Essen-Holsterhausen. Ab 1. August sollen Stadtterrassen in Essen-Holsterhausen zum Verweilen einladen. Dafür fallen aber Parkplätze weg. Das gefällt nicht jedem.
Von August bis Ende September fallen in Holsterhausen bis zu sieben Parkplätze weg: Im Rahmen des Forschungs- und Praxis-Projektes „Be-MoVe“ lässt die Stadt mehrere Parklets aufbauen, die als sogenannte Stadtterrassen fungieren und Bürgerinnen und Bürgern eine Aufenthaltsmöglichkeit bieten sollen. Sie werden dort errichtet, wo derzeit Autos parken. Nach dem Testzeitraum soll dann bewertet werden, wie das Projekt ankam. Allerdings ist schon jetzt nicht jeder glücklich über den Wegfall der Parkmöglichkeiten.
Nach einer ersten Mitteilung der Stadt meldeten sich in den sozialen Medien bereits viele kritische Stimmen zu Wort. „Ja super, dann fahre ich nach meinem Schichtdienst nicht nur 15 Minuten um den Block, um einen Parkplatz zu suchen, sondern 30 Minuten. Sollte mir dann schon einmal mindestens 200 Euro im Monat fürs Falschparken einplanen“, schrieb zum Beispiel eine Anwohnerin unter einem Artikel unserer Redaktion. Ihren Kommentar markierten über 100 Nutzerinnen und Nutzer mit „Gefällt mir“.
CDU in Essen-Holsterhausen spricht von „massiven Eingriffen“
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Auch um die Auswirkungen auf den Einzelhandel an der Gemarkenstraße machten sich viele Gedanken. „Vom Verweilen hat noch kein Einzelhändler überlebt. Manchmal sind kurze Wege und geringe Verweildauer ein entscheidendes Kaufkriterium“, gab ein Facebook-Nutzer zu bedenken. Ein anderer kommentierte: „Ich war vor einer Stunde auf der Rüttenscheider Straße shoppen, alle Händler berichteten mir von Umsatz-Einbruch (...) wegen genau dem oben Beschriebenen.“
Auch die CDU Holsterhausen hat sich nun kritisch zu Wort gemeldet. „Massive Eingriffe wie die bis zu sieben Stadtterrassen, welche die Anwohner und die Gewerbetreibenden auf einer ohnehin nicht ungefährdeten Einkaufsstraße über Wochen belasten, sind aus unserer Sicht nicht ausgewogen“, erklärte Andreas Kalipke, Vorsitzender der Holsterhauser Christdemokraten und Ratsherr für den Stadtteil. „Holsterhausen ist für uns weder Labor noch Experiment, sondern hier leben konkrete Menschen mit konkreten Bedarfen, die es zu berücksichtigen gilt. Wir fordern daher eine in Umfang und Zeit deutlich reduzierte Maßnahme.“
Stadt Essen: Testweises Aufstellen der Terrassen ist wie Baustelle zu betrachten
Darüber hinaus kritisierte Kalipke, dass die Vorlage für das Projekt der zuständigen Bezirksvertretung (BV) III und dem Umweltausschuss lediglich zur Kenntnisnahme gegeben worden ist, die Gremien aber nicht darüber entscheiden konnten. Hierzu erklärte Stadtsprecher Patrick Betthaus auf Anfrage: „Rein rechtlich betrachtet ist diese temporäre Erprobung, die zwei Monate dauert, wie eine Baustelle einzuordnen.“ Bei laufenden Geschäften der Verwaltung – wie Baustellen, die weniger als drei Monate dauern – würden die Bezirksvertretungen per E-Mail informiert. Es werde aber vorher mit dem Amt für Straßen und Verkehr geklärt, ob es zu verhältnismäßigen Einschränkungen kommen könnte.
„Da es sich hier um ein besonderes Projekt, das auch der Forschung dient, handelt, hat sich die zuständige Grüne Hauptstadt Agentur entschieden, über dieses beschriebene übliche Vorgehen hinaus mit einer Vorlage zur Kenntnisnahme zu informieren“, so Betthaus weiter. Falls die Stadtterrassen dauerhaft installiert werden sollten, müsse man die politischen Gremien aber selbstverständlich beteiligen.
