Essen. Puzzeln statt Pils zapfen: Wie “Heimliche Liebe“-Wirt Stefan Romberg das Lokal im Lockdown nutzt und weiter auf Zahlung der Corona-Hilfen wartet
An Tisch sieben hat der sechsjährige Max an diesem Mittag sein neues Schleim-Labor aufgebaut, ein Weihnachtsgeschenk. Während seine Schwestern Maja (12) und Jule (9) vis-à-vis der großen Theke ihre Bierdeckel-Häuser gerade in neuen Rekordhöhen hochziehen. An Baumaterial mangelt es momentan ohnehin nicht. Seit November wird in der "Heimlichen Liebe" nichts mehr ausgeschenkt. Die Theke ist seit Wochen so verwaist wie die große Gaststube. Inzwischen hat Betreiber Stefan Romberg aus der Not eine Tugend gemacht und das Restaurant mit Panoramablick zum wohl größten Spielzimmer der Stadt umfunktioniert.
Statt Schnitzel, Steak und Flammkuchen türmen sich auf jedem der Tische nun Lego-Steine und Gesellschaftsspiele. So familienfreundlich das auch daherkommt, überspielt es doch nicht die Krise, in der sich Romberg und viele Kollegen befinden.
Im großen Gastraum sind die Kinder auch schon Rollschuh gefahren
Seinen drei Kindern zumindest hat Corona in die Karten gespielt. So viel gemeinsam gezockt und gepuzzelt, gerätselt und gemalt wurde in der Familie lange nicht. Selbst der übermütige Beagle-Welpe als neues, sechstes Familienmitglied weiß den Auslauf im Gastraum zu schätzen, der eine Weile auch schon mal Rollschuhbahn war, bevor der neue Boden gelegt worden ist: Was in diesen Tagen verhindert, dass sich die Rombergs sonst auch noch den aufblasbaren Gartenpool ins Haus geholt hätten. "Aber meine Frau hatte Bedenken, wegen des vielen Wassers", lächelt der Gastwirt. Die "Heimliche Liebe" hübscht sich für die neue Saison auf, obwohl auch Romberg nicht weiß, wer am Ende alles zu den großen Verlierern des wochenlangen Lockdowns gehören wird.
Warten auf die Hilfsgelder: Bislang gab es nur einen Abschlag
In November und Dezember ist der Umsatz um 90 Prozent eingebrochen. Die Monate Januar und Februar hat der Wirt wie so viele Kollegen auch schon abgeschrieben. "Das sind sowieso tote Monate, da meckert kein Gastronom, wenn er die Fixkosten bezahlt bekommt." Doch die Auszahlung der versprochenen Hilfen stockt. "Die Dezemberlöhne konnte ich nur zahlen, weil am 30. Dezember der erste Abschlag der Novemberhilfe kam", berichtet Stefan Romberg. Der Abschlag in Höhe von 10.000 Euro aber reiche gerade aus, "dass man wichtige Dinge teilweise bezahlen kann", erklärt der Wirt.
Doch während das Warten auf den endgültigen Bescheid für Romberg ein Geduldsspiel bleibt, duldet der Gewerbesteuerbescheid keinen Aufschub. Auf die Bitte um Stundung bekam Romberg erst einmal die Aufforderung, doch bitte zu erklären, dass er dazu auch wirklich berechtigt sei. Der 41-Jährige hat innerlich tief geseufzt und die Arme ein bisschen hilflos hochgezogen: "Ich bin Gastronom, mein Laden ist seit Monaten dicht, was soll ich da noch erklären."
"Ich hoffe, dass ich mit den ersten Sonnenstrahlen draußen wieder öffnen kann"
Zumindest der Außer-Haus-Verkauf funktioniert noch an den Wochenenden. Glühwein, Waffeln und Muttis Eintopf zum Mitnehmen sind gefragt. Ein kleiner Lichtblick, sofern die Einnahmen des Takeaway-Geschäfts am Ende tatsächlich nicht auf die Nothilfen der Bundesregierung angerechnet werden. Romberg hofft. Und wünscht sich, "dass ich mit den ersten Sonnenstrahlen draußen wieder öffnen kann." Dann bitteschön aber auch dauerhaft.
Der Gastronom leidet bis heute an Nebenwirkungen der Corona-Erkrankung
Draußen, da steht auch das weiße Zelt, das Romberg im Oktober extra für die kalten Monate bis März gemietet hat, um Gäste auch im Winter mit möglichst viel Frischluftzufuhr bewirten zu können. Zum Einsatz ist es bislang nicht gekommen, "vielleicht nutze ich es am Ende nicht mal vier Wochen". Romberg ist einer, der dran bleibt, aber nicht drängt. Schon früh haben der 41-Jährige und seine Frau Maren die Folgen von Covid-19 am eigenen Leib zu spüren bekommen. Nach einer Feier im Lokal mit zwei Ischgl-Heimkehrern waren knapp 30 der Gäste angesteckt. Seitdem gehört der Gastwirt nicht zu der Fraktion, die die Folgen einer Corona-Erkrankung herunterspielt. Bis heute leidet Romberg unter leichten Nebenwirkungen wie Geschmacks-Einschränkungen.
Vor dem Weihnachtsgeschäft hat er in einem Offenen Brief an die Politik sogar gewarnt, die Restaurants und Kneipen zwischen Weihnachten und Silvester wieder aufzumachen. Es rechne sich angesichts der strengen Hygienevorgaben und der absehbar wenigen Gästen einfach nicht. Doch so sehr Corona derzeit auch die Spielregeln diktiert: Das ganz große Puzzle hat Stefan Romberg voller Zuversicht schon wieder in den Schrank gepackt: "Das schaffen wir bis zum Neustart nicht!"