Essen. Mit Hilfe von Satelliten und Feuchtigkeitssensoren entwickelt die Stadt Essen ein System zur Bewässerung von Bäumen. So funktioniert’s.

Ist der verregnete Sommer für Essens Baumbestand nicht mehr als eine Atempause? Experten erwarten weitere Hitzeperioden, so wie in den Jahren 2018 und 2019, als die Bäume entlang der Straßen mit Millionen Litern Wasser gegossen werden mussten. Dennoch: 34.000 Bäume hat die Stadt durch so genannten Trockenstress verloren. Und jeder vierte Baum schwächelt. Ein vielversprechendes Projekt soll dabei helfen, Bäume in Zukunft frühzeitig und gezielt zu wässern – mit Hilfe der Digitalisierung.

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„TreeCop“ heißt das Projekt, an dem das Amt für Geoinformation gemeinsam mit Grün und Gruga und der Universität Trier seit nunmehr einem Jahr zusammen arbeitet. Den Anstoß für die Kooperation gab ein Vortrag der Hochschule beim Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik über eine Methode, mit der das Land Rheinland-Pfalz erfasst, inwieweit Wälder bereits unter Trockenstress leiden, berichtet Frank Knospe, Leiter des Amtes für Geoinformation der Stadt Essen. Die Forscher an der Universität Trier bedienen sich dafür Satellitenaufnahmen und erhalten so Aufschluss über den Chlorophyllgehalt der Blätter und damit über den Gesundheitszustand der Bäume.

45 Geräte zur Feuchtigkeitsmessung sind in Essen bereits im Einsatz

„Anhand der Satellitenaufnahmen kann man die Auswirkungen von Trockenstress sehen. Wir wollten aber wissen, wie sich Trockenstress vermeiden lässt“, erläutert Frank Knospe. Das bedingt aussagekräftige und vor allem frühzeitige Informationen.

Diese liefert ein mit Sensoren ausgestatteter kleiner Kasten, nicht viel größer als eine Zigarrenschachtel. Der Apparat wird dicht unterhalb der Grasnarbe Wurzelbereich eines Baumes vergraben und ermöglicht Rückschlüsse auf die Saugspannung.

Saugspannung? Jan Schäfer, Sachgebietsleiter im Amt für Geoinformation, vergleicht diese mit einem kräftigen Zug an einem Strohhalm. Soll heißen: An einem gewöhnlichen Strohhalm in einer Limonadenflasche muss man weniger stark saugen als an einem meterlangen Strohhalm wie sie auf Mallorcas Partymeile in einem Eimer voll Sangria gereicht werden.

Die Daten werden übertragen, ausgewertet und mit Satellitenbildern abgeglichen

Je trockener der Boden, desto mehr Energie muss ein Baum aufbringen, um sich mit Wasser zu versorgen. Um die Saugspannung berechnen zu können, messen Sensoren den elektrischen Widerstand im Boden in unterschiedlichen Tiefen – in 30, 60 und 100 Zentimeter. Die Daten werden über ein Datenfunknetz der Stadtwerke Essen übertragen, am Computer ausgewertet dann mit den Satellitenaufnahmen abgeglichen. Alle drei Tage überfliegt der Satellit das Stadtgebiet, das er in zehn Mal zehn Meter großen Rastern erfasst.

Försterin Sally Retz und ihr Kollege Norbert Bösken betreuen das Projekt bei Grün und Gruga. Sie können anhand der Daten Rückschlüsse ziehen: Welche Baumart ist besonders widerstandsfähig gegen Trockenstress? Welchen Einfluss hat der jeweilige Standort? Wann und wie oft müssen sie gegossen werden, damit es gar nicht erst zu Trockenstress kommt.

Alle sieben Tage gießen

Straßenbäume ab einem alter von 30 Jahren haben sich laut Grün und Gruga soweit an ihre Umgebung angepasst, dass sich weniger schnell unter Trockenstress leiden. Anders sieht es mit jungen Bäumen aus. Sie müssen bei längeren Trockenperioden regelmäßig gegossen werden. Ein junger Baum benötigt alle sieben Tage 100 Liter Wasser. Für einen Gießdurchgang benötigt Grün und Gruga 800.000 Liter Wasser.

45 Messgeräte zur Datenerfassung haben die Förster im Stadtgebiet verteilt, 15 davon in Wäldern als Referenzpunkte. Denn der Fokus liegt auf den 200.000 Straßenbäumen. Im kommenden Jahr sollen weitere 100 Geräte folgen, um ein möglichst vollständiges Bild zu ermitteln. Frank Knospe geht davon aus, dass nach drei Jahren ein repräsentatives Modell für die Stadt Essen vorliegt. In einem nächsten Schritt soll dieses Modell zunächst auf Mülheim, Bochum und Dortmund ausgeweitet werden und schließlich auf das gesamte Ruhrgebiet.

Das Ziel sei Bewässerungsmodell, mit dessen Hilfe sich die knappe Ressource Wasser gezielt einsetzen lässt – auch, um Geld zu sparen. Insgesamt 1,2 Millionen Euro hat Grün und Gruga 2018 und 2019 für die Bewässerung von Straßenbäumen ausgegeben. Ein einziger Durchgang versucht Kosten in Höhe von 30.000 Euro. In diesem Jahr war es damit bislang getan. Aber das kann sich im kommenden Jahr schon wieder ändern.