Essener Politiker von Grünen und SPD sehen das Projekt positiv
Ein Workshop am vergangenen Mittwoch (29. Juni) konnte die Wogen zumindest ein wenig glätten. Die Projektverantwortlichen hatten sowohl Politikerinnen und Politiker als auch Bürgerinnen und Bürger eingeladen, um über die geplanten Stadtterrassen zu diskutieren. „Auch wir sind natürlich daran interessiert, die Verkehrswende umzusetzen und wollen uns dabei einbringen“, betonte Andreas Kalipke im Nachgang der Veranstaltung. Positiv sei zu bewerten, dass die Parklets nicht so breit seien wie ursprünglich erwartet.
Aufenthaltsqualität als Ziel
Ziel des Projektes „Be-MoVe“ ist laut Stadt, „mithilfe eines beteiligungsorientierten Ansatzes aktive Mobilität zu stärken“. Als Teil des Förderprogramms „Mobilitäts-WerkStadt 2025“ des Bundesforschungsministeriums (BMBF) möchte die Stadt Essen demnach öffentliche Räume und Verkehrsinfrastrukturen neu gestalten, um die Aufenthaltsqualität und Mobilität zu verbessern. Besonders der Fuß- und der Radverkehr soll in den Fokus gerückt werden.Die Flächen in Holsterhausen werden auch im Sinne Mobilitätsziele der Stadt Essen umgenutzt. Unter anderem hat sich die Stadt das sogenannte „4 x 25 Prozent“-Ziel gesetzt: Bis 2035 sollen je ein Viertel der Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit dem ÖPNV und mit dem Auto zurückgelegt werden.
Bezirksbürgermeisterin Doris Eisenmenger (Grüne) sieht das Projekt überwiegend positiv. „Zonen, wo Menschen sich niederlassen können, bereichern die Straße“, ist sie überzeugt. Die Einschränkungen für die Gewerbetreibenden im Viertel halte sie für weniger groß: „Auf der Gemarkenstraße gibt es ja keinen riesigen Supermarkt, wo man zwingend mit dem Auto vorfahren muss.“ Benno Justfelder, Vorsitzender der SPD Holsterhausen, hält die Stadtterrassen ebenfalls für einen guten Ansatz. „Wir müssen peu à peu Veränderungen vornehmen, wenn wir die Verkehrswende einleiten wollen“, sagt er. Wichtig sei es, dass die Sitzmöglichkeiten an einem Ort aufgebaut würden, der ohnehin Aufwertung benötige – zum Beispiel an der Menzelstraße.
Stadt Essen will bald über Standort der Parklets entscheiden
Wo genau die Terrassen aufgebaut werden sollen, steht noch nicht fest. Laut Patrick Betthaus prüft die Verwaltung derzeit eine Liste mit möglichen Standorten. „Dabei wird beispielsweise berücksichtigt, wo aus Sicht des Fußverkehrs bzw. der Gestaltung des öffentlichen Raums Bedarf bestehen könnte, aber auch, ob die Feuerwehr Einwände hat oder ob bestimmte Standorte aufgrund des Wochenmarktes nicht geeignet“, so der Stadtsprecher.
Die endgültige Entscheidung soll voraussichtlich noch in dieser Woche fallen. Laut Betthaus sollen nach noch nötigen verwaltungsinternen Abstimmungen und unter Berücksichtigung der Rückmeldungen aus Workshops die Standorte festgelegt werden. Im Anschluss müssen noch Sondernutzungen ausgestellt und Halteverbotszonen eingerichtet werden. „Geplant ist aktuell, dass fünf bis sieben Parkplätze auf der Gemarkenstraße/Kahrstraße etwa zwischen der Menzelstraße und dem Demrathkamp im August und September für die Parklets genutzt werden“, erklärt Betthaus. Nach dem Testzeitraum sollen die Parkplätze wieder wie gewohnt zur Verfügung stehen.