Essen-Holsterhausen. Im Essen-Holsterhausen werden stadtweit die meisten Methadon-Patienten behandelt. Sie brauchen mehr Hilfe, fordern SPD und Essener Suchthilfe.
Im Stadtteil gibt es seit längerer Zeit Diskussionen über das Verhalten von Methadon-Patienten in der Öffentlichkeit. Die Debatte hat Kreise gezogen und inzwischen befasst sich die Politik mit dem Thema.
Eine Szene, die sich einmal mehr vor wenigen Tagen im Zentrum von Holsterhausen abspielte, verärgert Anwohner: An einer der Ausgabestellen für Methadon hatte sich draußen vor Tür eine Schlange von rund 20 Leuten gebildet. Einige der Klienten führten große Hunde mit sich, mehrere unterhielten sich lautstark, versperrten mitunter Fußgängern den Weg. Dass sich solche Vorfälle häufen, liege an einer Besonderheit, sagt der örtliche SPD-Chef Benno Justfelder. „In Holsterhausen bestehen gleich drei Ausgabestellen, so viele wie in keinem anderen Stadtteil.“ Es bestehe Handlungsbedarf, so der Sozialdemokrat, der nicht nur über Parteigrenzen hinweg Unterstützung erfährt, sondern vor allem auch von der Essener Suchthilfe.
Laut Essener Drogenhilfe bekommt ein Viertel aller Betroffenen sein Methadon in Holsterhausen
„Nach unserem Kenntnisstand erhalten rund 200 Klienten ihr Methadon in Holsterhausen, die aber aus ganz verschiedenen Stadtteilen stammen“, sagt Sprecher Frank Langer. Damit handele es sich um rund ein Viertel aller Betroffenen in Essen. Die Häufung komme dadurch zustande, dass das LVR-Klinikum zwei Ausgabeorte unterhalte und zudem auch ein Arzt mit einem medizinischen Versorgungszentrum in dem Stadtteil tätig sei. Angesichts geringer Personalstärke könne die Suchthilfe sich aber nun mal nicht in dem Maße um die Patienten kümmern, wenn sie sich in Holsterhausen aufhalten.
Vor rund 30 Jahren als Modellprojekt gestartet
Dass drei Ausgabestellen in Holsterhausen existieren, ist einer besonderen historischen Entwicklung geschuldet. Das LVR-Klinikum hatte in den 1990er Jahren zunächst an einem Modellprojekt des Landes zu Methadon teilgenommen, anschließend wurde daraus eine dauerhafte Einrichtung. Aufgrund der hohen Nachfrage etablierte das Klinikum neben dem Standort Virchowstraße einen zweiten an der Cranachstraße, unter anderem, weil sich wenige Ärzte zur Ausgabe bereitfanden. Vor gut drei Jahren ist aber nun doch ein Mediziner nach Holsterhausen gezogen, der zusätzlich eine Ausgabestelle unterhält.
„Wenn wir von einem Vorfall hören, schicken wir natürlich einen Streetworker dorthin, der den Kontakt zu den Leuten sucht und sie auf Verhaltensregeln hinweist.“ Doch da man nur über zwei halbe Stellen für Streetworker verfüge und die beiden Mitarbeiter auch noch eine Fülle an anderen Aufgaben zu erledigen hätten, bleibe für einen Einsatz in Holsterhausen kaum die erforderliche Zeit. Die Lage in dem Stadtteil stehe immer wieder auf der Agenda der Suchthilfe. Eine personelle Aufstockung wäre dringend erforderlich.
Sozialdemokraten schlagen vor, einen eigenen Raum für die Klienten einzurichten
Darauf zielen auch die Anträge der SPD Holsterhausen an die Bezirksvertretung und den Sozialausschuss ab, wie Julia Jankovic, SPD-Ratsfrau für Holsterhausen und sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, unterstreicht. Danach soll die bestehende aufsuchende Arbeit gestärkt werden. Man müsse nach akzeptablen Lösungen suchen. Nach Ansicht von Jankovic und Justfelder könnte dazu gehören, ein leerstehendes Ladenlokal anzumieten, damit sich die Klienten dort vorübergehend aufhalten können. Angesichts von Corona müsse man sicherlich noch genau prüfen, wie sich die Idee konkret umsetzen lasse. Die Bezirksvertretung hat mit Mehrheit inzwischen dem Antrag zugestimmt und zudem eine Ausweitung der Unterstützung für Altendorf gefordert. Der Sozialausschuss tagt am 16. März um 15 Uhr im Rathaus.
Hatten die Klienten lange Zeit einen Treffpunkt an der inzwischen abgerissenen Berufsschule (heute Standort der Cranachhöfe), verteilen sie sich inzwischen auf Orte an der Melanchthon-Kirche, der Keplerstraße oder der Adolf-Schmidt-Straße, berichtet der Ortsvereinsvorsitzende. Durch die Pandemie seien größere Ansammlungen nun mal nicht mehr erlaubt. Allerdings heißt es von Seiten der Stadt, dass durchaus zu den Ausgabezeiten „größeres Personenaufkommen“ zu verzeichnen sei. Bei Beschwerden werde der Kommunale Ordnungsdienst durch eine gezielte Ansprache der Leute tätig. Meist gelinge es, die Situation zu entspannen.
LVR-Mediziner: Menschen haben meist eine schwierige Lebensgeschichte
Die Patienten würden darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich nach der Vergabe nicht im unmittelbaren Umfeld der Ambulanz aufhalten sollen, so Professor Norbert Scherbaum vom LVR-Klinikum. Zudem weist er aber auch darauf hin, dass die Betroffenen unter vielfältigen Krankheiten leiden würden, sowohl körperlicher als auch psychischer Art. Ohne die Behandlung bestünde für sie die Gefahr, früh zu sterben. Die Menschen hätten mit massiven sozialen Problemen zu kämpfen, sagt er, hätten in den meisten Fällen eine von Beginn an schwierige Lebensgeschichte. Arbeitslosigkeit, Schulden und Hafterfahrung prägten ihr Leben. Die jahrelange Abhängigkeit von Heroin führe meist auch zur Beschaffungskriminalität, ergänzt Frank Langer. Dass durch den Umstieg auf Methadon das Heroin aber nicht mehr notwendig ist, trägt wesentlich zu folgender Einschätzung von Scherbaum bei: „Durch das Methadonprogramm werden neben gesundheitlichen auch soziale Probleme verringert.“
Wenn aber, erklärt der ärztliche Leiter, Probleme in Holsterhausen bestünden, wäre ein runder Tisch von Vertretern aus dem Stadtteil und den behandelnden Institutionen sinnvoll. Dadurch ließen sich die Situation und benötigte Personalkapazitäten einschätzen.