiblichen Fans ist Verlass, sie bilden einen auf den Punkt einsetzenden Frauenchor, dessen Textsicherheit beeindruckend ist. Für Live-Darbietungen hätte sich Ofarim die Mühe, deutsche Texte zu schreiben, aber eigentlich sparen können, denn begleitet von einem harten Rock-Mix aus Hardrock, Grunge und vereinzelt sogar Metal-Elementen sind die deutschen Texte bestenfalls fragmentarisch zu verstehen.
Anders als Peter Maffay ist Gil Ofarim stilistisch eher im Rock angesiedelt, doch Textstellen wie „wenn ich auch nicht weiß, wo es hinführt, so spür` ich doch die Freiheit in mir“ offenbaren, dass auch Ofarim bisweilen Grundberührung mit Schlager-Seichtigkeit hat. Er ist durch und durch Profi, weiß, was er an seinen Fans hat, und vergisst auch nicht, sich mit dem Lied „Danke“ erkenntlich zu zeigen.
Seine juristische Lage will er nicht kommentieren
Er sucht zudem das Bad in der Menge. Plötzlich taucht er gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Tal im hinteren Teil der Halle auf und singt auf Tuchfühlung mit den fotografierenden Fans „Everybody`s Talking at Me“ von Harry Nilsson, ein Song aus der musikalischen Anfangszeit der beiden Brüder, die später dann auf der Bühne auch noch den israelischen Folk-Klassiker „Hava Nagila“ anstimmen.
Seine juristische Lage will er nicht kommentieren, nur eins, „dass die, die am lautesten schreien, nicht zwangsläufig Recht haben“. Da liegt er sicher richtig. Nur um der Geschichtsklitterung vorzubeugen: Wer hat seinerzeit noch mal so laut den Antisemitismus-Vorwurf erhoben und den Hotelangestellten zum Opfer gemacht?