Essen. Das Programm wurde bis zuletzt geheimgehalten: Wie der ungarische Pianist András Schiff sein Publikum in der Essener Philharmonie erstaunte.

„Carte blanche“: Das Programm eines Konzerts bis zuletzt geheimzuhalten, kann sich in unserem durchgeplanten, von Managern, Veranstaltern und Publikumserwartungen oft fremdbestimmtem Konzertbetrieb nicht jeder Künstler erlauben. András Schiff, der Grandseigneur der Pianisten-Elite, gönnte sich bei seinem 23. Auftritt im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr diesen auch für ihn außergewöhnlichen Luxus und genoss ihn in der Essener Philharmonie in derart vollen Zügen, dass er den anvisierten Zeitrahmen um gut eine Stunde überzog.

Mit seiner Erfahrung und seinem riesigen Repertoire ist es gewiss kein Problem, ein Programm spontan zusammenzustellen. Auch wenn man ihm glauben darf, dass er noch am Vormittag an der Werkfolge bastelte, war natürlich kein zusammenhangloses Ragout aus populären Zugstücken zu erwarten. Die Konzeption des Abends ließ ein Reflektionsniveau erkennen, in dem sich die Erkenntnisse eines langen Reifeprozesses niederschlugen.

Zu hören waren auch weniger bekannte Werke von Mozart

Er beschränkte sich auf Werke von Johann Sebastian und Bach und Wolfgang Amadeus Mozart, zwei seiner persönlichen Hausgötter, die er in Beziehungen setzte, die selbst für einigermaßen sachkundige Hörer manche verblüffende Überraschung bereithielten. Wofür er im Fall Mozarts nicht ohne Grund auf weniger bekannte Werke zurückgriff, die demonstrierten, wie stark sich Mozart von Bach inspirieren ließ.

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Vier Paarungen ähnlich gestimmter Stücke Bachs und Mozarts stellte Schiff zusammen, geordnet nach ihren Tonarten. Für das ernst gestimmte c-Moll wählte er das Ricercare aus Bachs „Musikalischem Opfer“ und Mozarts Fantasie in c-Moll aus. Lichtere Töne in barocken Tanzrhythmen schlug er mit Bachs Französischer Suite in G-Dur und einer Gigue von Mozart an. Bachs Todes-Tonart h-Moll klang im „Wohltemperierten Klavier“ und in einem Adagio von Mozart an. Und Mozarts besonders originelle Klaviersonate KV 332 und Bachs „Italienisches Konzert“, das einzig wirklich populäre Werk des Abends, standen Pate für das lebensbejahende F-Dur.

Gelassene Überlegenheit trifft auf spieltechnische Brillanz

Mit gelassener Überlegenheit, disziplinierter Konzentration und spieltechnischer Brillanz konnte sich das Publikum nicht nur an reifen Interpretationen genialer, in den meisten Fällen gar so nicht bekannter Meisterwerke erfreuen, sondern auch an einem Zugewinn an Wissen und Erfahrung.

Begeisterter Beifall, dem ein frischer, silbrig perlender Vortrag von Mozarts schlichter „Sonata facile“ folgte. Ein im Klavierunterricht oft misshandeltes Werk, das nur scheinbar „facile“ (leicht) ist, wenn man die Ansprüche eines András Schiff ernst nimmt.