Essen.. Essens Kämmerer empfiehlt den schrittweisen Rückzug aus dem umstrittenen Kreditgeschäft. Ökonom: Spekulationsgeschäft. Die Stadt kostet das Millionen.
Die Stadt Essen bereitet sich auf einen schrittweisen Ausstieg aus dem Schweizer Franken vor. Eine erste Kreditmarge über 60 Millionen Franken soll Anfang April in Euro umgeschuldet werden. Dies hat Stadtkämmerer Lars-Martin Klieve am Montag dem Finanzausschuss des Rates empfohlen. Das Stadtparlament entscheidet Ende März. Noch hält die Stadt Kredite über 450 Millionen Franken.
Mit dem sukzessiven Rückzug aus dem umstrittenen Kreditgeschäft zieht die Stadt die Konsequenzen aus den massiven Verlusten, ausgelöst am 15. Januar durch die Entscheidung der Schweizer Nationalbank, den Wechselkurs der heimischen Währung zum Euro nicht länger bei 1,20 Franken zu halten, sondern freizugeben. In Folge dessen verlor der Euro im Verhältnis zum Franken massiv an Wert. Am Ende des Tages hatte die Stadt rechnerisch 75 Millionen Euro eingebüßt. Inzwischen hat sich der Wechselkurs erholt, der Verlust hat sich um ein Drittel reduziert auf rund 49 Millionen Euro.
Essener Spekulationsgeschäft: „Man dachte, man ist schlauer als der Markt“
Auf eine baldige „Genesung“ der europäischen Gemeinschaftswährung mag die Stadt dennoch nicht bauen. Zwar enthielt sich Professor Wim Kösters vom Rheinischen Institut für Wirtschaftsförderung (RWI) – vom Finanzausschuss als Experte hinzugezogen – jedweder Prognose. Gleichwohl wies der Ökonom auf die erheblichen Risiken hin, die mit einer Kreditaufnahme in Schweizer Franken verbunden sind. Dies galt laut Kösters im übrigen bereits 2002, als sich die Stadt erstmals für Kredite in der Fremdwährung entschied, um von dem Zinsvorteil zu profitieren. Im Vertrauen auf den seit Jahrzehnten stabilen Wechselkurs verzichtete die Stadt darauf, das Geschäft abzusichern. Kösters formulierte es so: „Man dachte, man ist schlauer als der Markt.“ Der Ökonom sprach von einem Spekulationsgeschäft. Man müsse „das Kind beim Namen nennen“. Ein Unternehmen, so der Wirtschaftsexperte, hätte sich so nicht verhalten.
Klieve wird das nicht gerne gehört haben. Ein Weiter so soll es aber aus Sicht des Kämmerers nicht geben. Denn dass der Kurs auf 1,35 Schweizer Franken je Euro steigen könnte, steht angesichts der ökonomischen Großwetterlage in Europa nicht zu erwarten. Erst ab diesem Kurs käme die Stadt schadlos aus dem Kreditgeschäft. Der Rat steht nun vor der Frage, ob die Stadt ihre Franken-Kredite auf einen Schlag ablösen soll. In diesem Fall wäre Essen „den Makel des Spekulanten los“, wie es Professor Kösters formulierte. Die Stadt würde aber mit einem Schlag Millionen verbrennen.
Der Stadtkämmerer empfiehlt der Politik, die Entwicklung des Wechselkurses zu beobachten und über die Umschuldung zu entscheiden, wenn die weiteren Margen fällig werden. Weitere 60 Millionen stünden im Juli an, rund 330 Millionen im Oktober.
Mit der Umschuldung der ersten 60 Millionen Franken würde die Stadt einen Verlust von sechs Millionen Euro verbuchen. Dieses Geld wäre weg. Unwiederbringlich.