Wahllokal im Essener "Thriller"-Wahlkreis öffnete mit Verspätung
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Essen. Ausgerechnet in dem Wahlkreis, in dem drei Stimmen über das Direktmandat zugunsten der CDU entschieden, kam die Vorsitzende des Wahlvorstands eine halbe Stunde zu spät. Folge: Viele Bürger mussten ohne wählen zu können wieder abziehen. Hätte ohne diese Panne die SPD gewonnen?
Mit nur drei Stimmen Differenz ging der Wahlkreis 120 Essen-Süd und -West an Matthias Hauer von der CDU, was bundesweit für Aufsehen sorgte. Und ausgerechnet in diesem denkbar knapp entschiedenen Wahlkreis ist es am Wahlsonntag zu einer schweren Panne gekommen, die etliche Bürger daran hinderte, ihr Wahlrecht pünktlich ausüben zu können. Das räumte am Mittwoch die Stadtverwaltung ein, nachdem ein Mitglied des Wahlvorstands den Vorgang öffentlich gemacht hatte.
Passiert ist ein Klassiker unter den Wahltags-Pannen: Die Vorsitzende des Wahlvorstands des Wahllokals im Schulgebäude Adelkampstraße in Frohnhausen war am Morgen nicht um 8 Uhr zur gesetzlich vorgeschriebenen Öffnungszeit erschienen, sondern erst nahezu eine halbe Stunde später. Und nur sie hatte den Schlüssel für die Wahlurne. „Verschlafen“ - das soll die junge Frau, die bei der Stadt Essen arbeitet, als Entschuldigung vorgebracht haben.
„Ich habe selbst gesehen, wie einige ihre Wahlbenachrichtung zerrissen“
Die Folgen jedenfalls: Etliche Bürger, die früh am Morgen wählen wollten, konnten dies nicht und zogen teils verärgert wieder ab. „Es gab wütende Szenen“, berichtet Wolfgang Arnz, Beisitzer des Wahlvorstands. „Ich habe selbst gesehen, wie einige ihre Wahlbenachrichtigung zerrissen und ankündigten, nicht mehr wiederzukommen“, so Arnz.
Wahlkrimi in Essen
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All dies habe sich abgespielt, während Arnz und die anderen Mitglieder des Wahlvorstands verzweifelt versuchten, die Wahlurne auch ohne Schlüssel benutzbar zu machen. „Nach Rücksprache mit dem Wahlamt hat der Schulhausmeister das Schloss mit einem Bolzenschneider aufgebrochen“, berichtet Arnz, und Stadtsprecherin Nicole Mause bestätigte diesen Notbehelf. Als die Urne endlich offen war und laut Protokoll der Stadt schließlich um exakt 8.27 Uhr auch die Vorsitzende eintrudelte, waren potenzielle Wähler aber eben bereits wieder gegangen.
SPD-Kandidatin Petra Hinz lag in diesem Stimmbezirk weit vorn
Wolfgang Arnz stellt die entscheidende Frage: „Was ist, wenn von diesen vielleicht 20 Wählern 13 oder 14 die SPD-Kandidatin Petra Hinz gewählt hätten?“ Die Antwort ist einfach. Dann wäre der Wahlkreis, nicht mit drei Stimmen Vorsprung an den CDU-Kandidaten gegangen, sondern ähnlich knapp wäre dann Petra Hinz als erste durchs Ziel gegangen.
Abwegig ist diese Rechnung schon deshalb nicht, da Frohnhausen von allen Stadtteilen im Süd-Wahlkreis am klarsten zur SPD tendiert. Die Erststimmenbilanz in diesem Wahllokal sah am Ende so aus: 269 Stimmen konnte Matthias Hauer erringen, aber 428 Stimmen Petra Hinz. Da ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass auch bei den Wählern, die aus Wut weggingen und womöglich nicht wiederkamen, die Mehrheit der SPD-Kandidatin ihre Stimme gegeben hätte.
Bürger können sich beim Bund über Panne in Frohnhausen beschweren
Was nun? Die Stadt sieht keine Verpflichtung, trotz der besonderen Umstände nun etwa die Wahl im Wahllokal Adelkampstraße zu wiederholen. „Der Kreiswahlausschuss kann in solchen Fällen gar nichts machen“, sagt Nicole Mause.
In Essen werde derzeit nur geprüft, ob der Wahlkreis eventuell neu ausgezählt werden muss. Hinweise auf Zählfehler gebe es weiterhin keine, die Prüfung dauere aber noch an und werde am Mittwoch abgeschlossen.
Essens SPD-Chef Dieter Hilser will sich die Sache zwar erst mal „in Ruhe anschauen“, ist aber schon der Meinung: „Irgendjemand sollte klären, was das nun für Folgen hat. Ich bin aber froh, dass ich das nicht entscheiden muss.“
Was das verspätet geöffnete Wahllokal in Frohnhausen betrifft, gibt die Stadt folgenden Hinweis: Jedem Bürger stehe es natürlich frei, sich beim Wahlprüfungsausschuss des Bundes zu beschweren. Allerdings sei die Rechtslage so, dass auch eine in der Sache berechtigte Beschwerde nur dann Aussicht auf Erfolg hätte, wenn die zugrundeliegende Verfehlung auf die Sitzverteilung des Bundestags Einfluss nehme.
Vor der letzten Wahl-Reform hätte das der Fall sein können, da hätte es für die Gesamt-Sitzverteilung durchaus einen Unterschied gemacht, ob nun ein SPD- oder ein CDU-Kandidat das Direktmandat erringt. Das System an Überhang- und Ausgleichsmandaten nimmt den Dingen da etwas die Spitze.
Dennoch ist der Stadt Essen dieser Fehler im derzeit vielleicht bekantesten Wahlkreis der Republik natürlich denkbar unangenehm.
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