Essen-Kettwig. Die Pandemie stellt die Schüler an der Jakob-Muth-Schule in Essen-Kettwig vor besondere Herausforderungen. Das neue Leitungsteam erklärt, warum.

Draußen ist es winterlich ungemütlich, das Spielen auf dem Schulhof bei den Mädchen und Jungen also nicht so angesagt. Sobald die Temperaturen steigen und die Sonne vom Himmel lacht, wird der neue Kletterturm auf dem Gelände der Jakob-Muth-Schule aber garantiert schnell belagert sein. Da sind sich Schulleiter Jakob Scheidgen und seine Stellvertreterin Marion Stöckel einig.

Die Schüler kommen aus dem gesamten Essener Stadtgebiet

Die Beiden sind das neue Führungsteam an der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung für die Klassen Eins bis Vier. Seit dem Herbst 2021 sind sie in der Einrichtung am Bögelsknappen in dieser Funktion, wobei Jakob Scheidgen ein Neuling in Kettwig ist, Marion Stöckel bereits seit 18 Jahren an der Förderschule unterrichtet. „Ich bin hier wohl eine der Dienstältesten“, sagt die 62-Jährige lachend.

Jakob Scheidgen (38) ist seit August 2021 Schulleiter an der Förderschule in Essen-Kettwig.
Jakob Scheidgen (38) ist seit August 2021 Schulleiter an der Förderschule in Essen-Kettwig. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Jakob Scheidgen, 38 Jahre, sieht die Zusammenarbeit mit einer erfahrenen Kollegin als sehr vorteilhaft an, zumal im Kollegium gerade ein Umbruch stattfinde. „Wir haben einige neue Kräfte dabei, andere sind gegangen. Da muss man sich erst als Team finden.“ Die 100 Schülerinnen und Schüler – sie kommen aus dem gesamten Essener Stadtgebiet – werden von aktuell 23 Lehrkräften unterrichtet, hinzu kommen unter anderem noch Schulsozialarbeiter und Mitarbeiter der Jugendhilfe. „Es sind rund 30 Leute“, zählt Jakob Scheidgen auf.

Stellvertretende Schulleiterin ist Marion Stöckel (62). Sie ist bereits seit 18 Jahren an der Förderschule tätig.
Stellvertretende Schulleiterin ist Marion Stöckel (62). Sie ist bereits seit 18 Jahren an der Förderschule tätig. © FUNKE Foto Services | Fotograf Kerstin Kokoska

Beheimatet ist Jakob Scheidgen in Fischlaken, hat mehrere Stationen im Bereich Sonderpädagogik und Inklusion hinter sich, war bereits in leitenden Funktionen an Mülheimer und Essener Schulen tätig, bevor ihn sein Weg an die Förderschule in Kettwig führte. Der Einstieg in dieser besonderen Pandemielage sei schon eine große Herausforderung, sagt er. Wie an den anderen Schulen auch sei das Testverfahren auf Corona sehr zeitaufwendig, man habe aber inzwischen Routinen entwickelt.

Pandemie führt zu Bewegungsmangel

„Insbesondere in Folge der Pandemie leidet unsere Schülerschaft aufgrund der reduzierten Sportangebote nach der Schule an Bewegungsmangel“, macht Scheidgen aber auch deutlich. Der neue Kletterturm schaffe in den Pausen wieder entsprechende Angebote. Er sei der Stadt Essen dankbar, dass es so zügig geklappt habe mit dem Ersatz der bislang aus Holz bestehenden Klettergeräte.

Bewegung ist ein wichtiger Faktor im Alltag der Förderschule. Stöckel: „Wir sorgen während des Unterrichts immer wieder für Phasen der Entspannung nach einer Lernanforderung.“ Ein bis zwei Jahre hinter dem emotionalen und sozialen Entwicklungsstand von Gleichaltrigen seien die Schüler im Schnitt. Lernen in der Gruppe überfordere sie häufig, ergänzt Scheidgen, die Förderung erfolge deshalb in Kleingruppen.

Digitale Displays in allen Klassenräumen

Mit einem gemeinsamen Frühstück werden ritualisierte Tagesabläufe eingeübt, die den Kindern Sicherheit geben sollen. „Die Kinder sind genauso intelligent wie andere, lernen genauso gut, sie besitzen aber eben ein hohes Maß an Individualität“, erklärt der Schulleiter. Projekte wie eine Zirkusvorstellung – 2016 in Kooperation mit der Schmachtenbergschule – seien ein Glücksfall, erinnert sich Marion Stöckel. „Das war anlässlich unseres 25-jährigen Bestehens.“ Nach der Pandemie könne man vielleicht so etwas wieder planen.

Im Moment konzentrierte man sich jedoch darauf, die coronabedingten Lücken aufzuholen, so Scheidgen. Er sei froh, dass die Jakob-Muth-Schule zu den ersten Schulen in Essen gehöre, die flächendeckend mit WLAN und digitalen Displays in allen Klassenräumen ausgestattet werde. „Dies stellt einen bedeutenden Schritt für Teilhabe und medienpädagogische Bildung für unsere Schülerschaft dar“, so Marion Stöckel.

>>> Namensgeber ist Pionier des gemeinsamen Lernens

Jakob Muth (1927-1993) setzte sich schon früh für eine gemeinsame Erziehung behinderter und nicht behinderter Kinder ein. Der Pädagoge war überzeugt, dass jedes gute Beispiel bei den Kindern Früchte trägt.

Die Förderschule am Bögelsknappen wurde vor 31 Jahren begründet. Sie war die erste ihrer Art mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung für die Klassen Eins bis Vier.
Die Förderschule am Bögelsknappen wurde vor 31 Jahren begründet. Sie war die erste ihrer Art mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung für die Klassen Eins bis Vier. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Er prägte Generationen von Lehrkräften und gilt als ein Vorkämpfer des gemeinsamen Lernens und Vordenker der Gesamtschule. Viele deutsche Förder- und Grundschulen tragen seinen Namen; die Förderschule in Kettwig am Bögelsknappen wurde 1991 begründet.

In Kettwig war Muth als Professor an der dort ansässigen Pädagogischen Akademie, später Pädagogische Hochschule Duisburg, als Rektor tätig. Von 1970 bis zu seiner Emeritierung im Juni 1992 arbeitete er an der Ruhr-Universität Bochum. Er verfasste rund 400 Schriften zur Schulpädagogik.

Engagierter Sozialdemokrat im Rat

Gelebt hat Jakob Muth, ein engagierter Sozialdemokrat und Gewerkschafter, in Heiligenhaus, wo er von 1969 bis 1980 dem Stadtrat angehörte. Im Jahr 2015 ehrte die Stadt den berühmten Reformpädagogen mit einem Straßennamen auf einem Gelände, auf dem der Campus Velbert/Heiligenhaus der Hochschule Bochum entstanden ist.

Seit dem Jahr 2009 vergeben die Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, die Bertelsmann Stiftung und die Deutsche Unesco-Kommission (DUK) den Jakob-Muth-Preis für inklusive Schule. Seitdem gab es über 600 Bewerbungen und 25 Preisträger aus insgesamt zwölf Bundesländern. Die Bewerber- und Preisträgerschulen gelten immer wieder als besonders inspirierende Beispiele für Inklusive Bildung.