Essen/Düsseldorf.. Die Opposition im Landtag sieht im Tötungsfall in Altendorf ein Symptom für Probleme in der Justiz-Praxis. FDP: „In Essen hatte das nun dramatische Folgen“.
Kann die Justiz nach den nun bekannt gewordenen Vorgängen und Zeitabläufen im Fall des 16-jährigen Intensivtäters in Altendorf zur Tagesordnung übergehen? „Ich habe großes Verständnis für die Fragen der Angehörigen“, sagt Jugendrichter Eckhard Meierjohann Spekulationen aber würden niemandem helfen und seien unseriös.
Ein landespolitisches Nachspiel hat der Fall dennoch. Die Opposition im Landtag will von NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) wissen, ob das Opfer womöglich sterben musste, weil die Mühlen des Rechtsstaates zu langsam mahlten. „Die Wartezeiten zwischen Rechtskraft und Arrest-Antritt sind viel zu lang. In Essen hatte das nun dramatische Folgen“, kritisierte FDP-Rechtspolitiker Dirk Wedel, der selbst Richter am Landgericht ist. Gerade im Umgang mit jugendlichen Gewalttätern müsse der Rechtsstaat alle ihm zu Verfügung stehenden Register ziehen, so Wedel. Auch CDU-Rechtsexperte Jens Kamieth zeigte sich alarmiert: Es sei „ein Unding“, dass ein einschlägig wegen Gewaltdelikten verurteilter Jugendlicher wiederholt gegen Bewährungsauflagen verstoßen könne und ein verhängter Beugearrest wochenlang nicht vollstreckt werde.
Justizministerium: „Täter hätte seinen Arrest absitzen können und müssen“
Das Justizministerium widersprach der Darstellung des Amtsgerichts Essen, Kapazitätsengpässe im Jugendarrest hätten dafür gesorgt, dass der Täter zum Zeitpunkt des Überfalls überhaupt noch auf freiem Fuß sein konnte: „Es gab kein Kapazitätsproblem in Bottrop. Der Täter hätte seinen Arrest absitzen können und müssen.“ Eine Sprecherin des Amtsgerichts Essen hatte dagegen im WDR-Fernsehen angedeutet, dass es an Arrestplätzen gefehlt habe: „Selbstverständlich, Kapazität ist ein Kriterium, wie schnell so etwas vollzogen wird“, sagte sie dort.
Dass „zügig gearbeitet“ worden sei, wie das Justizministerium erklärte, will die Opposition im Landtag so nicht stehen lassen. Vielmehr sei der tragische Essener Fall als Symptom eine verfehlten Justizpolitik zu bewerten. FDP-Rechtspolitiker Wedel hinterfragte, warum bei einem polizeibekannten Gewalttäter nach „Schema F“ verfahren wurde. Zudem sei Kutschaty bei der vor fünf Jahren angekündigten engeren Kooperation von Justiz, Polizei und Jugendhilfe gegenüber Intensivtätern („Häuser des Jugendrechts“) bis heute Taten schuldig geblieben.
CDU-Rechtsexperte Kamieth forderte als erste Konsequenz aus dem Essener Fall den Stopp des beabsichtigten Rückbaus von Zellen in NRW: „Justizminister Kutschaty muss nach diesem Vorfall erklären, ob er weiterhin an seinem unverantwortlichen Plan festhalten will, in den kommenden Jahren knapp 170 Haftplätze im NRW-Strafvollzug abzubauen.“ Solange verurteilte Intensivstraftäter aus Platzmangel nicht eingesperrt würden, dürfe Rot-Grün keine Haftkapazitäten streichen – egal ob im Straf- oder im Jugendarrestvollzug, so Kamieth.